Ein Werksvertrag verspricht einem Formel-1-Piloten seit jeher die Chance auf eine große Zukunft in der Königsklasse. Nico Hülkenberg hat nach sechs Jahren bei Williams, Sauber und Force India endlich den heißersehnten Sprung zu Renault geschafft. Mit einem üppigen Budget und jeder Menge Manpower wollen die Franzosen zurück an die Spitze - und Hülkenberg mit ihnen. Die Vergangenheit zeigt jedoch: Gigantische finanzielle Investitionen, eine riesige Belegschaft und High-End-Facilities garantieren noch längst keine Siege und WM-Titel.

Für Hülkenbergs Karriereweg war der Wechsel zu Renault zweifelsohne ein logischer Schritt, denn die Möglichkeiten bei Force India hatte der 29-Jährige mehr oder weniger voll ausgeschöpft. "Wenn ein Konzern das möchte, dann setzen die Himmel und Hölle in Bewegung. Die haben eine ganz andere Power und Ausdauer als ein kleines Privatteam", hob er im Interview mit Motorsport-Magazin.com unmittelbar nach dem Vertragsabschluss den wohl größten Unterschied zwischen Ex- und neuem Arbeitgeber hervor.

Mit 2 WM-Titeln, 35 Siegen und 51 Pole Positions in 17 Jahren Formel 1 hat Renault als Werksteam in der Tat eine beachtliche Statistik vorzuweisen. Doch trotz zwei erfolgreichen Perioden, haben die Franzosen längst nicht jedem ihrer Piloten zum großen Triumph verhelfen können. Genau genommen war es einzig Fernando Alonso, der sich in den Farben des Teams den Traum von Weltmeistertitel erfüllen konnte.

In der Saison 1977 wagte Renault erstmals als Werksteam den Schritt in die Formel 1 - mit jeder Menge Pioniergeist, denn als erster Hersteller setzten die Franzosen in der Königsklasse auf Turbo-Aggregate. Acht Saisons und 15 Grand-Prix-Siege später verabschiedete das Team sich wieder - ohne den Weltmeistertitel. Erst beim zweiten Anlauf zwischen 2002 und 2009 sollte Alonso unter der Führung von Flavio Briatore das Werk vollenden.

Renault gewann 2005 und 2006 mit Fernando Alonso die Weltmeisterschaft, Foto: Sutton
Renault gewann 2005 und 2006 mit Fernando Alonso die Weltmeisterschaft, Foto: Sutton

Organisation wichtiger als Geld

"Man muss auch verstehen, dass ein Konzern wie Renault nicht zum Spaß in der Formel 1 ist ", gibt Hülkenberg zu bedenken. Doch Alain Prost, der von 1981 bis 1983 für Renault an den Start ging, verpasste das große Ziel zwei Mal knapp. "Es ist für mich immer viel schwieriger gewesen, mit Franzosen zu arbeiten", so der viermalige Weltmeister über die Beziehung zu seinen Landsleuten. Obendrein kam er im Werksteam auch zu einer unerwarteten Erkenntnis: "Du bist jung und wechselst zu einem Konstrukteur, der all diese Erwartungen hat. Wenn du gewinnst, bist du ein Gott. Wenn nicht, bist du nichts. Dann beginnst du den Druck zu spüren, den du als junger Rennfahrer nicht erwartet hast."

Laut Prost, der mit 9 GP-Siegen für Renault hinter Alonso mit 17 Triumphen immer noch der zweiterfolgreichste Pilot für den Hersteller ist, zählt beim Streben nach dem WM-Titel weit mehr als nur ein paar extragroße Spendierhosen. "Die Briten sind in ihrer Arbeitsweise eher sachlich veranlagt. Nach meinem ersten Jahr bei McLaren versuchte ich den Leuten bei Renault Ratschläge zu geben, wie man die Dinge pragmatischer angehen kann - doch das wollte dort einfach keiner verstehen."

