Nikita Mazepin muss um sein Formel-1-Cockpit beim Haas F1 Team zittern. Um Russland für den Angriffskrieg seines Machthabers Wladimir Putin gegen die Ukraine zu sanktionieren, ergreifen zunehmend auch große Sportverbände und Institutionen umfangreiche Maßnahmen. So schlossen zuletzt etwa FIFA und UEFA sämtliche National- und Vereinsfußballmannschaften Russlands von allen Wettbewerben aus.

Auch diverse Sportveranstaltungen dürfen nicht länger auf russischen Boden stattfinden, nicht zuletzt das für September in Sotschi geplante Formel-1-Rennen. Nach einer nicht hundertprozentig eindeutigen Absage seitens der F1 am vergangenen Freitag geht der Promoter des Grand Prix derzeit allerdings nur von einer vorläufigen Aussetzung aus. Tickets werden daher nicht erstattet, immerhin sei es durchaus möglich, dass das Rennen durchaus doch noch stattfinde. Die Formel 1 hatte lediglich mitgeteilt, unter den gegenwärtigen Umständen sei eine Durchführung des Rennens unmöglich.

Update 20:45: Inzwischen hat die FIA die Absage formal via Weltmotorsportrat bestätigt und spricht in einer Aussendung nach einer Sondersitzung des WMSC nur auch wörtlich von Absage.

Nach IOC-Forderung: FIA verzichtet auf vollständige Russen-Sperre

Deutlicher als zunächst die Formel 1 wurde am Montagabend das Internationale Olympische Komitee (IOC) mit Blick auf russische Athleten und Athletinnen. Das IOC empfiehlt seinen Verbänden, russische und belarussische Sportler sowie Funktionäre nicht mehr an internationalen Wettbewerben teilnehmen zu lassen. Daraufhin reagierten FIFA und UEFA mit der genannten Entscheidung, während der Automobilweltverband FIA, seit 2012 als Sportfachverband vom IOC anerkannt, für Dienstag eine außerordentliche Sitzung des Weltmotorsportrats (WMSC) einberief.

Schließt sich die höchste Instanz im Motorsport um FIA-Präsident Mohammed Ben Sulayem der Empfehlung an, würde das für Nikita Mazepin den Verlust seines Cockpits bei Haas bedeuten. Zuvor hatte bereits der ukrainische Automobilverband (FAU) von der FIA eine Sperre aller Fahrer und Fahrerinnen mit russischer Startlizenz gefordert, nachdem Ben Sulayem dem FAU seine Unterstützung zugesichert hatte.

Update 20:45: In der Sondersitzung beschloss der WMSC nun kein generelles Fahrverbot für russische Piloten. Diese dürfen starten, allerdings nur unter neutraler Flagge und ohne jedwede Referenz, die auf Russland verweist. Freuen dürfte das Daniil Kvyat. Der ehemalige F1-Pilot hatte Sperren gegen russische Sportler als unfair bezeichnet.

Nikita Mazepin: Warum sein Haas-Cockpit weiter wackelt

Insgesamt sieht es für Nikita Mazepin derzeit also nicht mehr ganz so düster aus. Sicher ist sein Cockpit dennoch nicht, zumal auch Haas-Teamchef Günther Steiner im Rahmen der F1-Testfahrten schon in der vergangenen Woche - also vor den jüngsten Forderungen und Empfehlungen der Verbände - kein klares Bekenntnis zu seinem russischen Piloten abgeben konnte. Ganz im Gegenteil: Am letzten Testtag saß Mazepin zwar noch im Auto, der Haas allerdings war ganz in weiß lackiert. Keine Spur mehr von russischen Farben und dem Logo von Hauptsponsor Uralkali, der russischen Düngemittelfirma von Vater Dmitry Mazepin. Der russische Oligarch zählt zu den Vertrauten Wladimir Putins.

