Alleine in diesem Jahrtausend hat die Formel 1 ihr Punktesystem zwei Mal geändert. Zwischen 1991 und 2002 erhielten die Top-6 eines Grand Prix nach dem Schema 10-6-4-3-2-1 Zähler. Für 2003 wurden dann einige Regeln geändert, um die damals erdrückende Dominanz von Ferrari zu brechen. So wurden beispielsweise die ersten Acht eines Rennens mit Punkten bedacht, nach dem Schlüssel 10-8-6-5-4-3-2-1. Zur Saison 2010 wurde das System nochmals angepasst, seitdem erhalten die Top-10 Punkte, die wie folgt verteilt werden: 25-18-15-12-10-8-6-4-2-1.

Diese Änderungen im Punktesystem lassen natürlich auch immer Raum für Rechenspielchen. Besonders Statistik-Freaks zücken gerne ihre Taschenrechner und rechnen die verschiedenen Jahre in die verschiedenen genannten Punktesysteme um. Und stoßen dabei auf so manche interessante Erkenntnisse. So wäre eine Formel-1-WM nicht nur einmal anders ausgegangen, wenn in bestimmten Jahren nach einem anderen Schlüssel gewertet worden wäre. Auch wir bei Motorsport-Magazin.com haben unsere Taschenrechner bemüht und präsentieren euch die wichtigsten Ergebnisse.

Formel-1-Rechner: Diese WM's wären anders ausgegangen

Schumacher 1994 nicht Weltmeister:
Die Formel-1-Saison 1994 wird wohl für immer in den Köpfen der Fans stecken bleiben. Nicht nur wegen des schwarzen Wochenendes von Imola, all den Regeländerungen im Anschluss um die Fahrzeuge einzubremsen, den vielen Fahrer-Wechseln oder all den Skandalen um das Benetton-Team und seinen Piloten Michael Schumacher. Auch das Finale in Adelaide genießt längst Legenden-Status. Das Duell Schumacher vs. Hill mit der unvergessenen Kollision in Runde 36 entschied schließlich die WM, Schumacher behielt seinen Zähler Vorsprung auf Hill. Anders wäre es ausgegangen, hätte man schon 1994 nach einem der späteren Schlüssel gewertet. In beiden Fällen hätte der Weltmeister nämlich Damon Hill geheißen. 104:96 bzw. 252:236 wäre die WM damals für den damaligen Williams-Piloten ausgegangen.

Die Top-5 der Formel 1 1994 nach den verschiedenen Punktesystemen:

System 1991 - 2002System 2003 - 2009System seit 2010
1. M. Schumacher (92)1. Hill (104)1. Hill (252)
2. Hill (91)2. M. Schumacher (96)2. M. Schumacher (236)
3. Berger (41)3. Berger (55)3. Berger (131)
4. Häkkinen (26)4. Häkkinen (40)4. Häkkinen (99)
5. Alesi (24)5. Alesi (38)5. Alesi (94)

Schumacher hätte ersten Ferrari-Titel schon 1997 geholt:
Im Gegenzug hätte Michael Schumacher seinen ersten Ferrari-Titel schon 1997 geholt. Auch damals kam es zu einem unvergessenen Final-Wochenende. Schumachers Rivale war in jenem Jahr Williams-Pilot Jacques Villeneuve. Schon im Qualifying wurde damals der erste Gipfel erreicht, als sowohl Schumacher als auch Villeneuve und dessen Teamkollege Heinz-Harald Frentzen exakt die gleiche Zeit (1:21.072) in den Asphalt des Circuito de Jerez brannten. Villeneuve startete vor Schumacher und Frentzen, weil er zuerst diese Zeit erzielte. Am Start beschleunigte Schumacher Villeneuve aus und blieb bis zur 48. Runde vorn.