Alain Prost verpasste den WM-Titel mit Renault zwei Mal knapp - mit den Methoden seiner Landsleute wurde er nicht warm, Foto: Sutton
Alain Prost verpasste den WM-Titel mit Renault zwei Mal knapp - mit den Methoden seiner Landsleute wurde er nicht warm, Foto: Sutton

Teamführung muss Fahrer den Weg weisen

Nachdem er den WM-Titel 1983 um zwei Punkte hauchdünn verpasst hatte, ging Prost 1984 wieder für McLaren an den Start, das unter der Führung von Ron Dennis zumindest in Punkto Budget dem Werksteam von Renault in nichts nachstand. "Es war ein großer Unterschied. Und dabei geht es nicht um die Größe des Teams, sondern um die Philosophie. Du wusstest bei McLaren jederzeit, an wen du dich wenden konntest und wer etwas zu sagen hatte. Und mehr als alles andere wussten sie, wohin sie gehen wollten. Wenn ein Team dem Fahrer auf diese Art die Richtung weisen kann, ist das fantastisch", so Prost.

In der Geschichte des Sports war Renaults erster Anlauf längst nicht das einzige ambitionierte Projekt, das unvollendet blieb. Allein in den vergangenen 20 Jahren scheiterte eine ganze Reihe finanzkräftiger Rennställe an der Herausforderung Formel 1. Auch Hülkenberg ist sich der Tatsache bewusst, dass Scheitern für seinen neuen Arbeitgeber keine Option ist. "Sie sind auf lange Sicht gezwungen, Erfolge abzuliefern. Sonst wird es bitter enden." Ein Ausgang, der auch für seine Karriere fatale Folgen haben könnte.

Gescheiterte Großoffensiven von Herstellern & Co.

British American Racing

British American Racing blieb in der Formel 1 fast völlig ohne Glanz, Foto: Sutton
British American Racing blieb in der Formel 1 fast völlig ohne Glanz, Foto: Sutton

Ende 1997 überzeugte Craig Pollock British American Tobacco (BAT), die in Form ihrer zahlreichen Marken schon seit längerem als Sponsor bei verschiedenen Teams aufgetreten waren, mit einem eigenen Rennstall in der Formel 1 anzutreten. Kurzerhand wurde der britische Traditionsrennstall Tyrrell für 30 Millionen britische Pfund aufgekauft und zur Saison 1999 in British American Racing umgetauft. Mit Pollock als Teamchef, Adrian Reynard als Chefkonstrukteur und Weltmeister Jacques Villeneuve wollte das Team die Formel 1 erobern - doch das gesamte Unterfangen wurde zum Rohrkrepierer. Nachdem die Mannschaft in der Debüt-Saison punktelos geblieben war, wechselte man auf der Motorenseite von Supertec zu Honda.

In der zweiten Saison etablierte sich das Team damit im soliden Mittelfeld, wo es in den folgenden Jahren mit eher unregelmäßigen Punktefahrten weiter vor sich hin dümpelte. Von den ursprünglich angekündigten Siegen war es Lichtjahre entfernt - bis 2004 mit dem BAR 006 fast der große Wurf gelang. Platz zwei bei den Konstrukteuren und zehn Podestplätze gingen auf das Konto von Jenson Button und Takuma Sato. Im Folgejahr rutschte BAR jedoch wieder auf den sechsten WM-Rang ab. Zur Saison 2006 wurde das Team von Honda aufgekauft. Villeneuve bekam nach seiner erfolglosen Zeit bei BAR, die mit Ablauf der Saison 2003 endete, in der Formel 1 keinen Fuß mehr auf den Boden.

BMW

BMW war mit Williams 2003 nah am WM-Titel, doch es reichte nicht, Foto: Sutton
BMW war mit Williams 2003 nah am WM-Titel, doch es reichte nicht, Foto: Sutton

BMW kehrte zur Saison 2000 in einer Partnerschaft mit Williams nach 18 Jahren Abstinenz in die Königsklasse zurück. Nachdem die Bayern in den 1980er Jahren im Heck der Brabham-Boliden durch Nelson Piquet zwei WM-Titel feiern konnten, sollte mit dem erfolgreichsten Team der 1990er Jahre an die glorreichen Zeiten angeknüpft werden. Nach einem Jahr Anlauf gelangen Ralf Schumacher und Juan Pablo Montoya für das britischen-bayrische Gespann in der Saison 2001 vier Rennsiege. Statt dem Eingreifen in den WM-Kampf folge jedoch ein Auf- und Ab. Lediglich 2003 war Montoya ganz nah dran, als er mit Titel-Chancen in das Finale ging, wo ihm in Führung liegend der Motor um die Ohren flog. In den darauffolgenden Jahren verlor das Team den Anschluss an die Spitze, woraufhin die Beziehung kriselte und BMW sich von Williams abspaltete.

