Die Wintertestfahrten sind normalerweise kein besonders aussagekräftiges Barometer für eine anstehende Formel 1 Saison. Doch in diesem Winter sollten die Test-Eindrücke Recht behalten: Die ersten drei Saisonrennen in Bahrain, Malaysia und Australien waren so eng und spannend wie schon lange nicht mehr. Mit Renault, McLaren, Honda und Ferrari meldeten gleich vier Teams Siegansprüche an. So kann es gerne weitergehen...

Die Rennen Erstmals seit langer Zeit begann die Saison nicht in Downunder. Ob das ein Grund für den packenden Saisonstart war, bleibt zu bezweifeln. Aber trotz der Abgelegenheit in der Wüste von Bahrain erlebte der F1-Zirkus einen würdigen Auftakt. Ein packendes Rennen, viele Überholmanöver und ein hauchdünner Zweikampf an der Spitze machten den Bahrain GP zu einem echten Thriller. Zur Freude der deutschen Fans und der unzähligen Tifosi weltweit, mischte auch Michael Schumacher wieder ganz vorne mit.

Beim zweiten Rennen in Sepang fehlte der siebenfache Champion in der Spitzengruppe. Motorenprobleme seiner Scuderia zwangen ihn zu einem Kampf gegen Windmühlen oder eben Achtzylinder. Das Rennen selbst war zwar besser als so mancher Grand Prix in der Vergangenheit, konnte aber nicht mit dem Thriller von Bahrain mithalten. Der Sieger saß erneut in einem gelb-blauen Auto - hörte am Ende der Hitze- und Taktikschlacht aber auf den Namen Giancarlo Fisichella.

Der Start in eine spannende Saison., Foto: Sutton
Der Start in eine spannende Saison., Foto: Sutton

Das letzte der drei Überseerennen zu Saisonbeginn entwickelte sich im Albert Park zu Melbourne zu einem echten Krimi. Mehrere Safety-Car Phasen, diverse Un- sowie Zwischenfälle und ein enger Kampf um die Plätze sorgten für spannende Unterhaltung. Wie schon beim ersten Rennen, sollte der Sieger Fernando Alonso heißen. Ferrari vergriff sich bei der Reifenwahl und fuhr den eigenen Ansprüchen weit hinterher.

Die Regeln Wie mittlerweile in jeder Saison, gab es auch in diesem Jahr etliche neue Regeln zu beachten. Die größte Veränderung an den Autos sind zweifelsohne die neuen V8-Triebwerke. Deren Zuverlässigkeit ließ in den ersten Wochen noch zu wünschen übrig, was sich besonders in Malaysia in extrem vielen Motorschäden niederschlug. Ansonsten wurden die vielen Befürchtungen über zu leistungsschwache Boliden oder langweiligen Sound nicht bestätigt: Die V8 stahlen der F1 keinesfalls ihren Status als Königsklasse des Motorsports. Gespart haben die Hersteller durch deren Einführung aber nichts...

Die zweite einschneidende Änderung ist das abermals veränderte Qualifying-Format. Dieses erlebte in Bahrain mit einem spektakulären Debüt einen fliegenden Start. Bereits in Malaysia war der Reiz des Neuen jedoch aufgebraucht und die drei Sessions verliefen ohne Zwischenfälle fast schon nach einer eingespielten Routine. Kritikwürdig ist noch die dritte Session, in welcher die Piloten zu Beginn sinnlos Benzin verbrennen und erst gegen Ende mit Vollgas auf Zeitenjagd gehen. Davon abgesehen, scheinen Max Mosley & Co endlich ein Qualifikationssystem gefunden zu haben, das sowohl den Zuschauern an der Strecke als auch den Fans zuhause Spannung und Unterhaltung bietet.

Kimi sorgte unfreiwillig für viel Spannung im 1. KO-Quali., Foto: Sutton
Kimi sorgte unfreiwillig für viel Spannung im 1. KO-Quali., Foto: Sutton

Die Reifen Eine weitere Regeländerung betraf die Reifen: Seit dieser Saison sind Reifenwechsel wieder erlaubt. Was bei Michelin auf Unverständnis und Ablehnung stieß, sorgte bei Bridgestone für erfreute Gesichter. Die weniger langlebigen Sprintreifen brachten die Japaner über den Winter wieder ins Geschäft: Von einer Dominanz kann zwar keine Rede sein, aber Bridgestone ist in diesem Jahr deutlich näher an Michelin dran, als man dies vor Saisonbeginn erwartet hatte.

Überraschenderweise haben Teams beider Reifenhersteller bei den ersten Rennen Probleme gehabt ihre Pneus auf Temperatur zu bringen. Besonders schlimm hat dieses Phänomen Toyota getroffen, die in Bahrain völlig neben sich standen. Aber auch Honda kämpfte auf lange Distanz gesehen mit Reifenproblemen. Deshalb laufen die Entwicklungsarbeiten bei beiden Herstellern auf Hochtouren: Schließlich naht mit dem Europa-Auftakt in Imola die Zeit der kühleren Rennen in europäischen Gefilden.

