"Es hat nicht gerade wahnsinnig viel Spaß gemacht", kommentiert ein zerknirscht wirkender Ferrari-Pilot Kimi Räikkönen seinen Trainingsfreitag auf der Ardennen-Achterbahn im belgischen Spa-Francorchamps. Nach einem ordenlichen Vormittag habe er in Durchgang zwei nur noch zu kämpfen gehabt, sei geradezu um - oder auch mal neben - den Kurs geeiert.

"Da hatte ich wirklich heftig mit dem Supersoft zu kämpfen. Für die Longruns haben wir ein paar Dinge geändert, aber sie waren auch ein großer Kampf, warum auch immer", rätselt Räikkönen

Ähnlich schildert Sebastian Vettel seine ersten Eindrücke in Spa. "Auf dem Longrun bin ich viel gerutscht und hatte damit zu kämpfen, die Reifen am Leben zu halten", hadert der deutsche Ferrari-Mann. "Und die Runde, die wir auf dem Supersoft hatten, war okay, aber nichts besonderes. Auch Kimi hatte keinen sauberen Run", klagt Vettel. Das alles sei jedoch noch schwer zu bewerten.

Die nackten Zahlen sprechen in Form von Rundenzeiten jedoch eine deutliche und bittere Sprache. Auf dem Papier hat der neue Intimfeind Maranellos - Red Bull - am Trainingsfreitag klar die Hörner vorne gehabt. Während sich Max Verstappen und Daniel Ricciardo in der relevanteren Nachmittagseinheit gleich einmal die Doppelspitze sichen, krebsen Vettel und Räikkönen als Fünfter respektive Siebter mit rund einer Sekunde Rückstand hinter dem neuen Hauptrivalen herum.

Red Bull vs. Ferrari: Bestzeiten-Vergleich im 2. Training in Spa

FahrerPosition im FP2Rundenzeit/Abstand
Verstappen11:48.085 Minuten
Ricciardo20.256
Vettel50.938
Räikkönen71.159

Auch bei den Longruns sieht es kaum besser aus: Gerade auf den wegen des hohen Verschleißes wichtigeren Softs ist der Red Bull ein kleines Eck schneller.

Vettel gibt nicht auf

Mercedes unterdessen hält sich mit Quali-Runs auf der superweichen Mischung bislang noch gänzlich zurück, sollte aber noch ein gutes Stück weiter enteilen können, macht man erst ernst. Für Ferrari geht es also offensichtlich allenfalls darum den kurz vor der Sommerpause an Red Bull verlorenen Status der zweiten Kraft zurückzugewinnen - oder sich in Spa sogar der dort erneut stark auftrumpfenden Force India erwehren zu müssen.

Vettel will davon jedoch nichts wissen. "Das grundsätzliche Ziel für uns ist, in jedem Rennen unser Bestes zu geben. Was auch immer das bedeutet. Ob an dem einem Tag, Red Bull zu schlagen oder an dem anderen, Mercedes - das ist egal", stellt Vettel klar.

Max Verstappen will in Belgien nicht nur in Eau Rouge hoch hinaus, Foto: Sutton
Max Verstappen will in Belgien nicht nur in Eau Rouge hoch hinaus, Foto: Sutton

Verstappen jubelt über starke Performance

Letzere erwartet indessen der Tagesschnellste Max Verstappen als klaren Hauptrivalen. "Ich bin mir sicher, dass sich auch Mercedes zurückmelden wird", sagt der Holländer mit zur Hälfte belgischen Wurzeln vor seinem verkappten Heimrennen. "Auf dem Zeitentableau sahen wir gut aus, aber Mercedes hat noch nicht die Supersofts benutzt und Force India ist recht nah dran", bestätigt Teamkollege Daniel Ricciardo. In jedem Fall scheint bei Red Bull der Fokus also vielmehr auf dem Kampf gegen die Silberpfeile, oder gar Force India zu liegen als auf Ferrari. Bitter für die stolze Scuderia.

Insgesamt fühlt sich indessen Verstappen in seinem Red Bull nämlich ausgesprochen gut. Zunächst sei die Abstimmungsarbeit angesichts der komplexen Strecke in Spa zwar schwierig gewesen, doch einmal gelöst habe er schließlich richtig attackieren können. "Ich musste mich herantasten. Doch sobald die Fahrzeug-Balance stimmte, kamen auch die richtigen Rundenzeiten. Bis jetzt sind wir in einer guten Ausgangslage mit einem starken Auto und können uns ganz sicher sogar noch weiter verbessern", sagt Verstappen voller Zuversicht. Davon geht auch Ricciardo aus.

Räikkönen und Vettel glauben an einen Ferrari-Konter über Nacht, Foto: Sutton
Räikkönen und Vettel glauben an einen Ferrari-Konter über Nacht, Foto: Sutton

Vettel und Räikkönen überzeugt von Ferrari-Konter

Ist für Ferrari also bereits alles verloren im Duell mit Red Bull? Nein, sagen die Piloten unisono. "Es ist echt schwierig mit den Reifen, aber ich bin sicher, dass wir das morgen hinbekommen", sagt Räikkönen. "Ich hatte keine Zeit mir anzusehen, was die anderen gemacht haben. Aber wir sollten mehr oder weniger vorne dabei sein. Ob es aber zum Sieg reichen kann, werden wir erst noch sehen", sagt der Iceman.

Vettel indessen will die Konkurrenz genauer beobachtet und auch dort ähnliche Probleme ausgemacht haben. "Heute war ein schwieriger Tag. Es ist ziemlich warm für Spa-Verhältnisse und ich glaube, dass jeder hier damit gekämpft hat, die Reifen am Leben zu halten. Alle die Autos, die ich gesehen habe, hatten viel zu kämpfen", sagt der Ferrari-Pilot.

Den Zeiten auf dem Tableau indessen misst Vettel keine großartige Bedeutung zu. "Was die Konkurrenzfähigkeit angeht denke ich nicht, dass alle saubere Runs erwischt haben. Also ist das schwierig zu bewerten", sagt Vettel und gibt sich zuversichtlich: "Ich denke, wir werden morgen schneller sein, wir können das Auto verbessern."

Reifen als großes Risiko für Ferrari

Das sei jedoch auch unbedingt nötig. "Es hat sich nicht gerade toll angefühlt da draußen. Es sind echt heikle Bedingungen, besonders auf eine schnelle Runde. Aber jetzt ist es an uns - mir und dem Team - das aufzuarbeiten und zu verbessern. Wir müssen daran arbeiten, denn morgen sollen die Temperaturen genauso sein", mahnt Vettel.

Als Problem könnte sich für Ferrari dabei jedoch die Reifenwahl erweisen. Kein anderes Team hat so viele der Supersofts und so wenige der Mediums im Gepäck wie die Scuderia. Angesichts des hohen Verschleißes ein möglicherweise kapitaler Nachteil gegen Red Bull. Deren Daniel Ricciardo jedenfalls will die Supersofts so schnell es geht loswerden.

"Der Supersoft hat heute wirklich nicht gut gehalten. Wir haben das wegen der Hitze und der sehr langen Runde hier aber erwartet, also wollen wir Sonntag nicht mehr allzu viele von ihnen übrig haben, weil es so heiß bleiben soll", sagt der Australier. Bei Red Bull setzt man also insbesondere auf die härteren Varianten. Doch selbst damit sei eine Einstopp-Strategie kaum möglich. "Wenn wir einen superharten Reifen bekommen würden vielleicht. Aber mit den Reifen, die wir haben, werden es wenigstens zwei Stopps", prognostiziert Ricciardo.