Alpine fährt in der Formel 1 zwar weiter den eigenen Ansprüchen hinterher, doch 2022 konnte der französische Rennstall nach drei Saisons in Folge auf Rang fünf einen Platz in der Konstrukteursweltmeisterschaft nach oben klettern. Erstmals seit 2018 fand sich Alpine, respektive Renault, auf Rang vier wieder. Der Rückstand auf die Topteams war zwar riesig, doch Performance-technisch konnte sich Alpine meist immerhin gegen McLaren durchsetzen.

Für Alpines Performance-Sprung gibt es zwei Gründe, die Hand in Hand gehen. Einerseits hat die Chassis-Abteilung im englischen Enstone im ersten Jahr der neuen Regeln einen guten Job gemacht. Auf der anderen Seite legte die Motoren-Abteilung im französischen Viry-Chatillon die Grundlage dafür - und legte gleichzeitig auch ordentlich Motorleistung nach.

Renault 2021 mit zwei Jahre altem Formel-1-Motor

2022 brachte Renault endlich die lange ersehnte große Ausbaustufe der Power Unit. Vor allem 2021 hinkte das französische Triebwerk der Konkurrenz bei der Leistung deutlich hinterher. Grund dafür war ein veralteter Motor. Die Power Unit 2021 war nur eine geringfügige Weiterentwicklung der 2019er Version.

2020 brachte Renault nur ein moderates Update, weil man an der großen Revolution für 2021 entwickelte. Durch Corona und die Verschiebung der neuen Chassis-Regeln auf 2022 musste aber auch der 2021er Motor um ein Jahr nach hinten geschoben werden. Das komplett neue Packaging der neuen Power Unit machte es schwierig, den Antrieb in das eingefrorene 2020er Auto zu integrieren. Dazu hatte auch Viry während der Lockdowns Probleme, den Motor rechtzeitig fertigzustellen.

Renault kopiert Mercedes-Konzept

Also kam das große Update erst 2022. Während Mercedes schon seit Saison eins der Turbo-Hybrid-Ära 2014 auf voneinander getrennte Turbolader und Verdichter setzte und Honda das Konzept bereits 2017 kopierte, adaptierte Renault das Konzept erst in dieser Saison.

Explosionszeichnung des alten Renault-Motors, Foto: Renault
Explosionszeichnung des alten Renault-Motors, Foto: Renault

Bei dieser Lösung befinden sich Verdichter und Turbolader nicht direkt nebeneinander. Während der Turbolader wie üblich hinter dem Motorblock sitzt, ist der Verdichter vorne am V6 angebracht. Die MGU-H, der Elektromotor am Turbolader, sitzt zwischen Turbo und Verdichter im V des Verbrennungsmotors.

Die Lösung ist technisch schwer umzusetzen, weil der Turbolader in der Formel 1 bis zu 125.000 Mal pro Minute drehen darf. Die Welle, die Turbo und Verdichter miteinander verbindet, muss deutlich länger sein und die Distanz des gesamten V6 überbrücken.

Skizze des alten Renault-Motors: Verdichter am heißen Turbolader, großer Ladeluftkühler, Foto: Renault
Skizze des alten Renault-Motors: Verdichter am heißen Turbolader, großer Ladeluftkühler, Foto: Renault

Die Vorteile überwiegen aber: Die Auspuffkrümmer können kürzer gestaltet werden, weil der Turbo näher am Verbrenner sitzt. Dazu sind die heißen Abgase weiter vom Verdichter entfernt, was sich positiv auf die Temperatur der Ansaugluft auswirkt. Der Ladeluftkühler kann kleiner gestaltet werden.

Geteilter Turbo bringt Vorteil für Formel-1-Chassis

Der Konzeptumschwung hat vor allem Vorteile auf Packaging-Seite. "Das ist der Beweis dafür, dass wir in Viry jetzt sehr eng mit Enstone zusammenarbeiten", freut sich Bruno Famin, Chef der Motorenabteilung in Viry. "Wir haben nicht nur an der Power Unit selbst gearbeitet, wir haben an der Performance des Autos gearbeitet. Natürlich ist die Performance der Power Unit sehr wichtig, aber wenn wir einen Vorteil bei der Aerodynamik haben können, indem wir Kompromisse bei der Power Unit eingehen, dann haben wir das gemacht."

