Zum zweiten Mal macht der F1-Tross in der Türkei Station. Manche Dinge ändern sich, manche nicht. Der Verkehr ist immer noch genauso mörderisch wie im Vorjahr, auch wenn manche Fahrer sich einige Tricks haben einfallen lassen, um dem Verkehrschaos mit Hotels auf der anderen Bosporus-Seite oder Motorrädern zu entgehen. Verändert hat sich das Kräfteverhältnis: Im letzten Jahr war Rot in Not, in dieser Saison waren sie "dramatisch" überlegen - zumindest im Qualifying.

1. - S wie Startaufstellung

Trotz der roten Dominanz steht am Sonntag nicht Michael Schumacher auf dem Startplatz mit der großen Nummer 1. "Es zählt, dass wir beide vorne stehen, wir haben also unser Soll und Ziel erreicht", gab sich Schumacher nach seinem Fehler mit Rang 2 hinter seinem Teamkollegen zufrieden; jedenfalls offiziell. "Die Pole für Felipe ist sehr gut für uns, denn wir brauchen ihn, damit er Renault Punkte wegnimmt", fügte Technikchef Ross Brawn an, und zwar nicht nur für die Fahrer-WM, sondern auch im Kampf um den Konstrukteurstitel. Denn Ferrari schielt noch immer auf zwei Titelgewinne.

Bei Renault war man vom Qualifying hingegen positiv überrascht. "Wir wussten, dass wir im Qualifying keine Chance hatten und haben uns ganz auf die Rennabstimmung konzentriert, die ist perfekt, da rechne ich mir mehr aus", sagte Fernando Alonso, der neben seinem Teamkollegen von Rang 3 startet. "Demnach haben wir mehr erreicht als wir erwartet hatten. Daher sind wir für das Rennen optimistisch."

2. - S wie Start

Es liegt in der Natur von Rennfahrern, dass sie immer so schnell wie möglich so weit wie möglich nach vorne kommen möchten. Zur Umsetzung dieses Verlangens ist der Start für sie wie ein Geschenk Gottes oder Bernies, wie man in der F1-Welt wohl sagen muss.

Alonso hofft auf einen Raketenstart., Foto: Sutton
Alonso hofft auf einen Raketenstart., Foto: Sutton

In Istanbul kommt dem Start gleich aus mehreren Gründen eine besondere Bedeutung zu. Zum ersten könnte es gleich in der ersten Kurve mächtig krachen - das Vorjahr lässt grüßen. "Der Start wird wichtig, da die erste Kurve bergab geht", weiß Jarno Trulli, der sich von Platz 12 nach vorne kämpfen möchte. "Wenn wir da ohne Zwischenfall durchkommen, haben wir gute Chancen."

Beste Chancen hat Felipe Massa auf Platz 1, schlechter sieht es bei Michael Schumacher auf der schmutzigeren Seite aus. "Das ist sicherlich ein Punkt, den wir beachten müssen. Wie groß der Einfluss zwischen der rechten und linken Seite ist, wird sich zeigen."

Flavio Briatore wähnt seinen WM-Leader jedenfalls im Vorteil. "Michael startet auf der falschen Seite, wenn uns der Start gelingt, können wir um den Sieg mitfahren", prophezeite der Italiener. "Michael fährt innen los, da ist es etwas dreckig, da könnte ihm Fernando gefährlich werden", weiß auch Ross Brawn um die "größte Gefahr" für die rote Doppelspitze. "Wenn er das übersteht, ist unser Auto sehr gut und konstant. Dann ist im Rennen alles drin."

3. - S wie Setup

Als neuer und moderner Kurs befindet sich der Istanbul Speed Park baulich in bester Verfassung. Die Fahrbahnoberfläche ist sehr eben, und die Kerbs sind nicht sonderlich aggressiv. Eine stabile Balance der Autos sollte also nicht allzu schwer zu finden sein. Die Teams verwenden deshalb ein Setup mit deutlich weniger Abtrieb als bei den vorhergehenden Rennen. Das Aero-Paket für die Türkei liegt nah an den mittleren Abtriebswerten, wie sie für die nordamerikanischen Grands Prix verwendet wurden.

