Die Spannung nimmt allmählich zu. In weniger als drei Wochen ist die Winterpause der Formel 1 beendet, die Testfahrten in Barcelona werden zur ersten Standortbestimmung für die Teams. Im Fokus stehen dabei neben den Top-Teams wie Mercedes, Red Bull oder Ferrari auch jene Rennställe, die sich selbst in diesem Kreis sehen - oder gerne sehen würden.

McLaren gehört zweifelsohne genau zu diesen Teams. Die Historie spricht Bände, das britische Team bestimmte die Formel 1 über Jahrzehnte. In der jüngeren Vergangenheit aber mangelte es an Erfolgserlebnissen, das Anspruchsdenken und die realen Ergebnisse wiesen eine massive Dissonanz auf. Im Winter änderte sich in Woking einiges, Ron Dennis wurde als Geschäftsführer entmachtet, mit Zak Brown soll eine neue Ära des Erfolges eingeläutet werden.

Bei den Fahrern bleibt Fernando Alonso die Konstante, sein neuer Teamkollege wird Stoffel Vandoorne. Gerade für Alonso wird es ein wichtiges Jahr. Schafft es der Spanier, nochmals in Richtung WM-Titel oder zumindest Siege zu greifen? Oder wird er dem Feld wie in den letzten Jahren eher hinterherfahren? In der Vergangenheit wirkte er teilweise demotiviert, wenn nicht gar desillusioniert. Doch der Fernando Alonso anno 2017 kennt nur einen Blick: nach vorne. Für ihn ist das Kapitel Formel 1 noch lange nicht abgeschlossen.

Führt der Weg für Fernando ALonso wieder an die Spitze?, Foto: Sutton
Führt der Weg für Fernando ALonso wieder an die Spitze?, Foto: Sutton

Alonso: Formel 1 gibt einmaliges Gefühl

"Ich bin eine Person, die den Wettbewerb liebt, und Wettbewerb ist in der Formel 1 wichtig. Aber deshalb fahre ich nicht in der Formel 1", stellt er klar. "Ich könnte das auch in anderen Bereichen meines Lebens finden. Beim Radfahren etwa, oder beim Tennis spielen - oder wenn ich meine Mutter zum Supermarkt fahre", merkt er an. "Der Grund, warum ich Formel 1 fahre, liegt darin, dass mir die Autos ein Gefühl geben, das ich nirgendwo anders finden kann. Das ist einmalig", schwärmt der Asturier.

Was genau dieses Gefühl meint, versucht er zu erklären. "Nichts kommt auch nur in die Nähe der Formel 1. Man muss das Gehirn immer wieder zurücksetzen, wenn man ins Auto steigt, denn die Dinge passieren so schnell. Wenn du ein paar Wochen kein Formel-1-Auto gefahren bist, wird dich das Level der Performance überraschen", berichtet Alonso. Als Vergleich zieht er den Kartsport heran. "Im Kart fahre ich, um den Wettbewerb zu spüren. In der Formel 1 aber fahre ich für dieses Gefühl", holt Alonso aus.

"Die Fahrstile im Kart und in der Formel 1 sind recht ähnlich, aber im Kart passiert nichts Überraschendes. Dein Gehirn muss sich nie auf eine Überraschung einstellen. Man kann alles vorhersehen, was das Kart machen wird", erläutert er. "In der Formel 1 ist das nicht der Fall. Dort kannst du jederzeit überrascht werden. Wenn du auf die Bremsen steigst, benötigt dein Gehirn 0,2 Sekunden, um gleichzuziehen. Das ist ein schönes Gefühl. Und genau das ist dieses Gefühl", gibt er einen emotionalen Einblick in das Gefühl eines Rennfahrers.

Fernando Alonso gilt nach wie vor als einer der besten Fahrer der Formel 1, Foto: Sutton
Fernando Alonso gilt nach wie vor als einer der besten Fahrer der Formel 1, Foto: Sutton

Renningenieur adelt Alonso

Auch in den letzten Jahren, als es für ihn schlecht lief, büßte Alonso nie den Status als einer der besten Fahrer der Formel 1 ein. Erst kürzlich nannte Juan Pablo Montoya den Spanier neben Sebastian Vettel als besten Fahrer aktuell, noch vor Lewis Hamilton. Warum Alonso diesen Nimbus besitzt, wird klarer, wenn man seinen Renningenieur Mark Temple zu Wort kommen lässt.

"Fernando holt das Maximum aus allem um ihn herum heraus", so Temple. "Er fährt in sehr aggressiver Weise. Er attackiert die Bremszonen und wirft das Auto in die Kurven, aber er verliert es nicht am Kurvenausgang. Oftmals, wenn ein Fahrer am Kurveneingang aggressiv ist, verliert er am Ausgang, aber Fernando schafft es, das Auto in beiden Bereichen am Limit zu halten", erklärt Temple. Doch damit nicht genug des Lobes. "Er ist der intelligenteste Fahrer, mit dem ich je gearbeitet habe. Wenn man diese Intelligenz mit einem äußerst hohen Level an Talent verbindet, hat man eine sehr starke Kombination", meint Temple weiter.

Alonso in der Form seines Lebens

Mit den neuen Boliden, die deutlich mehr Abtrieb generieren werden, wird der Fahrspaß für die Fahrer - und damit auch das von Alonso beschriebene Gefühl - vermutlich zunehmen. Gleichzeitig steigen aber auch die Belastungen. Zusatztraining wartete in den Wintermonaten auf die Piloten. Ganz vorne mit dabei: Fernando Alonso. "Ich kann sagen, dass Fernando in seiner besten Verfassung ist - stärker und motivierter als je zuvor", sagte der Fahrer-Trainer von McLaren Honda, Edoardo Bendinelli, gegenüber der spanischen Zeitung AS.

Die Arbeitsmoral des Spaniers sei dabei vorbildlich gewesen. "Seine Fitnessarbeit war in den vergangenen Jahren bereits gut, aber nun benötigt man mehr Fitness, mehr Gewicht, mehr Stärke", führt Bendinelli aus. Inzwischen sei seine Nackenmuskulatur so stark, dass sein Hals einen Umfang von 45 Zentimetern habe. "Das ist vergleichbar mit einem Mittelgewichts-Boxer", stellt Bendinelli klar. Alonso scheint also bestens gerüstet für einen vielleicht letzten Angriff auf den Titel - sowohl psychisch, als auch physisch.