Doch nach dem zweiten Stopp verlor der Ferrari dramatisch an Performance und so kam es dann zur legendären Kollision: Villeneuve startete einen Überraschungsangriff, Schumacher schmiss die Tür viel zu spät zu und bugsierte sich somit ins Aus. Doch damit war nicht nur die WM, sondern auch viel Reputation verspielt. Schumacher betonte Jahre später immer wieder, dass er Jerez 1997 rückgängig machen würde. Die Kollision selbst wäre übrigens nicht nötig gewesen, wäre nach einem der neueren Systeme gewertet worden. Mit 94:89 bzw. 229:222 Punkten hätte sich Schumacher sonst gegen Villeneuve durchgesetzt.

Die Top-5 der Formel 1 1997 nach den verschiedenen Punktesystemen:

System 1991 - 2002System 2003 - 2009System seit 2010
1. Villeneuve (81)1. M. Schumacher (94)1. M. Schumacher (229)
2. M. Schumacher (78)2. Villeneuve (89)2. Villeneuve (222)
3. Frentzen (42)3. Frentzen (60)3. Frentzen (151)
4. Coulthard (36)4. Alesi (59)4. Alesi (143)
5. Alesi (36)5. Coulthard (48)5. Coulthard (120)

Irvine als letzter Champion im alten Jahrtausend:
Mika Häkkinen vs. Eddie Irvine (und lange Zeit auch vs. Heinz-Harald Frentzen) lautete das Titelduell in der Formel 1 1999. Schumacher war nach seinem Beinbruch in Silverstone für drei Monate außer Gefecht gesetzt und so ruhten alle Ferrari-Hoffnungen auf Irvine, der beim Auftakt in Melbourne seinen allerersten GP-Sieg feierte und Erfolge in Spielberg und Hockenheim nachlegte. Häkkinen dagegen war der große Pechvogel des Jahres: Defekt in Melbourne, Reifen-Dilemma in Silverstone und Hockenheim, teaminterner Abschuss am Start in Österreich, Fahrfehler samt Ausfall in Imola und Monza. Drei Rennen vor Schluss stand es 60:60 zwischen Häkkinen und Irvine.

In Malaysia kehrte Schumacher zurück und leistete für Irvine wertvolle Schützenhilfe. Ferrari wurde zwar zunächst wegen illegaler Barge Boards disqualifiziert, dies wurde jedoch später wieder am Grünen Tisch aufgehoben. Irvine ging somit mit vier Punkten vor Häkkinen ins Finale. Doch Platz drei reichte nicht, denn Häkkinen gewann vor Schumacher und setzte sich so mit zwei Punkten Vorsprung durch. Nicht so übrigens nach den neueren Punktesystemen. Dort hätte Irvine der dritte Platz locker genügt, um sich mit 96:88 bzw. 237:216 zum Weltmeister zu krönen - im Übrigen sogar vorzeitig!

Zwischenfälle wie die Startkollision in Österreich hätten Häkkinen den Titel 1999 verhagelt - zumindest nach anderem Schlüssel, Foto: Sutton
Zwischenfälle wie die Startkollision in Österreich hätten Häkkinen den Titel 1999 verhagelt - zumindest nach anderem Schlüssel, Foto: Sutton

Die Top-5 der Formel 1 1999 nach den verschiedenen Punktesystemen:

System 1991 - 2002System 2003 - 2009System seit 2010
1. Häkkinen (76)1. Irvine (96)1. Irvine (237)
2. Irvine (74)2. Häkkinen (88)2. Häkkinen (216)
3. Frentzen (54)3. Frentzen (74)3. Frentzen (181)
4. Coulthard (48)4. Coulthard (62)4. Coulthard (148)
5. M. Schumacher (44)5. R. Schumacher (57)5. R. Schumacher (140)

Massa wäre als Weltmeister 2008 abgetreten:
Die Formel-1-Saison 2008 geht als das Jahr mit dem wohl dramatischsten Finale in der Geschichte dieses Sports in die Geschichte ein. Lewis Hamilton und Felipe Massa hießen damals die Titelrivalen, das Finale wurde auf Massas Heimbahn in Interlagos ausgetragen. Hamilton verspielte im Jahr zuvor den schon fest eingeplanten Titel noch in den letzten zwei Rennen und ging so absolut konservativ an das Wochenende heran. Bei einem Sieg Massas hätte ihm Platz fünf gereicht. "Das sollte doch machbar sein", so der allgemeine Tenor vorm Finale, waren der Ferrari und der McLaren doch die besten Autos 2008. Doch im Rennen zeigte sich das Wetter von seiner launischen Seite.