Die Reifen werden in der Türkei nicht besonders hart gefordert, aber die Techniker behalten die vorderen Pneus stets im Auge - insbesondere den rechten Vorderreifen, der in Turn 8 viel arbeiten muss. Diese Kurve gehört für die Vorderachse zu den anspruchsvollsten des Jahres. Damit keine Probleme mit dem Reifenverschleiß auftauchen, richten die Techniker das Setup von Aufhängung und Frontflügel an diesen Anforderungen aus. Die Schwierigkeit besteht darin, die richtige Balance zwischen Schonung der Reifen und einem guten mechanischen Grip zu finden, damit das Auto in den technisch anspruchsvolleren Streckenteilen schnell ist.

Um den Reifenverschleiß - speziell an der Vorderachse - in Grenzen zu halten, wird viel mit dem Aufhängungs-Setup gearbeitet. Sowohl das Streckenlayout als auch der gute Fahrbahnzustand erlauben eine relativ steife Abstimmung. Diese ermöglicht in den technisch schwierigen Sektoren schnelle Richtungswechsel und garantiert Stabilität in den Hochgeschwindigkeitskurven.

Die Strecke begeistert die Fahrer auch in diesem Jahr., Foto: Sutton
Die Strecke begeistert die Fahrer auch in diesem Jahr., Foto: Sutton

Die Bremszone für Kurve 12 gehört zu den wichtigsten Stellen des Kurses. Den Bremspunkt nicht optimal zu erwischen und in der Folge den Scheitelpunkt zu verpassen, kostet in dieser langsamen Kurve viel Zeit. Insgesamt aber ist die Strecke von Istanbul Park für die Bremsanlage nicht besonders anspruchsvoll. Die Bremsen bekommen auf den langen Geraden immer wieder Zeit abzukühlen.

Der Speed Park stellt an die Triebwerke sehr vielfältige Anforderungen. Der Vollgasanteil von 65 Prozent einer Runde liegt im Saisondurchschnitt. Wichtig ist ein gut fahrbares Aggregat, das zugleich hohe Topspeeds für Überholmanöver auf der Geraden ermöglicht - dies darf aber nicht auf Kosten der Leistung in den unteren Drehzahlbereichen gehen. Außerdem steht auch eine relativ sanfte Leistungsabgabe bei hohen Drehzahlen im Blickpunkt der Motorentechniker, da dies die Aufgabe der Fahrer in der kritischen Kurve 8 erleichtert.

4. - S wie Strategie

Vor dem fünfletzte Saisonrennen hielten sich die Chefstrategen und Fahrer noch bedeckter als sonst, jedenfalls wenn es um ihre Strategien für den Türkei GP ging. Man merkt: Es geht in die Endphase, niemand möchte den Gegnern einen Vorteil verschaffen.

Entsprechend herrschten nicht nur bei McLaren Mercedes die üblichen Phrasen und Floskeln vor: "Wir haben eine gute Strategie und hoffen damit ein gutes Ergebnis einzufahren." Ja, wer hofft das nicht. Also müssen wir in den Archiven kramen, Boxenstopps und Taktiken vergleichen und uns selbst ein Bild von der Tankstopplage machen.

Wie viele Stopps dürfen wir also erwarten? Wie üblich schwankt die Zahl zwischen zwei und drei, wobei anzunehmen ist, dass die meisten Fahrer zweimal zum Tanken kommen werden. Der Spritverbrauch schlägt mit 2,7 kg pro Runde recht hoch zu Buche. Je nach Qualifying-Tankbefüllung sollte der erste Stopp zwischen Runde 18 und 29 stattfinden. Der zweite Boxenaufenthalt würde dann zwischen Runde 39 und 50 anstehen. Auf der Stoppuhr verliert ein Fahrer mit einer gleichmäßig verteilten Zweistoppstrategie zwischen 8,5 und 9 Sekunden, wobei diese Zeiten natürlich je nach Zeitpunkt des Boxenhalts variieren können. Die Gesamtboxenstoppdauer von der Boxengasseneinfahrt bis zur Ausfahrt beträgt bei zwei Stopps rund 25 Sekunden.

