Nach drei Testfahrten trifft sich der Formel-1-Tross zum mittlerweile traditionellen Saisonauftakt in Australien. Seit 1985 dreht die Königsklasse in Down Under ihre Runden, zunächst in Adelaide und seit 1996 im Albert Park von Melbourne. Rekordsieger des Australien GP ist Michael Schumacher mit vier Triumphen, im vergangenen Jahr siegte Nico Rosberg nach frühem Ausfall Lewis Hamiltons quasi im Spaziergang.

Die 5,303 Kilometer lange Strecke besteht zum Teil aus öffentlichen Straßen, weshalb ihr Verlauf über die Jahre kaum verändert oder angepasst wurde. Der Kurs führt rund um den Albert Park See und ist mit 16 Kurven ausgestattet. Für einen Stadtkurs weist die Strecke einen ausgesprochen hohen Vollgasanteil von rund 65 Prozent auf, weswegen die Fahrer den verstellbaren Heckflügel in zwei DRS-Zonen betätigen können. Die erste befindet sich auf der Start-und-Ziel-Gerade, die zweite schließt nach einer Schikane fast unmittelbar daran an.

Der Saisonauftakt in Melbourne zählt unbestritten als Klassiker, Foto: Sutton
Der Saisonauftakt in Melbourne zählt unbestritten als Klassiker, Foto: Sutton

Hoher Anspruch an die Power Unit

Die Freude auf den Saisonstart ist riesig: Endlich geht es wieder los, mit dem Albert Park wartet zudem ein wahrer Leckerbissen auf die Piloten. Nachdem das Debüt der Power Unit in Australien im Vorjahr entgegen weitläufiger Befürchtungen doch nicht in einem Motoren-Massaker endete, scheint in diesem Jahr bis auf Formel-1-Rückkehrer Honda kein Team vor ernsthaften Problemen mit dem Antrieb zu stehen. Obwohl der Stadtkurs die Power Units hart beansprucht, sollte im zweiten Jahr der neuen Turbo-Ära wahrlich nicht mit zahlreichen Ausfällen gerechnet werden.

Auch der überdurchschnittlich hohe Benzinverbrauch in Melbourne sollte den Teams kein Kopfzerbrechen mehr bereiten. Zu ausgefeilt ist die neue Technik nach nur einem Jahr, das Leistungsniveau durch die Bank der Hersteller hinweg exorbitant gestiegen.

Probleme könnte es vor allem in Richtung Renn dann jedoch mit dem Reifenverschleiß geben: "Der Grip verändert sich im Laufe des Wochenendes massiv. Zu Beginn haben die Autos auf der noch schmutzigen Strecke mit viel Untersteuern zu kämpfen. Gegen Ende des Wochenendes wird dann der Abbau der Hinterreifen zum limitierenden Faktor", verrät Williams-Performancechef Rob Smedley. Bei kühleren Temperaturen erwarte die Piloten zudem Graining auf den Vorderreifen.

Die Strecke in Melbourne umschließt den malerischen Albert Park See, Foto: Sutton
Die Strecke in Melbourne umschließt den malerischen Albert Park See, Foto: Sutton

MGU-K muss keinen Hunger leiden

Renault-Motorenchef Remi Taffin schildert kurz und knapp, worauf sich die Teams in Melbourne einzustellen haben: "Mit den V8-Motoren war der Benzinverbrauch in Melbourne am zweithöchsten und es sieht so aus, als wäre das bei den V6-Aggregaten genauso."Der Albert Park besteht hauptsächlich aus langsamen und mittelschnellen Kurven, lange Geraden gibt es quasi nicht. Das führt dazu, dass die Boliden immer wieder aus recht niedrigen Geschwindigkeiten beschleunigen müssen - was nicht nur extrem viel Benzin kostet.

Die vielen und schnellen Wechsel zwischen Beschleunigungs- und Bremsphase bringen aber auch einen entscheidenden Vorteil: Viel kinetische Energie kann beim Bremsen wieder zurückgewonnen werden. Das Brake-by-wire-System wird somit bereits beim Saisonauftakt extrem beansprucht und könnte eine entscheidende Rolle im Rennverlauf spielen. Die exakte Justierung ist besonders wichtig, da die Strecke an den meisten Stellen keine Fehler verzeiht.

Bremsen gefordert

Das Vertrauen in die Bremse ist in Melbourne besonders wichtig. 15 Prozent der gesamten Rundenzeit verbringen die Fahrer auf dem Bremspedal, für die Bremsenhersteller zählt der Albert Park zu den schwierigsten Rennen im Jahr. Am Ende der Start- und Zielgeraden befindet sich der härteste Bremspunkt, von rund 304 wird auf 135 Stundenkilometer verzögert. Ein überbremsendes Heck könnte leicht zum Einschlag in die Streckenbegrenzung führend, die Mauern sind wie bei Stadtkursen üblich direkt an der Fahrbahn.

Überholen ist in Down Under nicht gerade einfach. Nico Rosberg erklärt, wie man sich den Gegner am besten zurechtlegt: "In Turn 1 setzt man den Vordermann unter Druck, in Turn 3 greift man dann an. Davon abgesehen ist auch Kurve 12 im hinteren Streckenteil eine Schlüsselstelle."

Vor Kurve 1 oder Kurve 3 gibt es in Melbourne die besten Chancen auf ein Überholmanöver, Foto: Sutton
Vor Kurve 1 oder Kurve 3 gibt es in Melbourne die besten Chancen auf ein Überholmanöver, Foto: Sutton

Albert Park kann auch anders

Eine Besonderheit im Albert Park sind die zahlreichen, zumeist bunt gestalteten Kiesbetten. Da es aufgrund des eng bemessenen Raumes kaum asphaltierte Auslaufflächen gibt, gilt es höchste Vorsicht walten zu lassen, um das Rennen nicht vorzeitig zu beenden. Gerade am Freitag bietet die Strecke wegen der seltenen Nutzung äußerst wenig Grip und sollte es regnen - was zwar selten vorkommt, jedoch möglich scheint - können auch die zahlreichen Straßenmarkierungen für eine Rutschpartie sorgen.

2008 musste Timo Glock dran glauben, Foto: GEPA
2008 musste Timo Glock dran glauben, Foto: GEPA

Ein weiterer potenzieller Gefahrenherd sind die zahlreichen Bodenwellen, weshalb eine saubere Rennlinie unabdingbar ist. Timo Glock kam etwa 2008 ein wenig zu weit von der Ideallinie ab, sodass sein Toyota prompt ausgehebelt wurde und spektakulär abflog. "Die Strecke an sich ist für die Fahrer sehr herausfordernd. Es gibt viele Unebenheiten und man muss wissen, wie damit umzugehen", bestätige Nico Hülkenberg.

Anders als im Vorjahr spielen die Sichtverhältnisse bei absinkender Sonne am Nachmittag in diesem nicht mehr die ganz große Rolle. Aus Sicherheitsgründen wurde der Rennstart um eine Stunde nach vorne verlegt (2014: 07:00 Uhr, 2015 06:00 Uhr).

Anforderungen an die Technik

Von 1 (niedrig) bis 5 (hoch)

Verbrennungsmotor 4
MGU-K 3
MGU-H 3
Batterie 3
Benzinverbrauch 5
Energierückgewinnung 4
Bremsen 4