Zu klären ist gerade nach der Sitzung des WMSC noch immer, wie es mit Uralkali bei Haas weitergehen kann. Russische Farben oder gar das Logo eines Konzern unter Putin-naher Führung will oder wird die FIA kaum noch tolerieren, auch wenn man bei Haas stets argumentierte, es seien dieselben Farben wie die amerikanischen. Immerhin hatte es bereits im Vorjahr Diskussionen geben. Auflagen wegen des russischen Staatsdoping-Skandals verbieten es Athleten bis heute, unter russischer Flagge zu starten oder die Nationalfarben zu zeigen. So fuhr auch Mazepin schon 2021 unter neutraler Flagge. Hier ändern die FIA-Beschlüsse zum Ukraine-Krieg also nicht einmal etwas.

Ebenfalls fraglich: Können die Sponsorengelder Uralkalis wegen der Sanktionen des Finanzsystem überhaupt noch regulär fließen. Und erhält Mazepin überhaupt noch Einreisegenehmigungen in alle Länder des F1-Kalenders? Visa-Sanktionen gegen die russische Oberschicht halten zahlreiche Experten für wirksam, um innenpolitisch Druck auf Wladimir Putin auszuüben.

Laut RTL-Informationen soll zudem Haas-Sponsor 1&1 auf eine Trennung von Uralkali pochen. Gehen die Mazepin-Millionen, könnte auch Mazepin gehen. Immerhin stand der Russe in seinem Rookie-Jahr klar im Schatten Mick Schumachers. Rein fahrerisch gibt es bessere Alternativen.

Nikita Mazepin: Diese Nachfolge-Kandidaten gibt es

Welche das sind? Wer könnte Nikita Mazepin bei Haas ersetzen und neuer Teamkollege von Mick Schumacher werden? Motorsport-Magazin.com hat eine kleine Kandidatenliste ausgearbeitet.

Pietro Fittipaldi

Pietro Fittipaldi ist Haas-Ersatzfahrer, Foto: LAT Images
Pietro Fittipaldi ist Haas-Ersatzfahrer, Foto: LAT Images

Die zumindest kurzfristig wahrscheinlichste Variante trägt den berühmten Namen Fittipaldi. Der Enkel des brasilianischen Formel-1-Weltmeisters Emerson Fittipaldi fungiert derzeit offiziell als Ersatzfahrer des Haas-Teams und bekam schon Ende 2020 nach Romain Grosjeans Feuerunfall in Bahrain zwei Gelegenheiten im Haas. Ohnehin hatte Steiner bereits in Barcelona Fittipaldi als erste Adresse genannt. "Wenn Nikita aus dem einen oder anderen Grund nicht fahren könnte, würde der erste Anruf an Pietro gehen", sagte der Haas-Teamchef. "Er kennt das Team, er kennt es, von einem Tag auf den anderen ins Auto zu springen. Gerade gibt es keinen Besseren als Pietro."

Antonio Giovinazzi

Antonio Giovinazzi will unbedingt zurück in die Formel 1, Foto: LAT Images
Antonio Giovinazzi will unbedingt zurück in die Formel 1, Foto: LAT Images

Rein sportlich gesehen gibt es jedoch noch aussichtsreichere Alternativen. So reichte es für den 25-jährigen Fittipaldi - trotz allen Talents und seines Namens - bislang nie zum Formel-1-Cockpit. Anders als für Antonio Giovinazzi, der Ende 2021 nach drei Jahren bei Alfa Romeo seinen Hut nehmen musste und aktuell mit Dragon in der Formel E startet. Gleichzeitig fungiert der Italiener als Ersatzfahrer für Ferrari in der Formel 1. Hier besteht eine enge Verbindung zu Motorenkunde Haas. Dass Giovinazzi unbedingt in die F1 zurückwill, machte der 28-Jährige bereits mehrfach deutlich. Das größte Problem in diesem Fall dürfte darin liegen, Giovinazzi aus seinem Vertrag bei Dragon zu bekommen. Allerdings ist dieses Team auch für häufige Fahrerwechsel berüchtigt.

