Rob, wo haben Sie das Saisonfinale, den GP Brasilien erlebt?
Rob White: Ich war im Square Com-Gebäude von Renault in Boulogne, Paris. Teammitglieder aus Viry, Leute von Renault und der F1-Fanclub hatten sich dort getroffen. Es versteht sich, dass die Stimmung super war. Es war ein langes, nervenaufreibendes Rennen, aber am Ende gab es das gewünschte Ergebnis. Das war ein fantastischer Moment. Wir haben bewiesen, dass das Renault Team ein echtes Topteam ist, das genau weiß, wie man unter Druck motiviert und konzentriert bleibt.

Beide Autos erwiesen sich als äußerst zuverlässig: Weder die E- noch die D5-Spezifikation bereitete über ihre Laufzeit Probleme...
Rob White: Ja, das war besonders befriedigend. Die Entscheidung, zwei verschiedene Ausbaustufen einzusetzen, war unorthodox, ging aber voll auf. Trotzdem komme ich einfach nicht von dem Motorschaden in Monza los. Wir verfolgen eine Null-Defekt-Politik. Es ist eine der Säulen unserer Entwicklungs-Philosophie, jedes Rennen zu beenden, um in der Lage zu sein, Titel zu gewinnen. Aber wir müssen diesen Zwischenfall auch in Relation setzen: 2006 war die erste Saison für die neuen V8-Motoren, und insgesamt erlitten unsere Gegner mehr Defekte als wir.

Der RS26-V8 lief von Beginn an gut...
Rob White: Ich glaube, seine Qualitäten basieren auf den Schritten unseres Entwicklungsprozesses. Wir haben viel Zeit aufgewendet, um gemeinsam mit Projektmanager Léon Taillieu das Konzept des Triebwerks zu definieren, die technischen Herausforderungen zu verstehen - und diese Erkenntnisse auf die Nutzung unserer Ressourcen anzuwenden. Im Winter arbeiteten wir sehr viel an den Prüfständen. Unsere Kommunikation mit der Chassis-Abteilung in Enstone lief beispielhaft. Unser Motor war nicht der erste, der auf der Rennstrecke getestet wurde - und wir wurden für das späte Debüt reichlich kritisiert - aber es war der erste V8, der 2006 ein Rennen gewann. Und das war schließlich unser Ziel.

Wie wurde der RS26 im Saisonverlauf weiterentwickelt?
Rob White: Der Ausgangspunkt war eine gute Zuverlässigkeit vom Start weg. Von da an durchlief die Maschine einen normal Entwicklungsweg. Wir identifizierten schnell jene Bereiche, von denen wir eine Leistungssteigerung erwarteten, und planten die Entwicklungsschritte. Natürlich mussten wir an jedem Punkt die Auswirkungen des Leistungszuwachses auf die Zuverlässigkeit berücksichtigen und bisweilen einzelne Komponenten umkonstruieren.

War der gesamte Entwicklungspfad von vornherein fest geplant oder habt ihr die Prioritäten je nach den aktuellen Anforderungen der Saison festgelegt?
Rob White: Es handelt sich immer um eine Mischung aus beidem. Die Entwicklungsschritte sind von Beginn bis Ende der Saison vorausgeplant, aber dieser Plan kann jederzeit modifiziert werden, wenn sich gewisse Parameter ändern - seien es Probleme auf der Strecke oder unerwartete Fortschritte in der Konstruktionsabteilung.