In der Schlussphase bei aufkommendem Regen lag Hamilton auf Platz fünf vor Sebastian Vettel. Wenige Runden vor Schluss ein folgenschwerer Verbremser von Hamilton: Vettel schlüpfte durch und so war auf einmal Massa Champion! Der Ferrari-Pilot fuhr bereits als Sieger und gefühlter Weltmeister über die Linie. Doch im immer stärker werdenden Regen konnte Hamilton noch in der allerletzten Kurve Timo Glock, der auf Slicks draußen blieb, abfangen. So erreichte er den rettenden fünften Platz. Nach dem damaligen Schlüssel (98:97) hatte das gereicht, auch nach dem aktuellen Punkteschlüssel (243:240) ist Hamilton Champion 2008. Doch nach dem ganz alten Punktesystem wäre Massa Weltmeister geworden. 83:80 wäre es für den Brasilianer ausgegangen.

Nicht nach jedem Punktesystem hätte der Weltmeister 2008 Lewis Hamilton geheißen, Foto: McLaren
Nicht nach jedem Punktesystem hätte der Weltmeister 2008 Lewis Hamilton geheißen, Foto: McLaren

Die Top-5 der Formel 1 2008 nach den verschiedenen Punktesystemen:

System 1991 - 2002System 2003 - 2009System seit 2010
1. Massa (83)1. Hamilton (98)1. Hamilton (243)
2. Hamilton (80)2. Massa (97)2. Massa (240)
3. Räikkönen (56)3. Räikkönen (75)3. Räikkönen (189)
4. Kubica (50)4. Kubica (75)4. Kubica (184)
5. Alonso (43)5. Alonso (61)5. Alonso (154)

Kein WM-Titel 2016 für Nico Rosberg:
Dass Nico Rosberg trotz all des Pechs bei Lewis Hamilton ein verdienter Weltmeister der Formel-1-Saison 2016 ist, steht außer Frage. Rosberg ließ sich nicht unterkriegen vom teaminternen Duell mit Hamilton. Die Basis legte er mit zwei Siegesserien: Einer gleich zum Auftakt mit vier Siegen in den ersten vier Rennen, und mit der anderen im Anschluss an die Sommerpause mit vier Siegen in fünf Rennen. Damit baute sich Rosberg ein Polster auf und setzte Hamilton gleichzeitig unter Druck. Dazu kommen die vielen Defekte an Hamiltons Mercedes im Laufe des Jahres.

Nach dem Sieg in Suzuka stand schließlich fest: Rosberg reicht jeweils ein zweiter Platz in den letzten vier Rennen. An diesen Plan hielt er sich, und so krönte sich Rosberg beim Finale in Abu Dhabi trotz Blockade-Taktik von Hamilton zum Weltmeister. 385:380 stand es am Ende pro Rosberg, auch nach dem 2003er-Schlüssel heißt der amtierende Champion Nico Rosberg, mit 158:154 Punkten. Doch nach dem noch älteren Schlüssel wäre Hamilton zum dritten Mal in Folge Weltmeister geworden - mit dem engsten denkbaren Vorsprung! Durch den Punktegleichstand von 136:136 hätte die höhere Anzahl an Siegen den Ausschlag pro Hamilton gegeben.

Die Top-5 der Formel 1 2016 nach den verschiedenen Punktesystemen:

System 1991 - 2002System 2003 - 2009System seit 2010
1. Hamilton (136)1. Rosberg (158)1. Rosberg (385)
2. Rosberg (136)2. Hamilton (154)2. Hamilton (380)
3. Ricciardo (68)3. Ricciardo (105)3. Ricciardo (256)
4. Verstappen (55)4. Vettel (87)4. Vettel (212)
5. Vettel (55)5. Verstappen (83)5. Verstappen (204)