Knapp sechs Jahre nach dem unvermittelten Toyota-Ausstieg aus der Formel 1sind beide Seiten nicht ganz glücklich: Toyota hat zwar die Langstrecken-Weltmeisterschaft 2014 gewinnen können, aber den prestigeträchtigen Le-Mans-Sieg immer wieder verfehlt, die Formel 1 steckt in einer Identitäts- und Finanzkrise. Pascal Vasselon, der als Technischer Direktor der Toyota Motorsport GmbH für die über 1000 PS starken Le-Mans-Prototypen verantwortlich ist, glaubt einen wichtigen Grund zu kennen: Die Fahrer seien nicht mehr begeistert genug von den Autos. Der fehlende Enthusiasmus schlage sich dann auf die Fans durch.

"Ich denke, das mangelnde Interesse an der Formel 1 rührt hauptsächlich aus mangelnder ‚Liebe‘ der Fahrer selbst her", sagt der Franzose gegenüber Motorsport.com. "Das fehlende Interesse der Fahrer verstärkt das fehlende Interesse der Fans." Er selbst könne das daran nachvollziehen, dass frühere Formel-1-Piloten sich von seinen LMP1-Fahrzeugen angetan zeigen: "Sie kommen in den Langstreckensport und sagen: ‚Wow, diese Autos sind großartig. Man kann mit ihnen von Anfang bis Ende ans Limit gehen.‘ Es ist das genaue Gegenteil von dem, was sie in der Formel 1 tun müssen."

Speziell die empfindlichen Pirelli-Reifen geben immer wieder Anlass zur Kritik. "Es trifft mich wie ein Schlag, dass die Formel-1-Fahrer und ihre Endurance-Kollegen nicht dieselben Spaß-Gefühle zeigen. Deshalb habe ich dieses Gefühl, dass das rückläufige Interesse an der Formel 1 auf die Kommentare der Fahrer zurückzuführen ist." In der WEC hingegen schlage sich die Begeisterung der Piloten direkt auf die Stimmung der Fans nieder.

Brutal, schnell, teuer: Toyota formte die maßlose Ära der Formel 1 aktiv mit, Foto: Sutton
Brutal, schnell, teuer: Toyota formte die maßlose Ära der Formel 1 aktiv mit, Foto: Sutton

Neues Reglement kann Situation bereinigen

Doch es ist nicht alles schlecht, es gibt mit den beabsichtigten Neureglungen für 2017 Hoffnung. "Wenn diese neuen Regeln den Fahrern den Spaß zurückbringen, wird sich das in ihren Äußerungen niederschlagen und das Ruder herumreißen." Der 52-Jährige, der einst die technischen Fäden im Toyota-F1-Team gezogen hat, ist ein wenig amüsiert über den Paradigmenwechsel in der Formel 1: "Diese neuen Regeln sollen das genaue Gegenteil von dem bewirken, was diejenigen wollten, die in den 2000er-Jahren die Formel 1 regiert haben [u.a. Max Mosley]. Damals war das Ziel, die Autos langsamer zu machen und das Überholen zu erleichtern."

Von Fahrern und Fans geliebt: Der über 1000 PS starke Toyota TS040 Hybrid, Foto: Toyota
Von Fahrern und Fans geliebt: Der über 1000 PS starke Toyota TS040 Hybrid, Foto: Toyota

Jetzt hingegen geht es darum, die Autos wieder schneller zu machen. "Ich kenne die Details nicht vollständig, aber wir reden über große Evolutionen in der Aerodynamik und bei den Reifen. Die Rundenzeiten würden massiv sinken, so viel ist klar", frohlockt Vasselon. Bislang gibt es Absichtserklärungen, die unästhetischen Heckflügel wieder auf das Maß von 2008 zu bringen und in der Breite wieder auf die Maße von 1997 zurückzukehren. Konkret festgezurrt wird das Reglement erst von der Formel-1-Kommission und dem World Motor Sport Council.

Toyota steht sinnbildlich für die maßloseste Zeit der Formel 1 in den 2000er-Jahren, als sechs Werksteams mit allen Mitteln um die Vorherrschaft stritten. Den Japanern wurde das höchste Jahresbudget aller Zeiten nachgesagt mit Zahlen zwischen 400 Millionen und einer halben Milliarde Euro. 2009 zog die Zentrale in Japan wegen anhaltender Erfolglosigkeit und der weltweiten Finanzkrise den Stecker. Das Formel-1-Auto des Jahres 2010, das nie ein Rennen gefahren ist, hätte Experten zufolge die Weltmeisterschaft gewinnen können.