Rekordbesucherzahlen, Rekordquoten, Rekordkalender. Kaum ein Interview eines Formel-1-Verantwortlichen ging in den letzten Jahren ohne eine dieser Vokabeln von statten. Und doch geht eine Angst um im Paddock der größten Rennserie der Welt. Die Angst vor einem Ende des Booms, angesichts der erdrückenden Dominanz von Red Bull und Max Verstappen, die Mercedes' Dominanz bis ins Jahr 2020 mit acht Konstrukteurstiteln in Folge wie höchst kompetitiven Nervenkitzel wirken lässt.

Wurz: Formel 1 "Netto-Gewinner" der Pandemie

Motorsport-Magazin.com hatte in seiner Print-Ausgabe erst vor kurzem über tatsächlich sinkende TV-Quoten berichtet. Damit im exklusiven Interview konfrontiert, räumt GPDA-Präsident Wurz dies zwar ein, führt diesen Umstand aber auf Auswirkungen der Corona-Pandemie zurück und sieht die Formel 1 im Vergleich mit anderen Sportarten gut aufgestellt.

Dazu muss man wissen, dass Wurz die Corona-Pandemie als Ausgangspunkt der aktuellen Popularität betrachtet. "Durch Corona wurde unser Produkt den Menschen, die zu Hause sitzen mussten, aufs Auge gedrückt", verrät er in der neuen Printausgabe des Motorsport-Magazins. "Wir haben es zum Glück durch Reportagen auf Netflix, Social Media, bessere Kameraposition und Co. zu dieser Zeit geschafft."

Alexander Wurz ist seit 2014 Präsident der Fahrer-Gewerkschaft GPDA, Foto: Red Bull Content Pool / Harald Steiner
Alexander Wurz ist seit 2014 Präsident der Fahrer-Gewerkschaft GPDA, Foto: Red Bull Content Pool / Harald Steiner

Der aktuelle Rückgang der Zuschauerzahlen sei daher verkraftbar. "Wir sehen zur Zeit schon eine kleine Korrektur bei Zuseher- und Besucherzahlen bei manchen Rennen", gesteht Wurz ein. "Da muss Liberty jetzt genau aufpassen und nicht zu viel Druck auf das System erzeugen. Jetzt gehen die Zuschauerzahlen bei allen Sportarten zurück. Das kann man an den wenigen Zahlen, zu denen man Zugang hat, beobachten - dafür braucht sich niemand genieren, aber die Formel 1 hat weniger Rückgang als andere Sportarten."

Die F1 sei deshalb ein Netto-Gewinner. "Gleichzeitig sehen wir bei den Traditionsstrecken, dass die Besucherzahlen mega sind, obgleich der Post-Corona-Hunger auf Live-Events wieder auf den Normal-Pegel zurückgegangen ist", so Wurz weiter.

Außendarstellung als Schlüssel zum Erfolg

Positiv habe sich die Corona-Pandemie auch auf die finanzielle Nachhaltigkeit der Formel 1 ausgewirkt, da dies noch einmal zu einer Senkung der bereits 2019 beschlossenen Budgetobergrenze geführt hatte. "Jetzt erkennen sie, dass das sogar ein Glück war für sie. Denn die Budgetobergrenze ist sehr wichtig für die [finanzielle] Nachhaltigkeit der Teams und für den Sport selbst", so Wurz.

Eine Schlüsselrolle bei der Popularität des Sports käme zudem den Fahrern und ihrem Spaß beim Fahren zu. "Die Fahrer müssen die Autos lieben, denn sie sind unterbewusst die besten Botschafter. Das ist so wichtig! Wenn du aus dem Auto aussteigst und es war einfach super und cool, dann glaubt dir das auch jeder zu Hause. Mehr als 25 oder 30 Leute im Jahr können dieses Produkt ja gar nicht verstehen oder spüren."

Für Alexander Wurz sind die Fahrer die besten Botschafter der Formel 1, Foto: LAT Images
Für Alexander Wurz sind die Fahrer die besten Botschafter der Formel 1, Foto: LAT Images

Wurz kommt grundsätzlich zu dem Fazit, dass die Außendarstellung fundamental für den Erfolg der F1 sei. "Es ist nicht der Sport, es ist nicht das sportliche Reglement, sondern es ist die Art und Weise, wie wir uns zu neuen Klienten, Fans und Followern gebracht haben", sagt der Österreicher.

Bei all dem gehe es um die richtige Vermarktung. "Wir sind uns alle einig, dass es super ist, wenn es fünf Runden vor Schluss noch drei mögliche Sieger gibt", beginnt Wurz. "Aber ich glaube, wird dürfen es einfach nicht überbewerten, dass der Sport immer Hollywood-reif sein muss. Das muss er nicht sein. Wir müssen es nur authentisch und richtig gut rüberbringen."

Das sei Liberty Media und den Beteiligten am Sport mit der Netflix-Serie 'Drive to Survive', dem Auftreten auf Social Media und weiteren Initiativen während der Corona-Zeit gelungen. "Die große Explosion der Popularität kam über die Vermarktung, nicht über das Verzerren und Verändern des sportlichen Reglements", betont Wurz.

Auch die Übertragung im Free-TV sei laut Wurz ein wichtiger Faktor für weiteres Wachstum. In Deutschland etwa lässt sich seit dem Ende der Free-TV-Übertragung bei RTL zur Saison 2021 ein deutlicher Zuschauerrückgang verzeichnen.

Eine noch ausführlichere Bilanz von Alexander Wurz zur aktuellen Lage der Formel 1, unter anderem mit Kritik am Motorenreglement für 2026 und an den Sprints gibt es in der aktuellen Ausgabe Nr. 94 des Motorsport-Magazins . Bestelle das Motorsport-Magazin direkt auf unserer Webseite oder verschenke es zu Weihnachten.