Das Saisonziel: Weg vom Tabellenende.

Die Ausbeute: 9. WM-Platz - 1 Punkt

Die Bilanz - Auto & Team: Gäbe es einen Pokal für den letzten WM-Platz, wäre dieser in den letzten Jahren genauso häufig in Faenza zu Gast gewesen wie der WM-Pokal in Maranello. Doch mit dem Namen Minardi legte die sprichwörtlich sympathische, kleine Truppe aus Faenza auch die rote Laterne ab. Als zweite Scuderia, nämlich die Scuderia Toro Rosso, schickte sie sich an, das Mittelfeld zu erobern und galt sogar eine Zeit lang als das Schreckgespenst der Großen; allerdings völlig zu Unrecht.

Der Hauptkritiker der Jungbullen war das zu diesem frühen Zeitpunkt des Jahres noch Midland getaufte Team von Colin Kolles. Dem namenstechnisch flexiblem Rennstall waren die gedrosselten V10-Motoren der kleinen Scuderia, die letzten einer seit dem Saisonfinale in Brasilien endgültig ausgestorbenen Art, ein Dorn im Getriebe. Aber nicht nur bei Midland, auch bei einigen Automobilherstellern ging kurz vor dem Saisonbeginn in Bahrain die Angst vor dem Cosworth-V10 um. Mario Theissen und Norbert Haug fürchteten sogar das aus ihrer Sicht Allerschlimmste: einen Podestplatz für die Truppe von Gerhard Berger und Franz Tost.

Neel Jani war unauffällig, aber immer gut., Foto: Sutton
Neel Jani war unauffällig, aber immer gut., Foto: Sutton

Dazu kam es natürlich nicht. Der vermeintliche Motorenvorteil von Toro Rosso spielte selbst auf engen Kursen wie in Monaco, wo das höhere Drehmoment tatsächlich ein Vorteil war, nur eine untergeordnete Rolle. Andererseits beklagten sich die Piloten regelmäßig über PS-Nachteile, die sich aber nur selten in den Top-Speed-Listen bemerkbar machten, da man auf Kosten des Abtriebs meistens mit flachen Flügeln fuhr.

Apropos Flügel: Noch bevor die Flexibilität derselben in diesem Jahr zu zweifelhaftem Ruhm gelangte, wurde über die Flügel und alle anderen Chassisbestandteile des STR1 getauften Bullengefährts heiß diskutiert. Denn nicht nur die Lackierung und Fahrzeugfarben ähnelten aus manchen Perspektiven frappierend dem Schwesterfahrzeug von Red Bull Racing. Das gesamte Design des STR1 schien ein Abklatsch, eine Kopie oder hochmodern ausgedrückt ein Klon des RB1 zu sein, dem Vorjahreswagen von RBR. Das ist insofern bemerkenswert, als dass der RB1-Klon gegen Saisonende mehr Potenzial zu bieten schein als der in der Entwicklung eingefrorene RB2. In den Schlussrennen kam Toro Rosso ein ums andere Mal vor dem Schwesterteam ins Ziel.

Dass der RB1 aber überhaupt in Form des STR1 zu einem Comeback kam, verdankte er dem Erfindungsreichtum der Flügel schlagenden Red Bull-Leute. So sind die Design-Rechte, also das geistige Eigentum an den Konstruktionszeichnungen, nicht Eigentum von Red Bull Racing, sondern der Red Bull GmbH, die ihrerseits das geistige Eigentum an die beiden Teams weiter vergeben hat. Dank dieses Kniffs durfte Toro Rosso trotz des Verbots von Kundenchassis mit dem Quasi-RB1 antreten.

Die Jungbullen standen nicht im Schatten des großen Bruders., Foto: Sutton
Die Jungbullen standen nicht im Schatten des großen Bruders., Foto: Sutton

Nur die große Scuderia ließ sich am Ende nicht so leicht aufs Vertragsglatteis führen: Nachdem Ferrari 2006 Red Bull Racing mit Motoren beliefert hatte, wollten die Bullen ihren Motorendeal für 2007 an Toro Rosso weiterreichen und ihrerseits Renault-Motoren in den RB3 einbauen. Im offiziellen Press Release zur Motorensituation des kommenden Jahres betonte Ferrari aber ausdrücklich, dass man den "gültigen Vertrag" mit RBR aufgelöst und einen neuen Motorenvertrag mit der Red Bull GmbH für Toro Rosso eingegangen sei. Ordnung muss im Unternehmensgewirr schon sein, nur bei Bernies unzähligen Unternehmen der Formula One Group wird noch Jahrzehnte nach dem Versiechen der letzten Ölquelle keine Transparenz herrschen.

