Es ist noch keinen Monat her, dass der Begriff 'Halo' im Formel-1-Paddock in aller Munde war. "Halo" soll kommen, "Halo" soll getestet werden. "Halo" kommt nun doch nicht. Selbst Lewis Hamilton hatte nach den ganzen Diskussionen ein bisschen die Schnauze voll und wollte bei den letzten Rennen vor der Sommerpause nichts mehr zu dem viel diskutierten Thema F1-Kopfschutz sagen.

Dr. Helmut Marko zählt zu den Gegnern des Halo-Systems, dessen Einführung für die Saison 2017 verschoben wurde. Der Grund für Markos ablehnende Haltung ist jedoch keineswegs darin zu suchen, dass das System von der Konkurrenz entwickelt wurde. "Wir sind ja nicht gegen Sicherheit. Aber wir sind gegen ein völlig unausgegorenes Prinzip, das in keiner Weise den absoluten Schutz bringt und das man noch weiterentwickeln muss", sagt Marko im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com.

Der neunmalige GP-Starter erlebte in seiner aktiven Zeit selbst einen Schicksalsschlag. Beim Großen Preis von Frankreich 1972 wirbelte ein vor ihm fahrendes Fahrzeug einen Stein auf, der ihn am Kopf traf. Der Österreicher verlor in Folge dessen sein linkes Auge. Um ein Beispiel für einen unvorhersehbaren Vorfall zu finden, muss Marko jedoch gar nicht soweit zurückgehen: "Der Massa-Unfall 2009 wäre mit der Geschichte [Halo, d. Red.] auch nicht verhindert worden."

Das Halo-Konzept stammt ursprünglich von Ferrari, Foto: Ferrari
Das Halo-Konzept stammt ursprünglich von Ferrari, Foto: Ferrari

Dr. Marko sieht für die kollektiven Lobeshymnen und die um ein Haar erzwungene Einführung des Halo-Konzeptes andere Gründe, als die vermeintlichen Sicherheitsaspekte. "Es ist einfach noch nicht reif für die Anwendung in der Praxis. Erstens muss es eine deutliche Verbesserung sein und zweitens muss es auch alle Eventualitäten eines Unfalls erfassen. Nur, weil sich jemand profilieren und das deshalb unbedingt durchboxen will, sehe ich keinen Grund dafür", so Marko.

Gemeint war damit in erster Linie GPDA-Präsident Alexander Wurz, der zu einem der größten Halo-Befürworter zählt. Er leistete vor allem im Kreise der aktiven Piloten viel Überzeugungsarbeit für eine kurzfristige Einführung des Kopfschutzes und stieß dabei auf viel Gehör.

Fahrer müssen mehr Hinterfragen

Einige aktive Fahrer, wie Sebastian Vettel oder Nico Rosberg, sprachen sich sehr deutlich für die Einführung von Halo aus. Marko ist der Ansicht, dass diese Piloten sich über das Konzept nicht ausreichend Gedanken gemacht haben. Deshalb lieferte er bei seinen Fahrern selbst zusätzliche Denkanstöße: "Wir reden mit ihnen offen darüber. Nehmen wir beispielsweise einen Unfall wie den von Alonso in Australien: Wenn der Fahrer bewusstlos ist und das Auto Feuer fängt, wie kriegt man ihn dort raus? Dazu stellt sich die Frage, ob sich Halo bei so einem Unfall vielleicht auch verformt. Und wenn ja, wird es dann zu einem Käfig?"

Für den 73-jährigen Österreicher ist es wichtig, dass die Fahrer unter dem Druck der Sicherheitsbewegung keine halbausgegorenen Lösungen befürworten. "Wir erklären unseren Fahrern, dass es Blödsinn ist, sich jetzt wieder auf eine Hauruck-Aktion einzulassen, die man möglicherweise gleich wieder rückgängig machen muss", fügte Marko an.

Red Bull testete ebenfalls eine Version des Halos, Foto: Sutton
Red Bull testete ebenfalls eine Version des Halos, Foto: Sutton

System muss auch für andere Rennserien kompatibel sein

Zudem bemängelt Marko, dass die Formel 1 bei der Entwicklung von Halo ausschließlich auf die eigene Rennserie schaute: "Es muss irgendwo auch dem gesamten Formelsport entgegenkommen. Das absurdeste ist doch: Du kannst es nicht nur in der Formel 1 einführen und in den ganzen Nachwuchskategorien, wo auch diese Unfälle passieren, nicht."

Angesichts der Absage für Halo, ist auch Red Bulls Aeroscreen-Konzept wieder im Spiel. Der Aeroscreen wurde von Red Bull in Russland getestet und stieß vor allem angesichts der transparenten Optik auf viel Zuspruch. Für Marko ist aber auch das von seinem Team entwickelte Konzept noch nicht der Weisheit letzter Schluss: "Auch dieses System war bei weitem nicht Optimal. Es war nur ein Ansatz, wie es auch gehen könnte."

Alexander Wurz und Sebastian Vettel zählen zu den größten Unterstützern des Halos, Foto: Sutton
Alexander Wurz und Sebastian Vettel zählen zu den größten Unterstützern des Halos, Foto: Sutton

Aeroscreen noch nicht komplett vom Tisch

Die Einführung eines Cockpitschutzes wurde von der Strategy Group zunächst auf das Jahr 2018 verschoben. Zuvor werden die Konzepte weiteren Tests unterzogen. Für Marko ist in erster Linie wichtig, dass die Beurteilung durch die richtigen Leute stattfindet. "Die FIA hat viel mehr Möglichkeiten, das in alle Richtungen zu Untersuchen. Aber eben nicht einseitig, wie es der Herr Wurz gemacht hat", so Marko.

Ob die Entwicklung von Red Bulls Kopfschutz wieder aufgenommen wird, hängt letztendlich von der weiteren Evaluierung der unterschiedlichen Systeme ab: "Wenn man danach der Meinung sein sollte, dass unsere Richtung die bessere ist, werden wir es weiterentwickeln."