Monaco war für Mercedes ein Ausrutscher, so viel dürfte nach dem Freitag in Montreal klar sein. In der Zeitenliste belegt Lewis Hamilton Platz zwei hinter Kimi Räikkönen und vor Titelrivale Sebastian Vettel. Dahinter landet Valtteri Bottas. Max Verstappen im Red Bull ist zwar mit 0,45 Sekunden Rückstand verhältnismäßig nah dran, für den Kampf um die ersten vier Positionen aber dennoch zu vernachlässigen. Der Kanada GP wird sich zwischen Ferrari und Mercedes entscheiden.

Lewis Hamilton sieht nach den Trainingssitzungen Ferrari noch leicht vorne: "Ich habe das Gefühl, dass wir zu diesem frühen Zeitpunkt des Wochenendes nur ein ganz klein bisschen hinter den roten Autos sind, aber wir geben alles, um den kleinen Rückstand vor dem Qualifying noch aufzuholen."

Hamiltons These wird unterstrichen, wenn man auf Vettels Sektorzeiten blickt. Hätte der WM-Leader seine schnellste Runde zusammenbekommen, wäre auch er schneller als Hamilton gewesen. Seine theoretisch schnellste Runde ist mit 1:13,002 Minuten nicht einmal eine Zehntel langsamer als die von Teamkollege Räikkönen. Hamilton hingen schaffte es, auf seiner schnellsten Runde die persönlichen Sektorbestzeiten aneinanderzureihen. Trotzdem fehlen ihm noch zwei Zehntel auf Räikkönen.

Mercedes nutzt Extra-Grip der Ultrasofts nicht

Mercedes scheint einmal mehr das Problem zu haben, den Extra-Grip der Ultrasoft-Reifen nicht so wie die Konkurrenz nutzen zu können. Die von Pirelli errechnete Delta-Zeit zwischen Ultra- und Supersoft liegt bei rund 0,8 Sekunden, die Differenz zwischen Soft und Supersoft soll rund 0,2 Sekunden betragen. Hamilton fuhr die absolut schnellste Zeit auf Supersoft, Bottas die absolute Bestzeit auf Soft. Nur auf Ultrasoft war Ferrari schneller.

Doch im Vergleich zu Monaco ist das ein Fortschritt. Bedenkt man, dass Mercedes im Qualifying-Modus meist noch ein bisschen mehr rausholen kann als Ferrari, steht ein richtig enger Kampf um die Pole Position bevor.

Doch schon in Monaco fehlte zumindest Valtteri Bottas auch im Qualifying nicht viel auf Pole. Der Finne verpasste die erste Startposition um 0,045 Sekunden. Im Rennen musste er dann aber abreißen lassen, hatte als einziger Pilot in der Spitzengruppe mit starkem Reifenverschleiß zu kämpfen. Während die Konkurrenz von Runde zu Runde schneller wurde, gingen Bottas' Rundenzeiten in den Keller. Deshalb verlor er sein Podium an Daniel Ricciardo.

Longruns mit Schönheitsfehlern

Die Longrun-Zeiten aus Montreal sind leider nicht besonders aussagekräftig. Fast permanent war irgendwo Gelb auf der Strecke, weil sich mal wieder ein Pilot drehte. Dazu kommt reichlich Verkehr auf einer der kürzesten Strecken des Kalenders. Zu allem Überfluss sorgte der Defekt am Red Bull von Max Verstappen auch noch für eine Trainingsunterbrechung.

Die Longruns wurden von vielen Drehern und Gelb-Phasen unterbrochen, Foto: Sutton
Die Longruns wurden von vielen Drehern und Gelb-Phasen unterbrochen, Foto: Sutton

Deshalb zeigen wir ausnahmsweise keine Liniendiagramme der Longruns, weil die recht unübersichtlich wären. Wir haben die Rundenzeiten aussortiert und aus allen relevanten Daten den Mittelwert für jeden Fahrer auf den entsprechenden Mischungen gebildet. Allerdings sind bei vielen Longruns die Hälfte der Runden obsolet.

Mercedes splittete die Reifenstrategien zwischen Hamilton und Bottas. Beide durften auf dem Ultrasoft, mit dem unter normalen Bedingungen beide ins Rennen gehen werden, Longruns abspulen. Hamilton wechselte später auf Supersoft, Bottas auf Soft.

Longruns auf Ultrasoft

Fahrer Durchschnittl. Rundenzeit Reifen-Alter
Valtteri Bottas 1:16,3 Minuten 25
Kimi Räikkönen 1:16,4 Minuten 22
Lewis Hamilton 1:16,5 Minuten 20

Nach den Reifenproblemen in Monaco spulte Bottas einen extra-langen Stint auf den Ultrasofts ab. Nach 25 Runden auf einem Satz fuhr er noch immer konstante Rundenzeiten mit de facto null Abbau. Er fuhr im Schnitt 1:16,3 Minuten. Hamilton drehte fünf Runden weniger auf Ultrasoft und fuhr durchschnittlich 1:16,5 Minuten.

Etwas überraschend spulte Vettel keinen Longrun auf den Ultrasofts ab. Der Ferrari-Pilot konzentrierte sich ausschließlich auf die Supersofts. Dafür drehte Kimi Räikkönen seine Runden auf der weichsten aller Reifenmischungen. Er kam auf 22 Runden alten Ultrasofts auf einen Schnitt von 1:16,4 Minuten. Damit liegt er genau in der Mitte zwischen den beiden Mercedes-Lenkern.

Bei den Longruns wiederholt sich das Bild der Qualifying-Simulationen: Mercedes kommt mit den härteren Mischungen besser zurecht. Auf Supersoft fuhr Hamilton im Schnitt 1:16,2 Minuten. Seine Pneus hatten am Ende 20 Runden auf dem Buckel. Vettel, dessen Run von Rot unterbrochen wurde, kam mit 28 Runden alten Reifen auf 1:16,5 Minuten. Räikkönen fuhr auf seinem Supersoft-Run im Schnitt 1:16,3 Minuten.

Longruns auf Supersoft

Fahrer Durchschnittl. Rundenzeit Reifen-Alter
Lewis Hamilton 1:16,2 Minuten 20
Kimi Räikkönen 1:16,3 Minuten 18
Sebastian Vettel 1:16,5 Minuten 28

Mit seinem Longrun auf Soft war Bottas ein Einzelkämpfer. Lediglich Stoffel Vandoorne fuhr ebenfalls ein paar Runden auf der härtesten Mischung. Dabei lassen sich Bottas' Zeiten auf Soft durchaus sehen: Er fuhr im Schnitt 1:16,4 Minuten - also fast identisch schnell wie auf Ultrasoft.

Fazit: Mercedes ist zurück, das ist klar. Es scheint, als hätten Ferrari und Mercedes ihre Stärken auf unterschiedlichen Reifen: Ferrari ist auf Ultrasoft stärker, Mercedes auf Supersoft und Soft. Da im Rennen beide Reifenmischungen zum Einsatz kommen, wird es extrem spannend. In Russland beispielsweise war Bottas deshalb in der ersten Rennhälfte schneller, Vettel in der zweiten. Dieses Bild könnte sich in Kanada wiederholen - nur dass die Stärken nun auf unterschiedlichen Reifenmischungen liegen.