Als Belohnung für seinen IRL-Titel im vergangenen Jahr durfte Tony Kanaan gestern erstmals einen Formel 1-Boliden steuern, und zwar einen brandaktuellen B·A·R-Honda 007, der als Entwicklungsfahrzeug für 2006 dient. Der Brasilianer begann seine Karriere mit gleich sechs Meisterschaftssiegen im heimischen Kartsport, mittlerweile ist Kanaan eine fixe Größe im US-Motorsport. Weil sein Andretti Green-Team ebenfalls mit Honda-Motoren befeuert wird, war dieses Gastspiel nahe liegend...

Den Jerez-Circuit kannte Tony Kanaan nur von einem Computerspiel. Und so benötigte er am Vormittag 18 Runden, um sich mit Auto und Strecke vertraut zu machen. Doch ein Elektrikproblem zwang den US-Fahrer immer wieder an die Box zu fahren. Am Nachmittag fabrizierte Kanaan einige Dreher, absolvierte 51 Runden und konnte seine Rundenzeiten verbessern. Am Ende verbuchte er eine Zeit von 1:19.114 Minuten und war damit um rund 1,5 Sekunden langsamer als B·A·R-Tester Anthony Davidson.

Doch es ging dem Brasilianer gar nicht um Rundenzeiten: "Ich hegte keine großen Erwartungen und wollte mich nur an dieser Erfahrung erfreuen." Die Erfahrung, einen Formel 1 zu bewegen, zum ersten Mal im Leben. Der größte Unterschied zu seinem IRL-Arbeitsgerät? Kanaan: "Ich weiß, dass das alle sagen und ich habe das auch vorher erzählt bekommen - aber der größte Unterschied war die enorme Bremsleistung. Ich war sehr beeindruckt von den Bremsen."

Da er einige Monate zuvor von diesem Test erfuhr, bereitete sich Kanaan auch körperlich auf diesen Test vor: "Die körperliche Belastung war anders als ich das gewöhnt bin. Die G-Kräfte sind höher, dafür ist der Wagen leichter zu lenken. Mein Nacken fühlte sich aber normal an, vielleicht auch weil ich im Vorfeld trainiert habe und ich fuhr ja auch keinen Longrun, da wäre die Belastung wohl um einiges höher gewesen. Alles in allem muss ich sagen: Die Formel 1 ist körperlich ähnlich belastend wie die IRL, nur auf eine andere Art und Weise."

Der Wagen sei von Davidson bereits abgestimmt worden, was ihm seine Fahrt ebenfalls erleichtert habe, sagt Kanaan. Nach der üblichen Dankesrede an Honda und B·A·R-Sportdirektor Gil de Ferran sagt Tony Kanaan: "Für mich wurde heute wirklich ein Traum erfüllt."