Der Australien-GP 2023 produzierte nach Roten Flaggen gleich zweimal großes Chaos: Zum einen auf der Strecke durch das Crash-Festival beim zweiten Restart und zum anderen bei der Frage: Wer liegt denn jetzt eigentlich auf welchem Platz und zu welchem Zeitpunkt wurde die Reihenfolge festgehalten? Es dauerte Ewigkeiten, bis ein Protest von Haas abgewiesen war und das Ergebnis feststand. Ein absurder Höhepunkt der Formel 1? Kuriose Situationen nach Rennabbruch sind nicht unbedingt etwas Neues. Wir blicken zurück.

Saudi-Arabien 2021: Startplatz-Geschacher auf dem FIA-Basar

Der erste Saudi-Arabien Grand Prix wurde sogar zweimal unterbrochen. Zunächst verunfallte Mick Schumacher in Runde 10 schwer. Sein Haas musste geborgen und die TecPro-Barriere repariert werden. Beim ersten Restart gab es Chaos auf der Strecke. Sergio Perez, Charles Leclerc, Nikita Mazepin und George Russell verunfallten allesamt, eine erneute Rotphase war die Konsequenz.

Max Verstappen kürzte beim Restart ab, Foto: LAT Images
Max Verstappen kürzte beim Restart ab, Foto: LAT Images

Während dieser gab es weitere Konfusion. Max Verstappen hatte beim Restart in Kurve 1 abgekürzt und beim Zurückfahren auf die Strecke Lewis Hamilton abgedrängt. Dadurch gelang auch noch Esteban Ocons Alpine vor den Briten. Verstappen hatte sich einen unlauteren Vorteil verschafft und es folgten Diskussionen zwischen Red Bulls Jonathan Wheatley und Rennleiter Michael Masi, welche die Weltregie im Fernsehen wie ein Teamradio übertrug.

Zunächst lautete die Order von Masi, dass Verstappen eine Position hergeben müsse. Davon hätte aber Ocon und nicht der abgedrängte Hamilton profitiert. Masi wurde sich seines Fehlers bewusst und 'verhandelte' dann mit Red Bull. Verstappen sollte nun doch hinter Hamilton gereiht werden. Red Bull antwortete: "Wir akzeptieren, wenn das heißt, dass Ocon beim Restart auf Pole ist." Diese Diskussion fand nur zwischen dem Rennleiter und Red Bull statt, Mercedes und Alpine wurden nicht eingebunden. Am Ende lautete die Reihenfolge: Ocon vor Hamilton und Verstappen. Die Art und Weise der Entscheidungsfindung, löste starke Kritik aus, geriet aber nach der noch größeren Diskussion um Masis Rolle in Abu Dhabi 2021 wieder etwas in Vergessenheit.

Ungarn 2021: Hamilton einsam in der Startaufstellung

Beim nassen Start des Ungarn Grand Prix 2021 spielte Mercedes-Pilot Valtteri Bottas in Kurve Eins Bowling mit Lando Norris sowie die beiden Red Bulls. Dahinter räumte auch noch Lance Stroll den Ferrari von Charles Leclerc ab, welcher in den McLaren von Daniel Ricciardo geschoben wurde. Die Rote Flagge war unausweichlich, das Trümmerfeld war gewaltig.

Ein Bild für die Ewigkeit: Hamilton fährt allein los, der Rest ist schon an der Box, Foto: LAT Images
Ein Bild für die Ewigkeit: Hamilton fährt allein los, der Rest ist schon an der Box, Foto: LAT Images

Während der langen Aufräumarbeiten war die Sonne rausgekommen und die Strecke trocknete zusehends ab. Die Fahrer gingen vor dem Restart in die Aufwärmrunde und stellten fest: Das ist trocken genug für Slicks. Nur einer sah dies anders: Lewis Hamilton. Der Brite hatte die Führung inne und fuhr auf Intermediates zur Pole-Position. Hinter ihm herrschte gähnende Leere, alle anderen Piloten waren schon an die Box gefahren, um sich Trockenreifen zu holen. Das vielleicht kurioseste Startbild der Formel-1-Geschichte kostete Hamilton den sicheren Sieg. In einer fulminanten Aufholjagd, inklusive fantastischen Duell mit Fernando Alonso, fuhr der Mercedes-Star dennoch bis auf das Podest.

Malaysia 2009: Der Iceman holt sich ein Eis

Dass es in Sepang zu schweren Regenfällen kommen kann, ist nichts neues. Schon 2001 soff der Malaysia Grand Prix ab, wurde dann aber nochmal neu gestartet. Genau diese Frage beschäftigte die Königsklasse auch 2009. Schon in Runde 19 hatte es zu regnen begonnen, es handelte sich aber zunächst um machbare Bedingungen. Viele Piloten waren sogar noch auf Intermediates unterwegs. Die änderte sich in Runde 31, als sich sämtliche Himmelspforten öffneten. Selbst mit Regenreifen konnte sich kaum ein Pilot auf der Strecke halten. Es gab Dreher ohne Ende, die Fahrer forderten den Abbruch. In Runde 33 erfolgte dieser schließlich.

In Malaysia musste 2009 wegen starkem Regenfall abgebrochen werden, Foto: Sutton
In Malaysia musste 2009 wegen starkem Regenfall abgebrochen werden, Foto: Sutton

Zu diesem Zeitpunkt war aber noch nicht klar, dass letztendlich der Stand aus Runde 31 gewertet und nur halbe Punkte vergeben werden würden. Es stand im Raum, dass das Rennen fortgesetzt wird. Die Autos standen durcheinander auf der Startaufstellung und mussten erst wieder in Reihe gebracht werden. Für die Unterhaltung sorgte in dieser Situation das Ferrari-Duo. Felipe Massa war in Panik und wollte unbedingt ein anderes Helmvisier für einen möglichen Restart haben. Renningenieur Rob Smedely antwortete mit dem legendären Satz: "Felipe Baby, bleib cool. Wir bringen dir das helle Visier." Der Teamkollege des Brasilianers war hingegen das andere Extrem. Kimi Räikkönen hatte sich schon längst des Rennoveralls entledigt und holte sich in kurzer Hose und Shirt ein Eis. Am Ende sollte der Iceman recht behalten: Die ganze Aufregung um einen möglichen Neustart war für die Katz.