Callum Ilott

Callum Ilott zählt ebenfalls zum Ferrari-Kader, Foto: Ferrari
Callum Ilott zählt ebenfalls zum Ferrari-Kader, Foto: Ferrari

Ähnliches gilt für Callum Ilott. Der britische Nachwuchsfahrer gehört ebenfalls zum Ferrari-Kader, verbringt 2022 allerdings mit Juncos Hollinger Racing ein Überbrückungsjahr in der amerikanischen IndyCar Series. Auch für den 23-Jährigen wäre also eine Ablöse fällig. Anders als Giovinazzi kann Ilott jedoch kaum mehr Erfahrungen als vereinzelte Tests in älteren F1-Boliden vorweisen. Robert Shwartzman hingegen kommt nicht in Frage. Der ehemalige Prema-Kollege von Mick Schumacher ist wie Mazepin Russe.

Oscar Piastri

Bekommt Überflieger Oscar Piastri jetzt doch noch ein F1-Cockpit?, Foto: LAT Images
Bekommt Überflieger Oscar Piastri jetzt doch noch ein F1-Cockpit?, Foto: LAT Images

Deutlich leichter wäre eine Verpflichtung von Oscar Piastri, dem aktuell vielleicht vielversprechendsten Nachwuchsstar ohne Formel-1-Cockpit. 2020 und 2021 gewann der heute 20-Jährige immerhin direkt hintereinander in Formel 3 und Formel 2 - wie zuvor schon die größten Überflieger der heutigen Königsklasse aka Charles Leclerc und George Russell. Dass Piastri angesichts dieser Leistung für 2022 kein F1-Cockpit erhielt, sorgte ohnehin schon für Kopfschütteln. Nun hätte das Nachwuchsprogramm von Renault/Alpine doch noch eine Chance, seinem schnellsten Pferd im Stall mehr zu bieten als seine geplante Rolle als Ersatzfahrer für Fernando Alonso und Esteban Ocon. Kleines Fragezeichen: Was hält Ferrari davon wenn ein Renault-Mann bei seinem Motorenkunden fährt?

Nico Hülkenberg

Aus deutscher Sicht wäre Hülkenberg-Schumacher natürlich das Traumszenario, Foto: LAT Images
Aus deutscher Sicht wäre Hülkenberg-Schumacher natürlich das Traumszenario, Foto: LAT Images

Ebenfalls eher leicht zu haben ist Nico Hülkenberg. Der Emmericher hatte seine Karriere als Formel-1-Fahrer eigentlich schon abgehakt, als klar war, dass es auch 2022 nicht für ein Comeback reichen wird. Würde Haas auf den Deutschen zugehen, wäre Hülkenberg womöglich nahe einer Idealbesetzung. Immerhin bringt der 34-Jährige die geballte Erfahrung von fast 200 F1-Starts und kennt die aktuelle Boliden-Generation zumindest aus unzähligen Runs im Simulator von Aston Martin. Die Truppe aus Silverstone müsste dafür allerdings ihren 2020 bereits verdienten Edeljoker aufgeben.

Kevin Magnussen

Für K-Mag war 2020 nach vier Jahren Haas Schluss - wegen Mazepin-Money, Foto: LAT Images
Für K-Mag war 2020 nach vier Jahren Haas Schluss - wegen Mazepin-Money, Foto: LAT Images

Zugegeben, diese Variante ist wohl die unwahrscheinlichste. Doch wieso keine spektakuläre Rückholaktion von Kevin Magnussen? Der Däne fuhr bereits von 2017 bis 2020 vier Jahre lang für Haas und wäre im Alter von nur 29 Jahren noch immer im besten Alter eines F1-Fahrers. So ganz abgeschlossen hatte Magnussen mit der Formel 1 nach seinem Aus bei Haas ohnehin nie - sehr viel weniger jedenfalls als der sechs Jahre ältere Romain Grosjean. Auch finanziell zählt der Däne für Haas zu den eher besseren Partien aller Kandidaten. Das dänische Sponsorenpaket war immer ordentlich, einzig die überwältigenden Multi-Millionen von Dmitry Mazepin kosteten Magnussen seinen Platz im Team. Das größte Aber: 2022 hat sich Magnussen bereits Peugeot und der WEC verschrieben.

Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel wurde nach den Beschlüssen des WMSC editiert.