Pascal Wehrlein überquerte die Ziellinie beim Spanien GP in Barcelona mit seinem Sauber auf einem überraschenden siebten Platz - nur eine Fünf-Sekunden-Zeitstrafe warf ihn noch hinter Carlos Sainz auf Platz acht zurück. Trotzdem kommen die vier Punkte für Wehrlein und den Sauber-Rennstall völlig überraschend.

Während alle anderen Teams pünktlich zum Europa-Auftakt größere Updates an ihre Autos brachten, verschob Sauber das Paket auf den Monaco GP. Die Teile wurden nicht rechtzeitig fertig. Sauber hatte lediglich einen mehr oder weniger neuen Heckflügel am Auto, der in Bahrain schon getestet wurde, aber aufgrund der Streckencharakteristik bislang noch nicht zum Einsatz kam.

Doch wie war es möglich, dass Wehrlein mit dem Sauber, der in Russland noch gnadenlos hinterherfuhr, in Barcelona ohne Update plötzlich auf Rang acht fuhr? Als einziger Pilot fuhr der Deutsche auf einer Einstopp-Strategie. Wehrlein kam erst in Runde 33 zu seinem ersten Stopp - obwohl er auf Soft-Reifen gestartet war.

Später Call bringt 5-Sekunden-Strafe

"Der erste Stint so lange auf Soft war ziemlich hart", resümiert Wehrlein. Dass Sauber so lange mit dem Stopp wartete, zahlte sich aus. Als Stoffel Vandoorne mit Felipe Massa kollidierte, setzte die Rennleitung die Strecke unter das Virtuelle Safety Car. Sauber reagierte sofort und orderte Wehrlein zum Boxenstopp - allerdings etwas zu spät, so dass Wehrlein schon am Poller, der Boxeneinfahrt von Strecke trennt, vorbei war.

Wehrlein allerdings reagierte schnell und fuhr noch hinter dem Poller in die Boxengasse - wofür er später eine Fünf-Sekunden-Strafe erhielt, die auf sein Endresultat gerechnet wurde und ihn den Platz an Sainz kostete. "Ich wusste, dass es wichtig ist, zu kommen, wenn sie mich so spät anfunken", erklärt Wehrlein.

"Ich wusste, dass eine Strafe kommt, aber ich hatte auf eine Strafe beim nächsten Rennen gehofft - oder eine Strafe fürs Team", scherzt Wehrlein, sieht aber ein: "Fünf Sekunden sind besser als eine Durchfahrtsstrafe."

VSC bringt Konkurrenz auf Wehrlein-Strategie

Dabei dauerte die VSC-Phase allerdings länger, Wehrlein hätte auch eine Runde später reinkommen können, was zu diesem Zeitpunkt allerdings niemand wusste. Trotzdem spielte ihm die VSC-Phase in die Karten: Während Wehrlein zu diesem Zeitpunkt schon 33 Runden alte Reifen hatte, hatte die Konkurrenz schon zuvor gestoppt und war mit frischeren Pneus unterwegs.

Doch die gesamte Konkurrenz nutzte ebenfalls die VSC-Phase und wechselte erneut - was Wehrlein trotz eines Stopps weniger auf die gleiche Strategie brachte. Wehrlein verlor beim Boxenstopp lediglich eine Position an Nico Hülkenberg, weil die Renault-Crew beim Reifenwechsel schneller war als die Sauber-Mannschaft.

Nur ein schnellerer Stopp brachte Hülkenberg vor Wehrlein, Foto: Sutton
Nur ein schnellerer Stopp brachte Hülkenberg vor Wehrlein, Foto: Sutton

Obwohl die Piloten mangels Updates vom Wochenende nicht besonders viel erwarteten, ahnten die Ingenieure schon, dass es im Rennen nach vorne gehen könnte. "Die anderen Teams konnten ihre Fahrzeug-Performance nicht ganz ausnutzen", erklärt Jörg Zander, Technischer Direktor.

Russland-Problem ist Barcelona-Hilfe

Sauber spielte in Barcelona in die Karten, was in Sochi noch gegen sie war: Die Reifencharakteristik. In Russland brachte Sauber die Reifen aufgrund der Asphaltbeschaffenheit und der Streckencharakteristik überhaupt nicht ins richtige Fenster, in Spanien funktionierte das trotz der härteren Mischungen perfekt: Rauheit des Asphalt und hohe laterale Kräfte halfen Sauber.

Während in Sochi die Reifen quasi gar nicht abbauten, verloren die Pneus in Barcelona wieder mit jeder Runde Pace. Weil Sauber weniger Abtrieb hat, sind die lateralen Kräfte nicht so hoch, die Energie, welche die Reifen aufnehmen müssen, ist geringer. Deshalb konnten die anderen Teams ihre Performance im Renntrimm nicht ausnutzen. "Sie hätten Abtrieb wegnehmen können", meint Zander, "aber das macht man eigentlich nicht."

In Russland ging für Sauber überhaupt nichts, Foto: Sutton
In Russland ging für Sauber überhaupt nichts, Foto: Sutton

Auch ohne den VSC-Joker wäre Wehrleins Rennen beeindruckend gewesen, die Pace auf den uralten Reifen war stark. "Wir hatten sogar eine negative degradation" freut sich Zander. Bei der sogenannten 'negative degradation' wird das Auto trotz alternder Reifen schneller, weil es durch den Benzinverbrauch leichter wird.

Wehrlein: Ohne Einstopp keine Punkte

Lediglich beim Schlussstint auf Medium machten sich die Ingenieure Sorgen, die Hinterreifen könnten zu stark an Temperatur verlieren. Doch die Sorgen waren unbegründet, Wehrlein konnte die Pneus das gesamte Rennen über im Fenster halten und den Vorsprung auf die Verfolger hinter Sainz sogar vergrößern, was ihn durch die Strafe nicht noch weiter zurückwarf.

"Ich wusste um die Strafe und musste die Zeit holen, sonst hätten wir ein starkes Rennen verloren", so Wehrlein. "Das war sehr eindrucksvoll, dass ich den Vorsprung auf den Haas vergrößern konnte. Aber ohne die Einstopp-Strategie wären wir nicht in den Punkten gewesen, wir müssen unsere Performance noch verbessern", mahnt er. "Aber ich freue mich jetzt auf Monaco mit den Updates am Auto."

In der kommenden Woche lesen Sie ein Interview mit Sauber Teamchefin Monisha Kaltenborn zum erfolgreichen Spanien GP auf Motorsport-Magazin.com