"Wir haben Ziele vorgegeben und die wurden alle erreicht. Sie haben da einen super Job gemacht", lobt Matt Harman, der Technische Direktor auf Alpine-Seite in Enstone. "Wir haben viel an der Integration gearbeitet, am Gewicht, an der Kühlung. Mehr noch als an der technischen Philosophie haben wir an der Art und Weise gearbeitet, wie wir global mit Enstone arbeiten können", verrät Famin.

Bruno Famin ist seit Anfang 2022 für Renaults Formel-1-Motorenabteilung zuständig, Foto: Alpine
Bruno Famin ist seit Anfang 2022 für Renaults Formel-1-Motorenabteilung zuständig, Foto: Alpine

"Alle Kompromisse und alle technischen Entscheidungen wurden getroffen, um das Paket schneller zu machen. Die Power Unit holt keine Punkte, das Auto selbst auch nicht", stellt er klar. Das schien man bei Renault/Alpine bislang nicht immer beherzigt zu haben. Die Zusammenarbeit zwischen Motor- und Chassis-Abteilung galt als einer der Hauptgründe, weshalb Mercedes 2014 so überlegen in die neue Ära startete.

Die Grundlagen für die neue Power-Unit-Architektur wurden zwar schon vor Famins Verpflichtung gelegt, doch die Zusammenarbeit zwischen Chassis und Motor, zwischen Enstone und Viry soll nun einen weiteren Schub bekommen haben.

Famin kam Anfang 2022 als Nachfolger von Remi Taffin zu Renault. Fast zeitgleich trat Alpine-Teamchef Otmar Szafnauer seinen Dienst an. "Die erste Aufgabe war es, mit Otmar, Pat [Fry] und Matt [Harman] in Enstone zu arbeiten, um sicherzustellen, dass beide Seiten des Teams als eine Einheit arbeiten und alles transparent abläuft. Wir haben ein sehr interessantes Level bei der Integration und der Zusammenarbeit erreicht", so Famin.

Remi Taffin musste nach schwierigen Jahren bei Renault Ende 2021 gehen, Foto: Sutton
Remi Taffin musste nach schwierigen Jahren bei Renault Ende 2021 gehen, Foto: Sutton

Die Tatsache, dass Chassis und Motor in unterschiedlichen Ländern entwickelt werden, sieht der Franzose nicht als Problem: "Wenn Covid etwas Positives gebracht hat, dann dass Leute kein Problem mehr damit haben, von zuhause aus zu arbeiten. Sie sind an die neuen Methoden gewöhnt. Es ist egal, ob jemand Homeoffice macht oder zehn Kilometer entfernt in Enstone in der Fabrik arbeitet. Und dann ist es egal, ob dein Zuhause 10 Kilometer weg ist oder 300. Es ist keine Sache der Distanz, sondern eine Frage, ob das Top-Management wirklich den Willen zeigt, die Leute dorthin zu pushen."

Nur bei Ferrari entstehen Motor und Chassis unter einem Dach. Bei Mercedes liegen die Fabriken in Brackley (Chassis) und Brixworth (Motor) rund 50 Kilometer auseinander. Bei Red Bull soll der 2026er Bolide komplett in Milton Keynes entstehen. Red Bull Powertrains wurde in den Campus der Chassis-Abteilung integriert.

Trotz besserem Packaging: Renault mit mehr Leistung

Bei allem Zusammenwachsen und Kompromissen für die Chassis-Kollegen durfte 2022 aber auch die Performance der Power Unit nicht zu kurz kommen. Aber auch bei der Leistung konnte Viry einen Schritt machen. "Der Rückstand bei der Performance wurde geschlossen. Ich glaube, es gibt bei den Power Units im Feld keine signifikanten Unterschiede mehr. Der Abstand zwischen der besten und der schlechtesten Power Unit hat sich im Vergleich zum letzten Jahr gedrittelt oder geviertelt. Wir sind sehr glücklich damit", so Famin.