Wunder sollen aber trotzdem hin und wieder geschehen. Dafür bekannt war das kleine Minardi Team, das nun unter einem neuen Namen und mit einem neuen, alles andere als Minardi-mäßigen Besitzer - nämlich einem finanziell nicht angeschlagenen - in ganz anderen Dimensionen denken und endlich das volle Potenzial ausschöpfen kann. Und der Erfindergeist der alten Minardi-Tage scheint angesichts der Red Bull-Hintertürchen ja trotzdem noch gegenwärtig zu sein...

Die Bilanz - Fahrer: Als zum ersten Mal Gerüchte über den Aufkauf des Minardi Teams durch Red Bull aufkamen, wurde schnell von einem Red Bull Junior Team gesprochen. Der Name wurde glücklicherweise nicht aus den unteren Serien übernommen, unter anderem weil Bernie dadurch schlechte Auswirkungen auf das Image befürchtete. Trotzdem saßen in der Debütsaison der Scuderia Toro Rosso drei Red Bull-Junioren in den Cockpits.

Für Toro Rosso schien 2006 die Sonne., Foto: Sutton
Für Toro Rosso schien 2006 die Sonne., Foto: Sutton

Im dritten Auto nahm der Schweizer Neel Jani Platz, der sicherlich der unauffälligste Freitagstester der gesamten Saison war. Sogar die Midland respektive Spyker-Piloten und in den letzten Saisonrennen auch Franck Montagny im Super Aguri mischten öfter vorne in den Ergebnislisten mit als Jani. Doch das hatte einen Grund: Der Schweizer wurde nicht auf Zeitenjagd geschickt. Er durfte selten bis nie mit fast leerem Tank, neuen Reifen und mehr Drehzahl auf die Strecke - also alles das, was seine Kollegen Vettel, Davidson, Wurz & Co zu ihrem Standard-Freitags-Programm zählten. Der Vergleich mit den Rundenzeiten von Winkelhock, Sutil oder Montagny wäre also unfair und einen anderen Vergleich kann man bei unterschiedlichen Testprogrammen ohnehin nicht ziehen.

Anders sieht es bei den Stammfahrern aus. Die Leistungen der beiden Rookies sind durchaus vergleichbar, auch wenn Liuzzi dank des Cockpit-Sharings aus dem Vorjahr einen leichten Erfahrungsvorteil von vier Grand Prix und etlichen Freitagstests hatte. Das spiegelte sich in den Platzierungen und Leistungen des Italieners wieder, der auch den einzigen WM-Zähler der Jungbullen ergatterte. Den ersten Zähler holte jedoch Scott Speed, allerdings musste er ihn wenig später wegen eines Vergehens unter gelber Flagge wieder abgeben. Ansonsten fiel der Amerikaner nicht gerade als einer der gesprächigsten Fahrer auf, außer bei jener besagten Stewards-Anhörung, die ihn in Australien seinen ersten WM-Punkt und 5.000 Dollar kostete, weil er vor den Ohren der Rennkommissare seinen Red Bull-Kollegen David Coulthard beschimpfte. Das war der erste und einzige richtige Familienkrach im Hause der roten Bullen. Der zweite Krach war eher rein akustischer Natur: Nämlich als Tonio Liuzzi bei einem Testgastspiel für Red Bull einen RB2 in Silverstone heftig in die Barrieren setzte. Aber junge Bullen müssen eben auch einmal etwas kaputt machen.

Saisonziel erreicht? Ja, mit Super Aguri und Spyker ließ man die direkten Rivalen hinter sich, kämpfte teilweise sogar gegen den großen Bruderbullen - nur ein paar mehr Pünktchen hätten es sein können.