Die FIA gab am Dienstagabend bekannt, dass die Compliance-Abteilung des Automobilweltverbands eine Untersuchung wegen einer möglichen Weitergabe von vertraulichen Informationen eingeleitet hat. Bereits in den vergangenen Tagen gab es Gerüchte und Spekulationen innerhalb der Formel 1, dass ein F1-Teamboss Informationen mit einem FOM-Mitarbeiter ausgetauscht haben soll. Die Gerüchte basierten auf Infos des im Fahrerlager nicht unumstrittenen Magazins BusinessF1.

Demnach sollen die betroffenen Personen Toto Wolff, seines Zeichens Teamchef, Geschäftsführer und Teilhaber des Mercedes F1-Teams, sowie seine Ehefrau Susie sein. Grund hierfür soll ein möglicher Interessenskonflikt zwischen dem Teamboss mit dem kommerziellen Rechteinhaber der Formel 1 sein, für den seine Frau Susie tätig ist. Mehrere Formel-1-Teamchefs sollen sich im Vorfeld über die Aktivitäten des Paares beschwert haben. Bislang ist nicht erwiesen oder bestätigt, dass die FIA tatsächlich wegen Toto und Susie Wolff ermittelt. In einem kurzen FIA-Statement werden keine Namen genannt.

Gerücht: Familie Wolff löst Interessenskonflikt aus

Ins Rollen gebracht wurde der Stein von der Vermutung, dass Toto und Susie Wolff Informationen besitzen, die nicht über die üblichen Kanäle zugänglich wären. Susie Wolff ist seit März dieses Jahres als Geschäftsführerin für die F1 Academy tätig. Eine Frauenrennserie, die als Förderprogramm für die Formel 1 dient und vom kommerziellen Rechteinhaber betrieben wird.

Dem Mercedes-Teamchef wird angeblich vorgeworfen, dass er sich durch seine Frau den Zugang zu vertraulichen Informationen über die Aktivitäten der FOM (Formula One Management, die Liberty Media gehört) verschafft haben soll. Informationen, die den anderen Formel-1-Teams normalerweise nicht zur Verfügung stehen würden. Susie Wolff soll wiederum durch den Posten ihres Mannes über den Meinungsaustausch der Teamchefs gut informiert gewesen sein, wovon der kommerzielle Rechteinhaber profitieren könnte, sollten sich die Anschuldigungen als korrekt erweisen.

Als Geschäftsführerin der F1 Academy berichtet Susie Wolff direkt an den Formel-1-CEO Stefano Domenicali. Jetzt sollen einige Konkurrenz-Teamchefs befürchten, dass geheime Gespräche an die Führungsetage der Königsklasse weitergegeben werden könnten oder bereits weitergegeben worden sind. Auslöser soll eine Aussage in einer Teamchefbesprechung gewesen sein, in der sich Toto Wolff auf Informationen berufen haben soll, die nur von der FOM hätten stammen können. Die Teamchefs haben sich selbst noch nicht zu dieser Angelegenheit geäußert.

FIA leitet Untersuchung ein

FIA-Präsident Mohammed Ben Sulayem soll darüber in Kenntnis gesetzt worden sein, worauf er die Compliance-Abteilung der FIA bat, den Vorfall zu untersuchen. Nun sah sich die FIA veranlasst, auf die Medienspekulationen der vergangenen Tage zu reagieren, und veröffentlichte folgendes Statement: "Die FIA ist sich der Medienspekulationen bewusst, die sich auf den Vorwurf beziehen, dass vertrauliche Informationen von einem FOM-Mitarbeiter an einen F1-Teamchef weitergegeben wurden. Die Compliance-Abteilung der FIA prüft die Angelegenheit."

Weitere Informationen liegen zum aktuellen Zeitpunkt nicht vor. Weder Susie noch Toto Wolff werden von der FIA namentlich genannt. Die Spekulationen in den sozialen Netzwerken und einigen Medien sind bislang nicht erwiesen.