5. - S wie Sonntagswetter

BMW Sauber war im Qualifying schnell unterwegs., Foto: Sutton
BMW Sauber war im Qualifying schnell unterwegs., Foto: Sutton

Eine Wiederholung des spannenden Regenrennens von Ungarn erwartet uns in Istanbul nicht. Stattdessen wird es heiß und trocken. Bei klarem Himmel und Sonnenschein werden Höchsttemperaturen von bis zu 33 Grad erwartet. Das Niederschlagsrisiko liegt bei 0 Prozent. Also bestes Ferrari- und Bridgestone-Wetter. Michael Schumacher gefällt das. "Wir waren bei diesen Bedingungen zuletzt sehr gut, das scheint uns zu liegen." Bei Renault hofft Pat Symonds darauf, dass sich die Streckenverhältnisse über Nacht genauso ändern wie in Barcelona. Dort war Renault am Samstag auch weit abgeschlagen, konnte am Sonntag aber mit deutlichem Abstand triumphieren. Alex Wurz macht ihm da aber wenig Hoffnung: "Bridgestone wird im Laufe des Wochenendes besser werden", prophezeite der Paradetestfahrer.

6. - S wie Speed

In Budapest waren Überholmanöver unter trockenen Bedingungen so gut wie ausgeschlossen. Für den Speed Park in Istanbul gilt diese moderne F1-Regel nicht. Hier könnte uns durchaus das ein oder andere Überholmanöver erwarten. Die besten Voraussetzungen dafür hat wieder einmal die Scuderia Ferrari. Beide 248 F1 lagen im Qualifying an der Spitze der Top-Speed-Tabelle; gleich dahinter folgten aber die Renault.

Platz Fahrer Top-Speed
1. Felipe Massa / Ferrari 315,6
2. Michael Schumacher / Ferrari 315,6
3. Giancarlo Fisichella / Renault 314,4
4. Fernando Alonso / Renault 314,3
5. Jarno Trulli / Toyota 312,5
6. Pedro de la Rosa / Mercedes 312,4
7. Ralf Schumacher / Toyota 310,2
8. Scott Speed / Cosworth V10 309,8
9. Robert Kubica / BMW 308,9
10. Kimi Räikkönen / Mercedes 308,4
11. Nick Heidfeld / BMW 307,5
12. Mark Webber / Cosworth 306,6
13. David Coulthard / Ferrari 306,3
14. Rubens Barrichello / Honda 306,3
15. Tonio Liuzzi / Cosworth V10 306,2
16. Nico Rosberg / Cosworth 305,6
17. Jenson Button / Honda 304,1
18. Christian Klien / Ferrari 304,0
19. Christijan Albers / Toyota 303,7
20. Tiago Monteiro / Toyota 301,1
21. Takuma Sato / Honda 303,1
22. Sakon Yamamoto / Honda 299,1

7. - S wie Spannung

Für Christian Danner ist die Ausgangslage vor dem 14. Saisonlauf klarer als es die dritte Qualifying-Session ausdrückte. "Ferrari ist dramatisch überlegen", glaubt der Ex-GP-Pilot, dass kein Weg an den Roten vorbeiführen wird.

"Wir waren das ganze Wochenende extrem stark", stimmt ihm Michael Schumacher zu, der schon ein Ergebnis im Kopf hat: "Hoffentlich können wir ein ähnliches Ergebnis in leicht umgekehrter Reihenfolge erzielen."

So leicht lässt sich der amtierende Weltmeister aber nicht schlagen. "Aus der zweiten Startreihe heraus werden wir der Scuderia einen harten Kampf um den Sieg liefern", kündigte Pat Symonds an. Fernando Alonso möchte allerdings nicht um jeden Preis gewinnen. "An allererster Stelle jedoch steht für uns die Aufgabe, beide Renault R26 ins Ziel zu bringen - jetzt kommt es auf jeden einzelnen WM-Punkt an." Noch zählt sein Vorsprung deren zehn.