Carlos Sainz war nach dem Formel-1-Qualifying in Las Vegas hin- und hergerissen. Für die Konkurrenz waren er und Ferrari-Teamkollege Charles Leclerc am Samstag eine Nummer zu groß. Von der totalen Dominanz hat der Spanier zu seinem Leidwesen aber nicht viel. Statt von Startplatz zwei, muss er als Zwölfer ins Rennen gehen. Die Startplatzstrafe für die in Folge des Gullideckel-Unfalls im ersten Training notwendigen Reparaturen macht Sainz nach seiner Leistung erst recht wütend.

"Ich bin wegen gestern natürlich immer noch enttäuscht. Ich werde nicht lügen, ich bin immer noch sehr mies gelaunt, nur versuche ich, das nicht allzu sehr zu zeigen", so Sainz, der im 21. Qualifying der Saison nur hauchdünn hinter Leclerc landete. In allen drei Teilen des Zeittrainings gab er dem Teamkollegen mehrfach Windschatten und lag zumeist mehrere Zehntelsekunden zurück. Im Q3 drehte er auf und verpasste die Pole Position um nur 0,044 Sekunden.

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"Zusammen die erste Startreihe zu erreichen, ist unglaublich. Natürlich wäre ich lieber auf Pole, denn das würde bedeuten, dass ich als Elfter und nicht als Zwölfter starte. Aber ich denke, wir haben heute das Maximum herausgeholt", zeigt sich Sainz mit der Teamleistung mehr als zufrieden. Dass er ausgerechnet an einem Wochenende, an dem Ferrari erneut siegfähig zu sein scheint, derart vom Pech verfolgt wird, schlägt ihm wiederum aufs Gemüt.

Sainz von Verhalten der FIA maßlos enttäuscht

Was ihn aber noch viel mehr stört, ist die Tatsache, wie die Situation von offizieller Seite abgehandelt wurde. Das Auto von Sainz wurde beim Überfahren einer losen Schachtabdeckung auf dem Strip am Freitag schwer beschädigt. Chassis, Motor, Batterie und Steuereinheit mussten getauscht wurden. Da Sainz bei der Batterie bereits das für die Saison im Reglement festgelegte Limit von zwei Einheiten erreicht hatte, wurde für Nummer drei eine Strafe fällig.

Ferrari beantragte bei der FIA ein Aussetzen der Strafe, da der Schaden durch höhere Gewalt verursacht wurde, doch dieser Wunsch wurde abgelehnt. Für Sainz ist das ein Unding. "Ich denke, das spricht für sich, oder?", so der 29-Jährige, der immer noch aufgebracht ist. "Es war eindeutig ein Sicherheitsproblem an der Rennstrecke und es hat mein Auto zerstört. Meine Mechaniker haben fünf Stunden gearbeitet, um ein neues Auto aufzubauen und dann kriegen wir noch eine Startplatzstrafe von zehn Positionen oben drauf, für etwas, womit wir nichts zu tun hatten!"

Die Offiziellen beriefen sich darauf, dass das Reglement keinerlei Spielraum für solche Ausnahmesituationen bietet. "Ich bin davon nicht überrascht. Es gab dieses Jahr einige Fälle, in denen der Sport bewiesen hat, dass man Dinge deutlich besser regeln könnte", klagt Sainz. "Ich bin überrascht, dass die oberste Instanz nicht die Macht hat, in einem Fall von höherer Gewalt die Regeln außer Kraft zu setzen."

Selbst sein Rivale Max Verstappen, der am Sonntag den zweiten Startplatz von Sainz erbt, hätte sich für seinen ehemaligen Weggefährten aus dem Red-Bull-Kader eine kulantere Lösung gewünscht. "Die Regeln für so etwas müssen geändert werden", fordert der dreimalige Weltmeister. "Es ist dasselbe, wenn du abgeschossen wirst oder einen schweren Unfall hast. Da kannst du auch Motorenkomponenten verlieren, oder die Batterie und solche Dinge. Das muss sich ändern, damit diese Dinge berücksichtigt werden."

Mercedes-Veto? Sainz kennt das Spiel

Am Freitag wurde im Fahrerlager darüber spekuliert, ob sich Mercedes gegen die Sonderregelung für Sainz aussprach. Das Team von Lewis Hamilton und George Russell liegt in der Weltmeisterschaft zwei Rennen vor Schluss auf Rang zwei, 20 Punkte vor Ferrari. "Natürlich wird es rivalisierende Teams geben, die sich dafür einsetzen, dass ich die Strafe bekomme", erklärt Sainz, dass er der Konkurrenz einen solchen Schritt durchaus zutraut.

"Ich bin schon lange genug in diesem Sport, um zu verstehen, dass es reines Business ist. Es geht für ein Team bei der Platzierung in der Konstrukteursweltmeisterschaft um zu viel Geld, um keinen Druck auszuüben, damit ich bestraft werde", sagt er weiter. "Mich macht die gesamte Situation einfach nur sehr verärgert mit dem Sport. Verärgert ist wohl das richtige Worte. Ich habe schlechte Laune, weil ich vom Sport in dem Fall mehr erwartet hätte."

McLaren-Teamchef Zak Brown sprang Ferrari am Freitag bereits zur Seite und betonte, dass eine Frage des Sportsgeistes sei, einem Konkurrenten in solch einer Situation nicht noch Steine in den Weg zu legen. Verstappen sieht das ähnlich: "Die Teams sollten da kein Mitspracherecht haben. Natürlich werden sie dagegen stimmen. Ich persönliche finde das für Carlos sehr hart."

Was das Rennen angeht, will Sainz alles versuchen, die starke Ferrari-Pace zu nutzen und den Anschluss an die Spitze wiederherzustellen. "Ich würde gerne mit Charles und Max um den Sieg kämpfen, aber ich werde im Comeback-Modus sein: Es wird eine Aufholjagd. Hoffentlich komme ich irgendwann nach vorne, aber es wird schwierig."