Am Ende stand wieder nur die Zwei. Nico Rosberg musste sich 2015 wie im Jahr zuvor mit dem Vize-Weltmeistertitel zufriedengeben, erneut geschlagen von seinem Teamkollegen Lewis Hamilton. Auch wenn der Deutsche die letzten drei Rennen gewann und damit viel Selbstvertrauen für die nächste Saison tankte, es ändert nichts an der abermaligen teaminternen Niederlage. Dabei waren die Unterschiede zwischen Hamilton und Rosberg auf dem Papier zumeist nicht sonderlich groß, oftmals trennten die beiden Stallgefährten nur wenige, aber entscheidende Hundertstelsekunden.

"Mit Sicherheit ist Lewis in Sachen Siegen einiges vor mir. Wahrscheinlich hat er doppelt so viele wie ich. Was soll ich da sagen? Er hat es eben besser gemacht", gibt sich Rosberg im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com keinen Illusionen hin. "Er fährt sehr gut und ist einer der Besten. Es ist eine große Herausforderung, ihn zu schlagen."

Ähnlich, nur mit vertauschten Rollen, stellte sich die Situation auch zwischen 2010 und 2012 dar, als noch Michael Schumacher Rosbergs Teamkollege bei Mercedes war. Damals hatte Rosberg die Nase in puncto Ergebnissen deutlich vorn, obwohl der tatsächliche Rückstand des Rekordweltmeisters nicht so groß war, wie es auf den ersten Blick erschien. "Michael war in dieser Zeit definitiv nicht so weit weg, wie es die Statistik aussagt", bestätigt Rosberg, fügt aber an: "Damals fuhren wir im Mittelfeld, jetzt haben wir das beste Auto. Also ist es nicht ganz miteinander vergleichbar."

Zwischen Hamilton und Rosberg herrscht immer öfter Eiszeit, Foto: Sutton
Zwischen Hamilton und Rosberg herrscht immer öfter Eiszeit, Foto: Sutton

Eine Sache, auf die sich Hamilton ebenso gut wie Schumacher versteht, ist die psychologische Kriegsführung. Nicht selten erweckte es den Anschein, Hamilton habe Rosberg auf einer anderen Ebene als der sportlichen bezwungen, was sich dann schlussendlich auch in einem Sieg auf der Strecke niederschlug. "Nein, das habe ich nie unterschätzt", widerspricht Rosberg, er hätte den Psycho-Faktor zu sehr auf die leichte Schulter genommen. "Das ist ja auch bei Michael ein Thema gewesen. In dem Bereich hat er sehr gerne agiert."

Feierbiest vs. akribischer Arbeiter

Als Hamilton 2007 in die Formel 1 kam, hatte er mit Fernando Alonso bei McLaren prompt einen Teamkollegen, der die Klaviatur der Psychotricks ebenfalls im Schlaf spielen kann. Für den weiteren Karriereverlauf des Briten womöglich ein entscheidender Vorteil, diese Schule bereits früh gelernt zu haben. "Das ist sehr situationsbezogen", meint Rosberg angesprochen auf den Werdegang seines Teamkollegen. "Bei uns ist es einzigartig mit der Teamführung und allem Drum und Dran. Die Führung des Teams ist sehr entscheidend und auch die Situation, dass wir in unserem WM-Kampf keine wirklichen Konkurrenten hatten. Das kann man also nicht miteinander vergleichen."

Während Hamilton nicht selten die Nacht zum Tag macht und die Bezeichnung Feierbiest sicherlich nicht grundsätzlich falsch ist, gilt Rosberg als akribischer Arbeiter. Dennoch zieht er im direkten Duell regelmäßig den Kürzeren. "Das ärgert mich nicht, weil ich für mich hart arbeite. Was andere machen, schaue ich mir schon an. Das war es dann aber auch schon wieder für mich", nimmt er die Herangehensweise seines Stallgefährten locker hin. "Diesbezüglich habe ich keine Emotionen. Das ist immer so im Leben, jeder hat seine Stärken. Ich möchte versuchen, das Beste für mich daraus zu machen."

Die Gefahr, seine Lockerheit eines Tages zu verlieren, hat der Wiesbadener nicht. "Nein, darüber denke ich gar nicht nach. Ich habe einfach Freude an dem, was ich mache. Aber es ist ein ständiger Prozess, bei dem ich meine Herangehensweise immer wieder hinterfrage", stellt er klar. "Es darf nicht die Norm werden. Viele Menschen machen im Leben den Fehler, etwas zur Norm werden zu lassen. Deshalb muss man sich ständig hinterfragen und anpassen, um zu wachsen."

Hamilton wurde in seinem Debütjahr von Alonso auf eine harte Probe gestellt, Foto: Sutton
Hamilton wurde in seinem Debütjahr von Alonso auf eine harte Probe gestellt, Foto: Sutton

Danner: Es gibt in der F1 kein Fairplay

Für Motorsport-Magazin.com-Experte Christian Danner ist es durchaus schwierig, Rosbergs Saison zu beurteilen. "Lewis war gegen Saisonende einerseits alles vollkommen egal. Er dachte sich: Nächstes Jahr geht eh alles wieder von vorne los. Dann habe ich das schon wieder im Griff. Auf der anderen Seite hoffe ich, dass Nico die Erfolge Selbstbewusstsein geben, das nächste Jahr anders zu beginnen. Er muss Lewis jetzt einschüchtern", meint der ehemalige Formel-1-Pilot.

Verwundert zeigt sich der Deutsche darüber, dass dies nicht so längst geschehen ist. "Es war ja bekannt, dass Lewis sich nicht an Absprachen hält und immer alles zu seinem Vorteil nutzt. Er hat das Psychoduell im WM-Kampf unterschätzt", glaubt Danner. "Einer seiner größten Fehler war, das klassische Fairplay völlig falsch einzuschätzen. Achtung: Dies ist die Formel 1! Hier gibt es kein Fairplay. Da muss er sich an die eigene Nase fassen."

Was 2016 betrifft, hofft Danner, dass Rosberg aus der Vergangenheit die entsprechenden Lehren gezogen hat und sich in jenen Bereichen verbessert, in denen er Probleme hat - und diese sind nicht sportlicher Natur. "Fahrerisch geben sich die beiden nichts. Es ist nicht so, dass Rosberg langsamer fährt als Hamilton. Er ist einfach ein ganz anderer Typ und anders strukturiert. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, denn er ist einfach sauschnell."

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