Am 11. September 2015 wird es 60 Jahre her sein, dass Mercedes-Benz seinen letzten Formel 1 Grand Prix vor seiner beinahe 40-jährigen Auszeit absolviert hat.

Besagtes Rennen ist der Große Preis von Italien 1955 in Monza. Dieser sollte ein würdiges Ende für eine Ära darstellen, die für die Silberpfeile ebenso erfolgreich wie kurz war. Die Pole Position und der Sieg gingen an den designierten dreifachen Weltmeister Juan-Manuel Fangio. Piero Taruffi komplettierte den Doppelsieg der Silberpfeile, während der 26-jährige Stirling Moss vor seinem Ausfall in Runde sieben noch die schnellste Rennrunde erzielte.

Hamilton und Moss Seite an Seite., Foto: Mercedes-Benz
Hamilton und Moss Seite an Seite., Foto: Mercedes-Benz

Mercedes-Benz Classic brachte Moss in diesem Jahr wieder mit der Maschine zusammen, die der britischen Legende in ihren eigenen Worten ihr "größtes" Jahr bescherte. Und all das zum 60-jährigen Jubiläum von Sir Stirlings ewiger Bestzeit bei der Mille Miglia - einer unglaublichen Zeit von zehn Stunden, sieben Minuten und 48 Sekunden sowie einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 157,65 km/h auf der 1.000 Meilen langen Strecke.

An einem frischen, strahlenden Morgen Ende April wartet der legendäre 300 SLR '722', der Moss zu diesem historischen Mille Miglia Triumph trug, auf dem nicht minder legendären Autodromo Nazionale Monza. Daneben parken die alles beherrschenden Grand Prix-Silberpfeile vom Typ W 196 R und W 196 Stromlinie.

Hamilton bleibt wie immer cool, Foto: Mercedes-Benz
Hamilton bleibt wie immer cool, Foto: Mercedes-Benz

Am Steuer des Stromlinienfahrzeugs lässt der 85-jährige Moss die verstrichenen Jahre in seinem klassischen, hellblauen Rennoverall vergessen wirken. Im Cockpit des Monoposto-Boliden nimmt derweil der zweimalige Formel 1-Weltmeister Lewis Hamilton Platz, der damit das Silberpfeil-Allstar-Team komplettiert. Gemeinsam nehmen sie die legendäre Steilkurve von Monza unter die Räder.

Moss wie in alten Zeiten, Foto: Mercedes-Benz
Moss wie in alten Zeiten, Foto: Mercedes-Benz

Der Blick zurück auf dieses denkwürdige Jahr erweckt in Moss schöne Erinnerungen: "1955 war für mich das größte Jahr von allen", sagt er. "Die Mille Miglia war mein bestes Rennen. 1.000 Meilen auf italienischen Straßen, die nicht geschlossen waren. Überall waren Lastwagen, Krankenwagen, Menschen, die sich bewegten, um die bestmögliche Sicht zu haben. Aber der 300 SLR war in meinen Augen das beste Rennauto aller Zeiten - das war der entscheidende Faktor.

Für mich war es etwas ganz Besonderes, in der Zeit für Mercedes-Benz zu fahren, als sie in jeder Hinsicht weit über allen anderen gestanden haben. Sie waren das Team, für das du unbedingt fahren wolltest. Es war eine aufregende Zeit, um Rennen zu fahren. Die Strecken waren gefährlich - einige natürlich mehr als andere. Wenn du in ein Rennen gestartet bist, warst du dir der beträchtlichen Gefahren bewusst. Aber du musstest dich selbst in die Position bringen, in der du in dieser Kurve kaum gelupft hast oder eine andere mit Vollgas durchfahren hast. Zu den Teams und Fahrern von heute möchte ich sagen: "Denkt nicht nur über Wettkampf nach, setzt ihn auch um." Racing verbessert die Menschen und ich glaube, dass ganz besonders für Mercedes sehr viele Dinge durch den Rennsport besser geworden sind. Das damit verbundene Charisma ist gewaltig. Rauszugehen, der Beste zu sein und das zu zeigen, ist sehr wichtig für die Marke."

