Zahlen bilden nicht immer die ganze Wahrheit ab. Würde man ihnen blind vertrauen, hätte Williams für 2017 ein Fahrerduo, dessen Durchschnittsalter bei 26,5 Jahren liegt und damit dem "besten Rennfahreralter" entspricht, wie man so schön sagt. Doch tatsächlich sind beide Fahrer von diesem Alter weit entfernt. Der eine, Felipe Massa, ist 35 und hatte seine Karriere in der Königsklasse eigentlich schon beendet. Erst der Wechsel von Valtteri Bottas zu Mercedes brachte den Brasilianer zurück. Der andere Fahrer hört auf den Namen Lance Stroll. Der Kanadier ist im Oktober erst volljährig geworden und bestreitet seine Debüt-Saison in der Königsklasse. Frappierender könnte der Unterschied kaum sein.

Einen ansatzweise ähnlichen Altersunterschied zwischen zwei Teamkollegen sucht man in der Formel 1 aktuell vergebens. McLaren folgt mit elf Jahren Unterschied zwischen Fernando Alonso und Stoffel Vandoorne auf Platz zwei. Der ursprüngliche Plan bei Williams sah vor, den erfahrenen, aber immer noch hochmotivierten Valtteri Bottas als Nummer eins im Team zu haben. Daneben sollte Stroll lernen und gleichzeitig fordern. Nun ist der Finne weg, mit Massa kommt ein zweifellos erfolgreicher Fahrer zurück. Aber eben auch einer, der mit der Formel 1 schon abgeschlossen hatte.

In Brasilien nahm Felipe Massa bewegnd Abschied von seinem Heimpublikum, Foto: Sutton
In Brasilien nahm Felipe Massa bewegnd Abschied von seinem Heimpublikum, Foto: Sutton

Massa bringt Stabilität ins Team

Für Massa war das aber kein Hinderungsgrund. Er verspürte nach wie vor die Leidenschaft. "Meine Absicht war immer, irgendwo Rennen zu fahren, denn meine Leidenschaft für Racing und Wettkampf ist immer noch vorhanden", so der Vizeweltmeister von 2008. "Ich habe auch eine starke Bindung zu Williams, weil ich die letzten drei Jahre im Team genossen habe. Entsprechend fühlte es sich richtig für mich an, zurückzukommen und dem Team Stabilität und Erfahrung zu geben, um die Dinge 2017 voranzutreiben", erklärt er.

Ähnlich äußerte sich auch die stellvertretende Teamchefin Claire Williams bei der Bekanntgabe der Rückkehr. "Es war immer klar, dass er 2017 irgendwo fahren würde. Er hat diesen Wettbewerbs-Geist nicht verloren. Es war wichtig, dass wir einen starken Ersatz finden, um Valtteri gehen zu lassen. Felipes Rückkehr verleiht uns Stabilität, Erfahrung und das Talent, um uns nach vorne zu bringen", analysierte sie die Vorteile. Dennoch muss man die Frage stellen, ob man mit Erfahrung und Stabilität allein es schafft, wieder zu den Top-Teams aufschließen zu können. Williams entschied sich für den leichtesten Weg und beorderte den Fahrer zurück, der das Team kennt.

Zwei Fragezeichen im Cockpit

In den drei gemeinsamen Jahren gelang es Massa nie, Bottas in der WM zu schlagen. Besonders deutlich war der Unterschied im vergangenen Jahr. Der Finne war konstanter, solide, er holte das Maximum aus dem Auto heraus. Diese Eigenschaften verkörperte Massa zuletzt nicht mehr uneingeschränkt. Statt einer - die Performance betreffend - Konstanten neben dem Fragezeichen Stroll, muss Williams nun mit zwei Fragezeichen umgehen.

In der Formel 3 EM fuhr Stroll Kreise um die Konkurrenz, Foto: FIA F3
In der Formel 3 EM fuhr Stroll Kreise um die Konkurrenz, Foto: FIA F3

Dabei ist natürlich keineswegs ausgeschlossen, dass Stroll ähnlich einschlägt, wie es ein Max Verstappen schaffte. Zwar verhalf ihm besonders der prall-gefüllte Geldkoffer seines Vaters Lawrence Stroll zum Formel-1-Cockpit. Doch die Formel-3-EM gewinnt man nicht im Vorbeigehen. 14 Siege in 30 Rennen, insgesamt 20 Mal auf dem Podest - Stroll deklassierte die Konkurrenz 2016 geradezu.

Und doch ist die Formel 1 nochmals eine ganz andere Welt. Massa hat lobende Worte für den Kanadier übrig. "Er hat in seinen bisherigen Rennserien bewiesen, dass er diese Chance verdient hat. Es ist großartig, ein neues Talent in der Formel 1 willkommen zu heißen. Lance mag vielleicht jung sein, aber Williams hat schon in der Vergangenheit jungen Talenten den Weg in die Formel 1 ermöglicht", hält er fest.

Beide stehen unter Druck

Stroll selbst sieht seinen neuen Teamkollegen vor allem als Lehrmeister. "Ich freue mich darauf, dass Felipe eine Art Mentor für mich wird", so Stroll. "Natürlich sind wir Gegner und wollen besser sein als der andere. Nichtsdestotrotz haben wir viel Respekt füreinander." Für den 18-Jährigen liegt der Schlüssel zum Erfolg darin, mit Massa zusammenzuarbeiten. "Natürlich gibt es eine Konkurrenz und das Verlangen, den Fahrer neben dir zu schlagen. Aber zur gleichen Zeit werden wir uns respektieren und dem Team bestmöglich helfen", meint er.

Auf den ersten Blick ist die Rollenverteilung damit klar. Massa ist der Teamleader, der mit seiner Erfahrung das Auto weiterentwickeln und Stroll anlernen soll. Der Teenager dagegen soll Erfahrungen sammeln und auf der Strecke sein Talent offenbaren. Doch für beide droht auch Gefahr. Sollte es Stroll nicht gelingen, einen aus der Rente geholten Fahrer zumindest zu gefährden, könnte das seine Karriere gefährden. Massa dagegen könnte seiner Laufbahn ein unwürdiges Ende bescheren, sollte er gegen Stroll vielleicht sogar den Kürzeren ziehen. Man wird sehen, ob sich Williams mit dieser Aufstellung einen Gefallen getan hat.