Ab 2006 war BMW zusammen mit Sauber in der Formel 1 unterwegs. Doch auch diese Partnerschaft verfehlte das große Ziel. Nick Heidfeld und Robert Kubica hatten nie das Material, um in den WM-Kampf eingreifen zu können. Mehr als ein Sieg von Kubica beim Großen Preis von Kanada 2008 sprang für die deutsch-schweizerische Kooperation nicht heraus. Ende 2009 zog BMW den Stecker. Während Kubica bei Renault unterkam, war der Ausstieg des Herstellers für Heidfeld mehr oder weniger der Karriere-Killer. Nach sporadischen Einsätzen für Sauber und Lotus in den folgenden zwei Jahren, war die F1-Laufbahn des Mönchengladbachers beendet.

Toyota

Toyota bereitete sich drei Jahre auf den F1-Einstieg vor und holte in der Debüt-Saison trotzdem nur zwei Punkte, Foto: Sutton
Toyota bereitete sich drei Jahre auf den F1-Einstieg vor und holte in der Debüt-Saison trotzdem nur zwei Punkte, Foto: Sutton

Ende der 1990er Jahre lockte die Formel 1 auch Toyota an. Bereits 1999 fällte der japanische Hersteller die Entscheidung, sich in der Königsklasse des Motorsports zu versuchen. Bis zum Debüt im Jahr 2002 gönnte Toyota sich jede Menge Vorlaufzeit, um sich in den topmodernen Hallen in Köln-Marsdorf optimal auf die große Herausforderung vorzubereiten. Im ersten Jahr waren Mika Salo und Allan McNish jedoch nur zwei magere WM-Punkte vergönnt. Beide Fahrer wurden zur Saison 2003 ausgetauscht, doch auch in den folgenden beiden Jahren war nicht mehr als WM-Rang acht für die Japaner drin.

Für das Jahr 2005 stockte Toyota gewaltig auf. Mit Ralf Schumacher und Jarno Trulli im Cockpit des TF105 sollte endlich der große Durchbruch gelingen. Tatsächlich fuhr das Gespann zwei Pole Positions sowie fünf Podestplätze für das Team ein, was in der Konstrukteurswertung immerhin zum vierten Rang reichte. Damit hatte Toyota jedoch seinen Zenit in der Formel 1 erreicht. In den folgenden drei Jahren stagnierte der Rennstall im Mittelfeld, bis die Japaner genug hatten und nach acht Jahren das Kapitel Formel 1 beendeten. Für Ralf Schumacher bedeutete dies das unmittelbare Karriereende, während Jarno Trulli noch zwei weitere Jahre im Hinterbänkler-Team von Lotus dem Feld hinterherkrebste, um sich dann ebenfalls aus der Königsklasse zu verabschieden.

Honda

Honda versuchte sich nur drei Jahre als Werksteam, bevor die Japaner den Laden dicht machten, Foto: Sutton
Honda versuchte sich nur drei Jahre als Werksteam, bevor die Japaner den Laden dicht machten, Foto: Sutton

Honda hatte Ende 2005 die hochmodernen Hallen von BAR übernommen, um als Werksteam in der Königsklasse richtig durchzustarten. Mit Jenson Button und Rubens Barrichello hinter dem Steuer der Boliden, wollten die Japaner an die erfolgreiche Saison 2004 des Vorreiter-Rennstalls anknüpfen. Mit WM-Rang vier und dem Premierensieg von Button beim Ungarn-GP gelang Honda dies 2006 auch halbwegs. In den Jahren 2007 und 2008 ging es jedoch sukzessive bergab. Selbst Strategie-Superhirn Ross Brawn konnte 2008 nicht mehr als Platz neun in der Konstrukteurswertung erreichen. Honda zog sich daraufhin komplett aus der Formel 1 zurück, was sich im Nachhinein wohl als eine der größten Fehlentscheidungen der Geschichte herausstellte.

Brawn kaufte die Überreste des Teams auf, taufte den Rennstall in Brawn GP um und gewann in der Saison 2009 mit Mercedes-Motoren im Heck der von Honda konstruierten Boliden sowohl Fahrer- als auch Konstrukteursweltmeisterschaft. Im Gegensatz zu anderen gescheiterten Team-Existenzen, fielen dieser keine Fahrer-Karrieren zum Opfer. Button startete bei McLaren ab 2010 richtig durch, während Barrichello bei Williams unterkam. Brawn veräußerte das Team nach der unglaublichen Saison 2009 an Mercedes.