Die Neuen Drei neue Fahrer und fünf neue Teams sind in diesem Jahr in der Formel 1 WM vertreten. Bei den Teams ist allerdings nur ein Rennstall wirklich komplett neu. Honda, BMW Sauber, MF1 Racing und die Scuderia Toro Rosso bauen auf ihren jeweiligen Vorgängern auf. Den größten Sprung unter diesen "Neulingen" hat erwartungsgemäß das Red Bull Nachwuchsteam gemacht, welches zudem für jede Menge Schlagzeilen sorgte. Die Verwendung eines Vorjahres-Red Bull sowie der Einsatz von leistungsreduzierten V10-Motoren sorgten für viel Aufruhr bei der Konkurrenz.

Nico war die Überraschung des Saisonstarts., Foto: Sutton
Nico war die Überraschung des Saisonstarts., Foto: Sutton

Wirklich neu im Kreise der nun elf F1-Teams ist Super Aguri. Die Truppe von Aguri Suzuki stellte innerhalb von nur vier Monaten ein funktionsfähiges Team samt zweier Autos auf die Räder und konnte trotz der hoffnungslosen Unterlegenheit gegen die Rivalen mit Kampfgeist und Einsatz überzeugen. Die Resultate und Rückstande fielen für ein modifiziertes, vier Jahre altes Arrows-Chassis äußerst beachtlich aus.

Gleiches gilt für den besten der drei Rookies: Nico Rosberg verzauberte das Publikum schon bei seinem F1-Debüt in Bahrain mit einer starken Punkteankunft. Trotz seines Fehlers in der ersten Kurve, kämpfte sich der Williams-Pilot bis auf Rang 7 nach vorne. Bei seinem zweiten Rennen in Malaysia startete er sogar aus der zweiten Startreihe! Danach verließ ihn leider das Glück und er schied in Sepang und Melbourne mit technischen Problemen aus. Dennoch ist der junge Deutsche die Entdeckung des Saisonstarts in Übersee.

Weniger gut schlug sich der Japaner Yuji Ide, der sogar selbst eingestehen musste, dass er noch viel zu lernen hat, um mit seinen Konkurrenten mithalten zu können. Da ist es kein Wunder, dass sich um sein Cockpit bereits Wechselgerüchte ranken. Der Amerikaner Scott Speed fiel als dritter Neuling im Bunde zunächst nur durch seinen Namen und seine Nationalität auf. In Melbourne zeigte er allerdings eine gute Fahrt in die Punkteränge. Danach schrieb er jedoch Negativschlagzeilen, als er David Coulthard bei einem Stewards-Meeting beschimpfte und dafür 5.000 Dollar Strafe aufgebrummt bekam. Seinen ersten WM-Punkt verlor er ebenfalls, da er unter gelber Flagge überholt haben soll.

Robert Kubica gab ein starkes Testfahrerdebüt., Foto: Sutton
Robert Kubica gab ein starkes Testfahrerdebüt., Foto: Sutton

Die Tester Bis auf Super Aguri setzt jedes der Bottom-7 Teams einen Freitagstestfahrer ein. Neben Alteingesessenen Piloten wie Alex Wurz, Anthony Davidson oder Robert Doornbos, kamen dabei auch einige Rookies zum Einsatz. Bei MF1 Racing waren dies Giorgio Mondini und Markus Winkelhock. Vor allem der Deutsche wusste seine Arbeitgeber mit guten Leistungen und Feedback zu überzeugen. Für die Scuderia Toro Rosso griff der Schweizer Neel Jani als Freitagstestfahrer ins Lenkrad. Auch er konnte sehr gute Leistungen verbuchen.

Die Überraschung der ersten drei Freitage war jedoch der Pole Robert Kubica. Während man die abwechselnden Session- und Tagesbestzeiten von Davidson und Wurz erwarten konnte, bewies der junge BMW Sauber Testpilot mit seinen starken Ergebnissen besonders viel Talent. Er machte wenig Fehler, lernte die ihm unbekannten Strecken äußerst schnell und legte eine überraschend starke Pace vor. Mario Theissen attestierte ihm nicht umsonst ein exzellentes Debüt.

Der Pechvogel Für Kimi Räikkönen begann die Saison 2006, wie weite Teile des Jahres 2005 verlaufen waren: Mit Pleiten, Pech und technischen Pannen. Egal ob es Motorschäden und die dazugehörige Strafversetzung, Defekte im Qualifying, unverschuldete Unfälle im Rennen oder sonstige technische Problemen waren: Immer erwischte es den Finnen. Dennoch konnte er 14 Zähler aus drei Rennen einfahren und mit den gewohnten Aufholjagden für Spannung sorgen. Ohne das viele Pech, könnte er aber weiter vorne stehen.

