Lance Stroll hatte diesen Vorwurf erwartet. Er begleitet ihn, seit klar ist, dass der 18-Jährige in der kommenden Saison in der Königsklasse Stammfahrer bei Williams wird. Ob er sein Cockpit wegen des Vermögen seines Vaters bekommen habe, wollte ein Journalist am Rande des Abu Dhabi GP der Formel 1 wissen. Der aktuelle Champion der Formel-3-EM erklärte ruhig und offenbar wohlüberlegt: "Ohne das Geld hätte ich es nicht von Kanada nach Europa geschafft, um dort meinen Traum zu verfolgen. Aber egal, wie viel Geld Du hast und woher Du kommst, wenn Du das Lenkrad nicht richtig drehst, und so schnell wie möglich den Kurs umrundest, dann gewinnst Du keine Rennen. Geld kann Dir keine Siege kaufen."

Lance Stroll hat für Williams bislang hauptsächlich im 2014er-Boliden getestet, Foto: Sutton
Lance Stroll hat für Williams bislang hauptsächlich im 2014er-Boliden getestet, Foto: Sutton

Tatsächlich hat der Kanadier in dieser Saison die europäische F3 dominiert und mit deutlichem Vorsprung für sich entschieden. "Wenn Du keine Superlizenz-Punkte hast und keine Titel gewinnst, kannst Du nicht in die F1 kommen. Hätte ich alles Geld dieser Welt, würde aber Letzter werden, brächte mich das nicht dahin, wo ich jetzt bin", sagt Stroll.

Für Williams hat er bislang mit dem 2014er-F1-Boliden getestet. Wird er mithalten können mit den Routiniers der Königsklasse? Seine Antwort: "Letztlich ist es auch nur ein Auto mit vier Rädern. Ich bin schon so viele verschiedene Autos gefahren: Kart, F4, F3. Jeder Schritt ist der größte, den Du bis dahin gemacht hast. Der erste Eindruck war: Sehr viel Power und Grip. Es ist das beste Auto der Welt, es ist die Königsklasse."

Ein Jahr Zwischenstation in der GP2 hätte aus Strolls Sicht keinen Sinn gemacht. "Nichts bereitet Dich so sehr auf die Formel 1 vor, wie Formel 1 zu fahren. GP2 ist normalerweise der Schritt zwischen Formel 3 und der Königsklasse, aber auch diese Serie bereitet Dich nicht so sehr darauf vor wie die Formel 1 selbst." Und während Claire Williams "viele Punkte" von ihrem neuen Fahrer erwartet, macht der sich offenbar weniger Druck: "Es ist ein Langzeit-Projekt. Es ist nicht so, dass ich komme und alles funktioniert sofort. Williams erwartet, dass ich mich im Laufe der Saison verbessere. Ich habe einen großartigen Teamkollegen, der die Messlatte sein wird."

Wird es schwieriger, bei der Pace mitzuhalten oder mit den Reifen klarzukommen? Stroll zu Motorsport-Magazin.com: "Alles ein bißchen. Es ist ein tolles Auto, um zu lernen. Die Formel 1 ist in vielerlei Hinsicht härter. Reifen-Management und Benzin-Sparen sind alles Dinge, an die ich nicht gewöhnt bin. Das ist das komplizierteste, was ich in dieser Saison noch lernen muss."

Zusätzlich zum Pay-Driver-Image möchte er offenbar auch den Eindruck ausräumen, der reiche Vater habe ihn zur Motorsport-Karriere gedrängt. "Ohne jemanden, der Dich inspiriert, kommst Du nicht einfach rein. Du brauchst jemanden, der am Sonntagmorgen das Rennen im TV einschaltet, wenn Du klein bist. Er hat mich aber nicht gedrängt. Wenn ich es nicht wollen würde, würde er es auch nicht wollen", so der junge Pilot.

Auf diese Aussage hin fragte ein deutscher Journalist, ob er sich an das erste Formel-1-Rennen erinnern könne, dass er im Fernsehen angeschaut habe. Stroll verneinte, wusste aber noch genau, welcher Pilot ihn zu jener Zeit begeisterte: "Michael Schumacher war und ist eine große Inspiration für mich. Als ich klein war, war er der Kerl, der die Rennen gewonnen hat. Er war nicht nur der Champion auf der Strecke, sondern auch ein wahrer Champion jenseits der Strecke. Ein hart arbeitender, intelligenter Rennfahrer, vermutlich einer der besten aller Zeiten."

Motorsport-Magazin.com wollte daraufhin wissen, ob er gegenüber einem nicht-deutschen Redakteur die gleiche Aussage getroffen hätte. Doch Stroll lacht: "Ich bin international." Allerdings ist er Patriot genug, um sich auf das F1-Rennen in seiner Heimatstadt Montreal zu freuen, das lange auf der Kippe stand: "Mit dem Heimrennen wird ein Traum wahr. Die Formel-3-EM fährt nun mal nicht in Kanada. Das wird supercool vor meinen Heim-Fans. Alle meine Freunde und eine Menge Leute, die ich kenne, werden kommen. Ich bin wirklich glücklich, dass Kanada im Kalender ist."

Doch reicht seine (bislang nur von Formel-3-Autos und -Strecken geforderte) Fitness? Schließlich wird damit gerechnet, dass angesichts der neuen Aero-Regeln in der Königsklasse die Belastung für die Fahrer 2017 deutlich ansteigt. Stroll nimmt auch das gelassen: "Ich habe schon in jungen Jahren mit Fitness-Training angefangen. Aber ich denke, nächstes Jahr wird es nochmal härter. Wenn alles klappt, wird das Auto vier oder fünf Sekunden schneller sein, sagt man. Es wird eine physische Herausforderung, aber ich freue mich darauf."