Der Shanghai International Circuit ist am kommenden Wochenende erst zum dritten Mal Austragungsort eines Formel 1-Grand Prix - doch das 5,451 Kilometer lange Asphaltband vor den Toren der chinesischen Metropole zählt dennoch längst zu den Lieblingskursen nahezu aller Fahrer. Dabei gilt der Kurs aber keineswegs als einfach: in den vergangenen Jahren patzten einige der Spitzenpiloten und sahen wir etliche Fahrfehler der weltbesten Lenkradartisten.

Die von dem Aachener Architekten Hermann Tilke entworfene Strecke, deren Layout dem chinesischen Schriftzeichen "shang" (was so viel wie "aufwärts", "oben" oder "hoch" bedeutet) nachempfunden ist, überzeugt mit einer anspruchsvollen und abwechslungsreichen Streckenführung. Mit seiner großen Bandbreite verschiedenartiger Kurven - von langsamen Haarnadeln bis zu Highspeed-Knicks, gewürzt mit einigen extrem kniffligen mittelschnellen Abschnitten - hält der Kurs einige fahrerisch äußerst anspruchsvolle Herausforderungen bereit.

So sieht er aus - der SIC., Foto: Sutton
So sieht er aus - der SIC., Foto: Sutton

Doch nicht nur die Piloten, auch die Ingenieure werden am kommenden Wochenende besonders gefordert. So gehört Shanghai zu den Strecken, die besonders hohe Anforderungen an die aerodynamische Effizienz stellen. Glücklicherweise erlaubt die Strecke dank langer Geraden und großzügiger Breite Überholmanöver - vorausgesetzt, man verfügt über eine gute Höchstgeschwindigkeit. Hier kommt wieder einmal der berüchtigte Kompromiss ins Spiel: Denn ein zu geringes Abtriebsniveau führt zu einem Zeitverlust in den vorwiegend langsamen und mittelschnellen Kurven. Einige dieser langsamen Kurven scheinen fast nicht enden zu wollen. Besonders für den ersten gewundenen Teil, die so genannte Scheckenkurve, ist gute Traktion unerlässlich. Trotz dieser Anforderungen werden die Reifen mechanisch und thermisch weniger gefordert als auf manch anderer Strecke.

"Die Schneckenkurve nach Start und Ziel stellt die Piloten vor eine ungewohnte Situation: mit Vollgas rein, müssen sie sich einordnen und in der immer langsamer werdenden Kurve bremsen", erklärt Berater Marc Surer. "Das Gegenteil davon finden wir am Ende der hinteren Geraden: Hier fängt die Kurve ganz eng an und wird dann immer schneller. Am Ausgang ist sie so überhöht, dass man im Windschatten bleiben und anschließend überholen kann."

Die Tribünen erhielten einen typischen Landes-Flair., Foto: Sutton
Die Tribünen erhielten einen typischen Landes-Flair., Foto: Sutton

Der SIC ist die größte Rennstrecke Asiens. Er fasst rund 200.000 Besucher und entspricht den allerneuesten Standards. Allein die 29.000 Zuschauer fassende Haupttribüne verschlang unglaubliche 12.000 Tonnen Stahl. Doch dies ist nicht die einzige architektonische Meisterleistung, welche die Chinesen unter Tilkes Führung vollbracht haben. Immerhin wurde der Kurs teilweise auf Styropor errichtet! Nebeneinander gelegt würden die Styropor-Platten, die Tilke & Co als Untergrund für den Kurs benutzten, eine Distanz von 350 Kilometern ergeben. Zunächst mussten jedoch in das ehemalige Sumpfgebiet 40 bis 80 Meter lange Pfähle eingeschlagen werden. Darauf lagert seitdem an einigen Stellen bis zu 14 Meter hoch Styropor - darüber folgen rund zwei Meter Erde und erst dann der Asphalt für die Rennstrecke.

Die Streckengeschichte

Schon 1998 bemühte sich China um die Austragung eines Formel-1-Rennens, doch trotz neunjähriger Planungszeit erwies sich die Rennstrecke von Zhuhai als F1-untauglich, da sie nicht internationalen Standards genügte. Daraufhin wurde der Aachener Architekt Hermann Tilke als Streckendesigner verpflichtet, der schon für die Umbauarbeiten auf dem Nürburgring und Hockenheimring sowie für den Neubau der Rennstrecken in Malaysia und Bahrain verantwortlich zeichnete. Sein Entwurf überzeugte die Verantwortlichen der Formel 1. Es wurde ein Vertrag bis in die Saison 2010 unterzeichnet.

Der 2004 eingeweihte Shanghai International Circuit entstand binnen 18 Monaten auf 5,3 Quadratkilometern Sumpflandschaft. Insgesamt arbeiteten 8.000 Arbeiter rund um die Uhr, um die rund 240 Millionen teure Strecke rechtzeitig fertig zu stellen. Die Ausmaße der Anlage übertreffen alle anderen F1-Rennstrecken, und führen auch zu weiten Fußwegen. Die Fahrzeit vom Zentrum der boomenden Metropole zur Rennstrecke ist schwer kalkulierbar. Die 2004 gefahrene Bestzeit liegt bei etwas über einer halben Stunde. Abhängig von der Hotelwahl und -lage, kann man zur Hauptverkehrszeit auch über drei Stunden unterwegs sein.