Die Startaufstellung zum Großen Preis von Belgien glich einem Chaos. Selbst im Pressezentrum konnte kaum jemand die exakte Startreihenfolge. Insgesamt wurden die Piloten um 125 Plätze nach hinten versetzt. Getriebewechsel und neue Power-Unit-Komponenten sorgten für dieses Durcheinander. Doch wie entsteht letztendlich die Startaufstellung? Motorsport-Magazin.com erklärt.

Wichtig für die Startaufstellung ist, wann die einzelnen Strafen ausgesprochen wurden - dazu später mehr. Für jede Entscheidung der Stewards gibt es ein entsprechendes Dokument. Auch Power-Unit-bedingte Strafversetzungen bedürfen einer Absegnung durch die Stewards. Wann die Dokumente ausgestellt werden, entscheidet letztendlich über die Reihenfolge der Strafversetzungen.

Am Freitag gab McLaren bekannt, dass bei Jenson Button und Fernando Alonso zahlreiche neue Power-Unit-Komponenten eingesetzt werden. Um 14:43 erschien das Dokument, nach dem Button 25 Plätze Strafe erhielt, um 14:44 Uhr jenes, das Alonso mit 30 Plätzen belegte. Am Samstag machte Romain Grosjean um 13:33 mit einem Getriebewechsel den Auftakt. Fünf Plätze. Dann wieder Honda: Um 13:40 Uhr waren die nächsten 25 Plätze für Button Gewissheit, um 13:42 25 Plätze für Alonso. Um 13:41 Uhr schob sich Verstappen mit zehn Plätzen dazwischen. Am Rennsonntag erhielt Kimi Räikkönen zu guter Letzt noch fünf Plätze für einen Getriebewechsel.

Strafen nacheinander abhandeln

Jetzt wird es spannend: Die große Umbauaktion startet mit Strafe Nummer 1: 25 Plätze für Button. Der Brite wird in der virtuellen Startaufstellung um genau diese Anzahl an Plätze zurückgesetzt. Aus Startplatz 17 wird somit 42. Wichtig: Die drei eigentlich hinter Button startenden Piloten rücken nicht auf.

Die Startaufstellung wird virtuell über P20 hinaus erweitert, Foto: Motorsport-Magazin.com
Die Startaufstellung wird virtuell über P20 hinaus erweitert, Foto: Motorsport-Magazin.com

Schritt zwei: Die Startaufstellung - mit Lücke auf Startplatz 17 - wird weiter umgebaut. Alonsos 30 Plätze werden zur 18. Startposition hinzuaddiert. Ergibt Startplatz 48 für den Spanier. Die Plätze 17 und 18 sind in der virtuellen Startaufstellung nun leer.

Schritt drei: Grosjean bekommt fünf Plätze auf seinen eigentlichen vierten Startplatz. Der vierte Platz bleibt frei, den neunten Platz teilt sich der Franzose nun mit Sebastian Vettel. Wichtig: Grosjeans Name steht hinter jenem von Vettel.

Die Startaufstellung bislang: Lücke auf P4 (Grosjean +5) - zwei Fahrer auf P9 (Vettel, Grosjean) - Lücken auf P 17 und P18 (Button + 25, Alonso +30) - Button auf P42, Alonso auf P48

Schritt vier: Button bekommt weitere 25 Plätze. Somit wird aus Startplatz 42 Position 68.

Schritt fünf: Max Verstappen bekommt auf seinen 15. Startplatz zehn Ränge hinzugerechnet. Der Niederländer rutscht auf Rang 25 zurück. Sein eigener Startplatz bleibt leer.

Schritt sechs: Alonsos Strafenrekord kommt zustande. Statt Startplatz 48 wird es Startplatz 73. Das wäre in Distanz ausgedrückt wohl knapp hinter der deutsch-belgischen Grenze.

Schritt sieben: Die letzte Strafe erhält Kimi Räikkönen. Statt Startplatz 14 ergibt sich somit die 19. Startposition. Auf der steht eigentlich Will Stevens. Der Brite rückt aber noch nicht vor, sondern teilt sich P19 mit Kimi Räikkönen, wird aber nominell vor dem Iceman geführt.