Hamilton im legendären Silberpfeil, Foto: Mercedes-Benz
Hamilton im legendären Silberpfeil, Foto: Mercedes-Benz

Ein magische Erlebnis

Für Lewis ist es ein ebenso bewegendes Erlebnis, am Steuer eines klassischen Silberpfeils Platz nehmen zu dürfen: "Es war einfach nur magisch, mit diesem unglaublichen Auto und Sir Stirling direkt neben mir durch die alte Steilkurve zu fahren", sagt er begeistert. "Ich rief zu ihm rüber: "Stirling! Das ist der absolute Wahnsinn!!" Aber er war so konzentriert, ich glaube nicht, dass er mich gehört hat! Wenn die Spitzenleistung bei rund 4.500 Umdrehungen/Min. eintritt, bekommt man einen großen Schub. Es ist ein absolut fantastischer Motor. Auch das Getriebe ist super leichtgängig. Der alte Streckenabschnitt ist aber sehr holprig und du musst in diesen alten Fahrzeugen sehr präzise lenken, um sie zu korrigieren, während sie sich hin und her bewegen. Es muss eine echte Herausforderung gewesen sein, mit vollem Speed so eng gegeneinander zu fahren.

Die Leute versuchen ständig, die heutigen Fahrer mit Jungs wie Stirling zu vergleichen, aber das ist absolut unmöglich. Was wir heute machen, ist etwas ganz Anderes. Mit all den Elektroniksystemen und so weiter. Damals waren es einfach rohe Maschinen und unverfälschte Fahrer mit Nerven aus Stahl. Sie waren richtige Supermänner! Es muss einen enormen Angstfaktor gegeben haben - aufregend, aber ebenso furchteinflößend. Dein Herz schlug ständig im Drehzahlbegrenzer. In dieser Zeit starteten sie bei jedem Rennen in dem Wissen, dass eine gute Chance bestand, nicht lebendig zurückzukommen. Nachdem ich dieses Auto gefahren bin, habe ich nur einen kleinen Eindruck davon erhalten, wie das gewesen sein muss. Ich denke, dass ich innerlich vielleicht verrückt genug gewesen wäre, um gegen diese Jungs zu fahren. Sie besaßen riesigen Mut, um das zu tun, was sie getan haben. Ich denke gerne, dass mich dies, seit ich ein Kind war, als Fahrer abgehoben hat."

Gute Laune beim
Generationentreffen, Foto: Mercedes-Benz
Gute Laune beim Generationentreffen, Foto: Mercedes-Benz

Fachsimpeln unter Legenden

Die beiden Stars der Vergangenheit und Gegenwart zeigen gegenseitiges Interesse an den jeweiligen Herausforderungen der verschiedenen Motorsport-Ären. Gemeinsam erinnern sie sich daran, was es benötigt, um einen Grand Prix-Siegerwagen zu zähmen: "Das modernste Auto, das ich je gefahren bin, war ungefähr 1995 ein Tyrell in Japan", sagt Moss. "Ich fuhr nur damit herum, um zu sehen, wie es war. Aber es verschlug mir absolut den Atem, als ich das Gaspedal durchtrat. Es gab keinerlei Wheelspin. Ist die Kraftübertragung in deinem Auto nahtlos?"

"Das muss an den großen Reifen gelegen haben - wir haben viel Wheelspin!", erwidert Hamilton. "Du kannst das Pedal nicht einfach durchtreten. Du musst sehr sanft sein. Denn es gibt viel Drehmoment. Normalerweise ist die Leistungsabgabe bei einem Turbo nicht so geschmeidig, aber wir haben das Hybrid-System, das die Lücke schließt. Dadurch gibt es überhaupt kein Turboloch. Der Mercedes-Motor besitzt eine sehr gute Fahrbarkeit. Es ist schwierig zu sagen, ob mein Stil zu den damaligen Autos gepasst hätte. Denn ich weiß nicht wirklich, wonach sie verlangt haben - ob du mit ihnen sanft oder aggressiv umgehen musstest. Es heißt oft, dass ich eher Letzteres sei und ich mag übersteuernde Autos. Wie war es damals?"

Hamilton in der Steilkurve, Foto: Mercedes-Benz
Hamilton in der Steilkurve, Foto: Mercedes-Benz

"Persönlich mag ich eine Fahrzeugabstimmung, die eher übersteuert", verrät Moss. "Ich glaube, wenn man damit umgehen kann, ist es definitiv schneller als Untersteuern. Denn dann fährt man einfach nur geradeaus. Wir hatten keine Möglichkeiten, um das Auto während des Rennens zu verändern. Man hat es im Training abgestimmt und musste es dann so belassen. Mein Stil war recht ähnlich zu dem von Fangio. Ich folgte ihm sehr nah. Wann immer er auf die Strecke ging, folgte ich ihm und das schien zu funktionieren! Ich hätte es sicherlich geändert, wenn ich geglaubt hätte, dass es eine bessere Art und Weise gegeben hätte. Aber in dieser Ära musste man eben ein wenig dumm sein und einfach das Gaspedal durchtreten!"