Brasilien 2003: Wer hat denn nun gewonnen?

Auf der Strecke hatte der nasse Brasilien Grand Prix von 2003 bereits einiges zu bieten. Viele Abflüge in Interlagos, unter anderem von Michael Schumacher, deuteten bereits ein überraschendes Ergebnis an. In Runde 54 verunfallte jedoch Mark Webber im Jaguar. Noch heftiger traf es im Folgenden den Renault von Fernando Alonso. Dieser fuhr auf einen abgerissenen Reifen von Webbers Auto auf und schlug dann in einer Kreiselbewegung heftig in der Mauer ein. Das Rennen lief noch kurz unter Safety-Car weiter, wurde dann aber abgebrochen und nicht wieder aufgenommen.

Dem Chaos auf der Strecke folgte das neben der Strecke. Zunächst dachte Giancarlo Fisichella, dass er seinen ersten Sieg eingefahren hatte. Er feierte schon, bis er erfuhr, dass Kimi Räikkönen zum Sieger erklärt wurde. Der Finne hatte in Runde 53 in Führung gelegen und die Regeln besagten, dass bei Abbruch der Stand von zwei Runden zuvor gewertet wurde. So gingen Räikkönen und Fisichella als Sieger und Zweiter zur Siegerehrung und Alonso wurde trotz des Unfalls Dritter, war aber nicht auf dem Podest, sondern im Krankenhaus.

Fernando Alonsos Unfall sorgte für den Abbruch, Foto: Sutton
Fernando Alonsos Unfall sorgte für den Abbruch, Foto: Sutton

Da nach der Roten Flagge Fisichellas Jordan abgefackelt war, sah es zunächst so aus, als habe der Italiener Glück gehabt. Tatsächlich war er aber benachteiligt worden. Es war bereits die 56 Runde angebrochen gewesen und demnach hätte der Stand von Runde 54 gewertet werden müssen. In dieser Runde lag Fisichella in Führung. Rennleiter Charlie Whiting vermutete einen Fehler im Zeitnahme-System und initiierte eine Untersuchung. Das Ergebnis: Fisichella wurde nachträglich zum Sieger ernannt. Räikkönens McLaren-Team verzichtete auf einen Protest und so gab es beim darauffolgenden Grand Prix in Imola eine Zeremonie, bei der der Finne dem Italiener seinen ersten Siegerpokal überreichte.

Besser spät als nie: Giancarlo Fisichella erhält seinen ersten Siegerpokal, Foto: Sutton
Besser spät als nie: Giancarlo Fisichella erhält seinen ersten Siegerpokal, Foto: Sutton

Monaco 1984: Senna des ersten Sieges beraubt?

Nach dem Abbruch des Monaco Grand Prix von 1984 gab es zwar kein Chaos, aber dafür heftige Diskussionen. Der junge Ayrton Senna im unterlegenen Toleman zeigte im strömenden Regen eine Sensationsleistung und deklassierte die Konkurrenz. Einen Fahrer nach dem andern überholte der Brasilianer auf dem Weg zur Spitze. Nurmehr der führende Alain Prost im McLaren war noch vor ihm. Der Franzose winkte in Runde 29 der Rennleitung zu und machte klar: Das Rennen sollte aufgrund der Bedingungen abgebrochen werden. Tatsächlich war zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als die Hälfte des Feldes ausgefallen. Prost dachte aber auch opportun, denn er hatte mit Bremsproblemen zu kämpfen.

In Runde 31 verlangsamte der Franzose auf Start-Ziel, um seinen Abbruchwunsch noch einmal klar zu signalisieren. Kurz vor Ende von Runde 32 wurde dann die Rote Flagge gezeigt. Rennleiter Jacky Ickx entschied, dass die Bedingungen zu gefährlich waren. Senna ging am langsamen Prost vorbei, doch den Regularien nach galt die letzte komplettierte Runde. In dieser war Prost noch vorne gewesen. Die Entscheidung war kontrovers. Zum einen war Prost mit Porsche-Motor unterwegs und Ickx war zu der Zeit Porsche-Werksfahrer in der Langstrecken-WM. Zum anderen hatte der Belgier seine Entscheidung nicht mit den Stewards abgesprochen, weshalb er danach als Rennleiter entlassen wurde.

Ayrton Senna war auf dem Weg zum Sieg, dann kam der Abbruch, Foto: Sutton
Ayrton Senna war auf dem Weg zum Sieg, dann kam der Abbruch, Foto: Sutton

Ob Prost bevorzugt wurde oder nicht, der Abbruch sollte sich im Nachhinein als Fatal für ihn herausstellen. Aufgrund des frühen Abbruchs gab es nur halbe Punkte für den Sieg: 4,5 statt 9. Zum Saisonende hatte Prost genau einen halben Punkt Rückstand auf Teamkollege Niki Lauda, der Weltmeister wurde. Lauda war in Monaco bereits ausgeschieden. Hätte Prost Senna passieren lassen und das Rennen bei normaler Länge auf Rang Zwei beendet, so wären 6 Zähler auf seinem Konto gelandet und der Franzose wäre bereits 1984 zum ersten Mal Champion geworden.