Die Startaufstellung bislang: Lücke auf P4 (Grosjean) - zwei Fahrer auf P9 (Vettel, Grosjean) - Lücken auf P14 (Räikkönen), P15 (Verstappen) P17 (Button) und P18 (Alonso) - zwei Fahrer auf P19 (Stevens, Räikkönen) - Verstappen auf P25 - Button auf P67 - Alonso auf P73.

Startplatzstrafen werden nicht mehr mitgenommen

Hier kommt die letzte Regeländerung ins Spiel: Tatsächlich gibt es nur 20 Startpositionen. Fernando Alonso konnte somit also 53 Plätze nicht absitzen. Im vergangenen Jahr hätte er diese 53 Plätze mit zum nächsten Rennen genommen. Beim nächsten Rennen dann - egal wie viel er davon absetzten konnte - vergisst das Regelbuch und die Strafe gilt als abgesessen.

Diese Regel wurde zu Saisonbeginn abgeschafft. Strafen wurden nicht mehr zum nächsten Rennen mitgenommen, sondern in das aktuelle Rennen mit hinein. Wurden bis zu fünf Plätze nicht abgesessen, gab es eine 5-Sekunden-Pitstop-Strafe. Zwischen sechs und zehn Plätzen die gleiche Strafe nur mit fünf Sekunden mehr Standzeit. Zwischen 11 und 20 nicht abgesessenen Plätzen musste der Pilot einmal durch die Boxengasse fahren und bei mehr als 20 nicht angetretenen Strafplätzen gab es eine Stop-and-Go-Strafe.

Ganz schön kompliziert. Und blöd, wenn ein Fahrer vom letzten Platz starten und zusätzlich in den ersten Runden noch eine Drive-trough-Penalty absitzen muss. Deshalb greift seit Spa eine Strafen-Amnesie.

Erst am Ende werden Lücken gefüllt

Erst nach der letzten Strafversetzung wird die Startaufstellung aufgefüllt, es dürfen keine Lücken bleiben. Die Piloten rutschen von hinten nach vorne, bis die Lücken gefüllt sind. Sitzen zwei Fahrer auf einem Startplatz, rück der erstgenannte Fahrer einen Platz weiter nach vorne.

Im konkreten Fall: Platz vier steht leer. Perez rutscht von P5 auf P4, Ricciardo von P6 auf P5, Massa von P7 auf P6, Maldonado von P8 auf P7 und - Achtung! - Vettel von P9 auf P8. Grosjean bleibt auf P9. Die nächste Lücke ist P14 und P15. Nasr rückt von P16 auf P14 nach vorne. Ergibt sich eine Lücke von P15 bis P18. Zuerst rückt Stevens von P19 auf P15, dann Räikkönen von P19 auf P16. Merhi rutscht von P20 auf P17 nach vorne.

Hier zeigt sich, warum es wichtig ist, die Strafen in der richtigen Reihenfolge anzuwenden und die Lücken erst am Ende zu füllen: Wären die Lücken zuvor gefüllt worden, hätte Räikkönen die ganzen fünf Plätze absitzen müssen. Tatsächlich ergab in diesem Fall 14 + 5 aber 16. Verrückte Formel 1.

Das Gesamtwerk - Auf das Bild klicken, um es zu vergrößern, Foto: Motorsport-Magazin.com
Das Gesamtwerk - Auf das Bild klicken, um es zu vergrößern, Foto: Motorsport-Magazin.com

Die großen Profiteure der Strafen-Amnesie sind nun Verstappen, Button und Alonso. Verstappen rückt von Startplatz 25 auf 18 nach vorne, Button von 67 auf 19 und Alonso sogar von 73 auf 20. Im vergangenen Jahr hätte Alonso 53 Startplätze mit nach Monza genommen, mit den Regeln vor der Sommerpause hätte er zu Rennbeginn eine Durchfahrtsstrafe absitzen müssen.

Aktuell passiert nichts. Wenn es ohnehin nicht mehr schlimmer als ein Startplatz am Ende werden kann, werden in Zukunft wohl weiter munter Motoren gewechselt. Somit können neue Power-Unit-Komponenten in den Umlauf gebracht werden. Statt beim nächsten Rennen eine weitere Strafe zu kassieren, können Strafen an einem Wochenende gesammelt werden.