Toyota fuhr zunächst nur hinterher..., Foto: Sutton
Toyota fuhr zunächst nur hinterher..., Foto: Sutton

Die Verlierer Zählt man nur die ersten beiden Saisonrennen, würde der 'Titel' der größten Enttäuschung an Toyota gehen. Die Japaner blieben besonders in Bahrain weit hinter den Erwartungen und eigenen Ansprüchen zurück. In Australien erholten sie sich allerdings auf wundersame Art und Weise und hatten als einziges Bridgestone-Team die richtigen Reifen gewählt. Sollten sie den Reifenpoker ab sofort besser in den Griff bekommen, könnten sie zumindest das Image des Verlierers abstreifen. Wundertaten darf man deshalb von Ralf Schumacher und Jarno Trulli aber nicht erwarten.

Stattdessen erwartete man diese von Honda und Jenson Button. Die erhofften und angekündigten Siege blieben bei den zweiten Japanern aber aus. Noch enttäuschender als die verpassten Ziele für Honda und Button, verlief der Saisonstart für Rubens Barrichello. Der Brasilianer kam mit seinem Arbeitsgerät überhaupt nicht zurecht und fuhr seinem Teamkollegen meilenweit hinterher. Rubinho darf getrost als die Enttäuschung der ersten drei Saisonläufe bezeichnet werden.

Als ein weiterer Verlierer muss Ferrari angeführt werden. In Bahrain hatte alles so viel versprechend begonnen. Doch ab dem zweiten Rennen lief so ziemlich alles schief. Zur Verteidigung der Roten muss jedoch angemerkt werden, dass sie durch die diversen Probleme technischer und gummiartiger Natur nie ihre wahre Stärke zeigen konnten. Gleiches gilt für Red Bull Racing, die von den gleichen Ferrari-Motorenproblemen und von ihren anfänglichen Kühlungsproblemen während der Wintertests zurückgeworfen wurden. Trotzdem wussten sie an den ersten drei Rennwochenenden hin und wieder zu überzeugen. Besonders im Qualifying war Christian Klien bei den ersten beiden Rennen stark unterwegs.

Rubens Barrichello ist noch nicht in Form., Foto: Sutton
Rubens Barrichello ist noch nicht in Form., Foto: Sutton

Nicht so stark war die Vorstellung von MF1 Racing. Diesen konnte man zwar schon vor Saisonbeginn keine Podestplätze zutrauen, doch die anfänglichen Zuverlässigkeitsprobleme und der fehlende Speed resultierten teilweise sogar in einem Kampf gegen die Oldtimer-Fahrzeuge von Super Aguri. Dem ersten russischen F1-Team steht also noch viel Arbeit ins Haus, da helfen die dauernden Verkaufsspekulationen keineswegs weiter...

Die Gewinner Sie sind schon Weltmeister und müssen trotzdem als großer Gewinner der Überseerennen aufgeführt werden: Renault und Fernando Alonso setzten ihre Siegesserie genau dort an, wo sie 2005 aufgehört haben. Dabei schienen die Franzosen sogar noch das ein oder andere Zehntelsekündchen in der Hinterhand zu haben. Nur Giancarlo Fisichella erlebte in Bahrain ein von technischen Problemen überschattetes Wochenende. Ansonsten waren die Gelb-Blauen fast immer weltmeisterlich.

Noch nicht auf Weltmeisterniveau, aber trotzdem extrem stark trumpfte das Williams Team auf. Die Briten mussten sich zwar einigen technischen Defekten geschlagen geben, waren ansonsten aber mehr das prophezeite Überraschungsteam als die ebenso vorhergesagte Enttäuschung. Besonders hervorheben muss man den Rohdiamanten Nico Rosberg sowie dessen V8-Aggregat: Der Cosworth CA2006 war zwar noch nicht zuverlässig genug (aber das traf ja auf fast alle Motoren zu), sorgte aber für jede Menge Leistung und Drehzahlen im Heck des FW28. Nur dessen Getriebe entpuppte sich wie erwartet als Schwachstelle.

Der F1-Welt steht eine spannende Saison ins Haus., Foto: Sutton
Der F1-Welt steht eine spannende Saison ins Haus., Foto: Sutton

Und noch ein Motorenhersteller verdiente sich von Sakhir bis Melbourne ein dickes Lob: Nach den katastrophalen Wintertests Anfang Januar, hätte es wohl niemand für möglich gehalten, dass Mercedes den MP4-21 mit einem ebenso leistungsstarken wie zuverlässigen Achtzylinder ausstatten könnte. Doch genau das war der Motor im Heck des Chrompfeils.

Die WM Auch wenn Renault und Fernando Alonso in beiden WM-Wertungen doppelt so viele Punkte wie der beste Verfolger aufweisen, ist für den Rest der Saison Spannung garantiert. Dafür sorgt das enge Feld, in dem unter optimalen Bedingungen ganze vier Teams siegfähig sein sollten. Hinzu kommt Williams, die ebenfalls noch für die ein oder andere Überraschung sorgen dürften. Und auch im Mittelfeld und am Ende des Feldes wird hart gefightet. Die Weichen für 15 weitere spannungsgeladene Grand Prix sind gestellt.