Mercedes weist Anschuldigungen gegen Wolff zurück

Am Dienstagabend reagierte das Mercedes Formel-1-Team in einer Stellungnahme auf die Gerüchte sowie die Ankündigung einer Untersuchung durch die FIA:

"Wir nehmen die allgemeine Erklärung der FIA von heute Abend zur Kenntnis, die auf unbegründete Anschuldigungen eines einzelnen Mediums reagiert, sowie das inoffizielle "off the Record"-Briefing, das mit dem Teamchef von Mercedes-AMG F1 in Verbindung gebracht wurde.

Das Team hat keine Mitteilung von der FIA-Compliance-Abteilung zu diesem Thema erhalten, und es war sehr überraschend, durch eine Medienerklärung von der Untersuchung zu erfahren.

Wir weisen die Anschuldigung in der Erklärung und die damit verbundene Medienberichterstattung, die die Integrität und Compliance unseres Teamchefs zu Unrecht angreift, entschieden zurück.

Selbstverständlich erwarten wir von der FIA Compliance-Abteilung eine vollständige, prompte und transparente Korrespondenz zu dieser Untersuchung und ihrem Inhalt."

Susie Wolff weist Anschuldigungen auf das Schärfste zurück

Am späteren Abend äußerte sich auch Susie Wolff in einem Statement auf ihren Social Media Kanälen zu den Anschuldigungen:

"Ich bin zutiefst beleidigt, aber leider nicht überrascht von den öffentlichen Anschuldigungen, die heute Abend erhoben wurden. Es ist entmutigend, dass meine Integrität auf diese Weise in Frage gestellt wird, vor allem, wenn sie auf einschüchterndem und frauenfeindlichem Verhalten zu beruhen scheint und sich auf meinen Familienstand und nicht auf meine Fähigkeiten konzentriert.

Im Laufe meiner Motorsportkarriere habe ich zahlreiche Hindernisse überwunden, und ich weigere mich, mein Engagement und meine Leidenschaft für die F1 Academy durch diese haltlosen Anschuldigungen in den Schatten stellen zu lassen.

Als Frau in diesem Sport habe ich mich vielen Herausforderungen gestellt, aber mein Engagement, Barrieren abzubauen und den Weg für den Erfolg künftiger Generationen zu ebnen, ist ungebrochen. Ich weise diese Anschuldigungen auf das Schärfste zurück."

Formel 1 betont: Volles Vertrauen, dass Anschuldigungen falsch sind

Auch die Formel 1 gab nach der Veröffentlichung des FIA Statements eine kurze Erklärung ab, in der sie sich zu den Anschuldigungen äußerten und diese von sich wiesen:

"Wir nehmen die öffentliche Erklärung zur Kenntnis, die die FIA heute Abend abgegeben hat und die uns nicht im Voraus mitgeteilt wurde. Wir haben volles Vertrauen, dass die Anschuldigungen falsch sind, und wir haben robuste Prozesse und Verfahren, die die Trennung von Informationen und Verantwortlichkeiten im Falle eines möglichen Interessenkonflikts sicherstellen.

Wir sind zuversichtlich, dass kein Mitglied unseres Teams einem Teamchef unbefugte Informationen gegeben hat, und möchten alle davor warnen, unbedachte und schwerwiegende Anschuldigungen ohne Substanz zu erheben."

Knapp 24 Stunden nach der Ankündigung der FIA gaben alle neun anderen F1-Teams als Mercedes binnen einer Stunde ein identisches Statement ab, in dem sie bestritten, dass sie sich bei der FIA über Toto und Susie Wolff beschwert hätten.

"Wir können bestätigen, dass wir bei der FIA keine Beschwerde bezüglich des Vorwurfs der Weitergabe vertraulicher Informationen zwischen einem F1-Teamchef und einem Mitarbeiter der FOM eingereicht haben", heißt es darin. "Wir freuen uns und sind stolz darauf, die F1 Academy und ihren Geschäftsführer durch unsere Zusage zu unterstützen, ab der nächsten Saison einen Teilnehmer in unseren Farben zu sponsern."