Führte der Defekt von Monza bei den Motorenleuten zu vielen schlaflosen Nächten?
Rob White: Ich bin sehr stolz darauf, wie Léon Taillieu und sein Team diese Geschichte gelöst haben. Nach Monza schwankten wir zwischen Überraschung und Enttäuschung. Aber wir wandelten diese Energie in etwas Konkretes, Positives um. Wir fanden und verstanden die Ursache des Schadens, entwickelten eine Lösung, testeten sie und gaben sie für den Einsatz frei. Parallel dazu kontaktierten wir unsere Zulieferer, um sicherzustellen, dass sie alle Liefertermine halten konnten. Als wir vor dem Grand Prix von China die gefundene Lösung zum letzten Mal testeten, gab es zwei mögliche Wege. Der erste war bekannt und sicher, der andere etwas riskanter, bot dafür einen Leistungsvorteil. Wir wählten die zweite. Das ist typisch für unsere Arbeitsweise.

Der Schaden im letzten Saisondrittel blieb zwar ein Einzelfall. Aber er zeigte trotzdem, dass man sich in Sachen Zuverlässigkeit niemals zu sicher sein darf...
Rob White: Genauso ist es. Du hörst nie auf, nach noch besserer Zuverlässigkeit zu suchen. Und das Erfolgsgeheimnis dahinter ist, dass wir immer wachsam bleiben. Dennoch wäre es verkehrt, sich ausschließlich auf die Haltbarkeit zu konzentrieren, selbst zum Saisonende. Ein Rennmotor muss maximale Leistung bringen. Es ist diese Balance zwischen zwei widersprüchlichen Zielen, die wir jeden Tag suchen. Unsere Stärke bestand darin, dass wir offenbar den besten Kompromiss gefunden haben.

Ab dem zweiten Lauf waren Fernando und Giancarlo auf unterschiedlichen Motorwechselzyklen unterwegs, weil Fisichella nach seinem Ausfall in Bahrain einen frischen Motor bekommen hatte. War das ein Vorteil oder ein Problem für euch?
Rob White: Weder noch. Es erlaubte uns, bestimmte Entwicklungen früher einzuführen als geplant, aber das brachte natürlich auch eine erhöhte Arbeitsbelastung mit sich, weil wir die betreffenden Teile ja auch rechtzeitig durch unseren Freigabeprozess bringen mussten - vor dem vorgesehenen Rhythmus.

Können Sie uns sagen, von welchem Plus an Leistung, Drehmoment oder Drehzahl während der Saison wir sprechen?
Rob White: [lächelt] Ich glaube, ich habe die Frage nicht ganz verstanden...

Was ist für Sie ein guter Formel 1-Motor?
Rob White: Das ist aus meiner Sicht ganz einfach: Für Power, Drehmoment oder Drehzahlen bekommst du keine Punkte. Der beste Indikator ist die Menge der WM-Punkte, die du einfährst, denn alles was zählt, ist die kombinierte Performance des Chassis-Motor-Pakets.

Demnach müsste die Zusammenarbeit zwischen Enstone und Viry ziemlich gut funktionieren.
Rob White: Das tut sie. Beide Seiten stehen kontinuierlich im Austausch und die Arbeitsprozesse sind gut eingespielt - auch wenn sie laufend weiter verbessert werden. Wir sind direkt, ehrlich und - das ist das wichtigste - wir vertrauen einander.

Ab 2007 wird Renault Motoren an Red Bull Racing liefern. Was ändert sich dadurch?
Rob White: Ich halte das für einen guten Schritt. Erstens, weil er die Präsenz von Renault in der Formel 1 stärkt. Wir freuen uns sehr darauf, die Arbeit mit unseren neuen Partnern aufzunehmen. Denn zweitens wird uns das helfen, die Konsequenzen des neuen Motorenreglements abzufedern, das auf eine erhebliche Einschränkung der Motorenentwicklung hinausläuft.

Mit welchen Erwartungen gehen Sie in die neue Saison?
Rob White: Es ist noch etwas früh, um detailliert über 2007 zu sprechen. Aber wir werden die kommende Saison so angehen, wie wir es die vergangenen zwei Jahre gemacht haben. Das heißt: das Beste aus unseren Ressourcen zu machen und die bestmöglichen Ergebnisse zu holen - und dabei jede sich ergebende Chance besser zu nutzen als unsere Gegner!