Die Gefahr fährt in der Formel 1 immer mit. Das ruft sich das Fahrerlager am Donnerstag vor dem Belgien-GP wieder ins Gedächtnis. Nach dem tödlichen Unfall von Formula-Regional-Pilot Dilano van 't Hoff genau hier auf dem Circuit de Spa-Francorchamps ist Sicherheit ein großes Thema. Die Sorgen der Piloten gelten vor allem dem angekündigten schlechten Wetter. Und sie ermahnen die Rennleitung, nicht zögerlich zu sein.

An allen drei Tagen ist am Wochenende in Spa Regen vorhergesagt. Es waren auch nasse Bedingungen, bei denen sich van 't Hoffs Unfall am ersten Juli ereignete. Dort wurde nicht abgebrochen, während die Formel 1 vor zwei Jahren in Belgien wegen Sicherheitsbedenken nur eine Handvoll Runden hinter dem Safety Car fuhr. Die Gefahr, welche von der Strecke selbst ausgeht, tritt angesichts des Regens in den Hintergrund.

Formel 1 im Regen wird schlimmer und schlimmer

"Die beste Beschreibung ist: Als ob du auf der Autobahn fährst und die Scheibenwischer ausschaltest", erklärt George Russell. Das Problem der Formel 1 ist nicht, dass sie bei zu viel Wasser nicht fahren kann. Aquaplaning ist erst bei richtigen Wolkenbrüchen ein Thema. Die Gischt wird schon viel früher eines.

Das Problem nimmt seit Jahren zu. Zuerst einmal nimmt Abtrieb zu, die Autos saugen mehr Wasser vom Boden auf und werfen es in einer Gischt-Fahne in die Luft. Das wird ergänzt durch breitere Autos, und obendrauf breitere Reifen. Auch Asphalt und Umgebung spielen eine Rolle, vermutet Russell. In rauen Oberflächen sammelt sich mehr Wasser, das die F1 heraussaugt: "Glattere Oberflächen lassen es besser abfließen. Und dann die Umgebung - in Les Combes, Kurve 5, mit den ganzen Bäumen, da kommt die Nässe nirgends hin."

Die Gischt-Fahne hinter F1-Autos wächst seit Jahren, Foto: LAT Images
Die Gischt-Fahne hinter F1-Autos wächst seit Jahren, Foto: LAT Images

Die Fahrer können sich außerdem übermäßige Vorsicht nicht erlauben. "Die Autos näher am Limit zu bewegen ist gewissermaßen sicherer, als etwas vorsichtiger zu sein", erklärt Daniel Ricciardo. Je langsamer, desto mehr kühlen die Reifen aus, und desto schwieriger wird das Auto zu fahren: "In Nachwuchsklassen kannst du mehr driften und rutschen, aber hier hast du entweder Grip, oder du hast keinen. Es bricht viel schneller aus, und ist deshalb etwas unberechenbarer."

Formel-1-Fahrer fordern Mut von der Rennleitung

Wenn es losgeht, halten die Fahrer also voll drauf. Gefragt ist also die Rennleitung. Starten oder nicht? "Nach den jüngsten Zwischenfällen muss die FIA mutig sein mit ihren Sicherheits-Entscheidungen", fordert George Russell. Dass das Rennen 2021 nach stundenlangem Warten zur Farce hinter dem Safety Car verkam, darf die Entscheidungen heute nicht beeinflussen, mahnt er: "Ich will nicht, dass es sich so hinzieht wie damals, aber wir brauchen mutige Entscheidungen."

Charles Leclerc stützt seinen Fahrerkollegen: "Sie dürfen nicht den Druck spüren, das Rennen zu starten, weil wir noch nicht gefahren sind. Eine Situation, die wir dieses Wochenende erleben könnten. Sicherheit geht vor, das muss Priorität haben. Die Leute, und wir Fahrer, wir dürfen uns nicht beschweren, wenn wir keine Runden fahren, weil es nicht sicher war."

2021 wurde das Rennen nur hinter dem Safety Car gefahren, Foto: LAT Images
2021 wurde das Rennen nur hinter dem Safety Car gefahren, Foto: LAT Images

"Wir sind in den Händen des Rennleiters, sonst können wir nichts machen", stellt Sergio Perez klar. Die Fahrer vertrauen darauf, dass Rennleiter Niels Wittich und sein Team der Aufgabe gewachsen sind. "Er hat einige Rennen jetzt hinter sich, und man hört auch auf das Safety Car - wir werden wissen, ob es sicher ist der nicht", so Max Verstappen.

Ist Spa-Francorchamps zu gefährlich für die Formel 1?

Der Regen dominiert in Spa das Sicherheits-Thema. Die Strecke rückt dabei in den Hintergrund, auch wenn besonders der berühmte Eau-Rouge-Raidillon-Komplex immer wieder kritisiert wird. Hier geht es in einem Formel-1-Auto im Trockenen mit Vollgas durch eine Senke und dann den Berg hoch über eine blinde Kuppe. Bei Unfällen werden Autos oftmals von den Reifenstapeln zurück in Richtung Fahrbahn geschleudert, weil das Tempo so hoch und der Platz so beschränkt ist. An dieser Stelle verunglückte F2-Pilot Anthoine Hubert 2019 tödlich.

Erst im Vorjahr wurde Spa umgebaut, die Auslaufzonen wurden um bis zu 25 Meter vertieft. Abhänge und Steilwände auf beiden Seiten schränken allerdings ein. Die Piloten besprachen vor dem Wochenende über die Fahrer-Gewerkschaft GPDA die Lage und kamen zu dem Entschluss, dass die Strecke sicher genug für die Formel 1 ist. Damit ist etwa die Idee einer Eau-Rouge-Schikane, wie sie schon 1994 kurzfristig eingeführt wurde, entkräftet.

"Ich liebe die Strecke so, wie sie ist", unterstreicht Lewis Hamilton. Über die Gefahr denkt er nicht nach: "Als Fahrer kannst du sowas denke ich nie reinlassen. Ich vertraue der FIA. Wir wären nicht hier, wenn sie nicht glauben würde, dass es sicher sei."

"Wir fahren auch in Monaco, das halte ich für viel gefährlicher", meint Max Verstappen. Er und George Russell verweisen vor allem auf enge Stadtkurse, auch auf den Highspeed-Betonkanal von Jeddah in Saudi-Arabien. Dort gibt es noch viel mehr blinde Stellen. Viel größer ist dort die Gefahr, um die Ecke zu kommen und ein verunfalltes Auto vorzufinden. Den ganzen Qualifying-Freitag der Formel 1 heute in Spa gibt es hier im Liveticker.

Crash- & Regenchaos droht! Spa zu gefährlich für die Formel 1? (08:57 Min.)