Maranello: Ein kleines Städtchen in der Emilia-Romagna mit rund 17.000 Einwohnern. Wer schon einmal dort war, der weiß, dass es außer Ferrari dort nichts gibt. Ferrari-Werk, das 'Galleria Ferrari' genannte Museum, nicht wenige Fanshops, eine Handvoll guter Eisdielen und natürlich die Kirche, in der die Glocken läuten, wenn die Scuderia gewinnt. Doch in letzter Zeit ist das Glockenläuten rar geworden.

Die Uhr tickt ohne Erbarmen weiter. Am 12.05.2013 gewann Ferrari zuletzt den Großen Preis von Spanien. 396 Tage ist das nun her. Seitdem gewannen nur noch Red Bull und Mercedes. Danach, dass sich in absehbarer Zeit etwas daran ändern könnte sieht es nicht aus. In Kanada hinkte Fernando Alonso auf Platz sechs ins Ziel, Kimi Räikkönen holte sich das letzte Pünktchen. Wohlgemerkt hatte Lewis Hamilton einen technischen Defekt, Felipe Massa und Sergio Perez torpedierten sich gegenseitig aus dem Rennen.

Das Geld und die richtigen Werkzeuge hat Ferrari, Foto: Sutton
Das Geld und die richtigen Werkzeuge hat Ferrari, Foto: Sutton

Die Alarmglocken in Maranello, der Ferrari-City, schrillen längst. Mit Marco Mattiacci ist nun ein Teamchef am Ruder, der frischen Wind bringen soll. Seine Hauptaufgabe: Die Mythosmarke neu strukturieren, sie wieder zu einem funktionierenden Rennteam umformen, in dem die Arbeitsabläufe effizienter und die Kommunikationswegen kürzer sind.

Nicht umsonst fiel die Wahl von Präsident Luca di Montezemolo auf Mattiacci. Mattiacci ist zwar Italiener, ist aber in der ganzen Welt zu Hause. China, Finnland, Nordamerika - in den letzten Jahren wohl eher seine Heimat als das beschauliche Maranello.

Ferrari soll ins Formel-1-Valley

Fast verzweifelt versucht Ferrari wieder an Erfolge alter Tage anzuknüpfen. Doch Jahr um Jahr misslingt das, in dieser Saison deutlicher als zuletzt. Flavio Briatore, selbst Italiener, ist der Meinung, dass es ein Problem des Standorts ist. "Meiner Meinung nach muss Ferrari einen Stützpunkt in Großbritannien haben, wo all die Formel-1-Technologie konzentriert ist", so der 64-Jährige bei einem italienischen Radiosender.

Von elf Teams in der Königsklasse des Motorsports sind acht im Formel-1-Valley in England beheimatet. Ferrari und Toro Rosso arbeiten aus Italien, Sauber aus der Schweiz. Die meisten Teams sind unweit von Silverstone beheimatet. Entsprechend hat sich dort eine auf die Formel 1 zugerichtete Industrie angesiedelt.

"Ferrari bezahlt für seinen Standort - Maranello ist definitiv nicht der Mittelpunkt der Formel-1-Welt - das ist England", legt Briatore nach. Briatore selbst war Teamchef bei Benetton und später Renault. Beheimatet ist der heutige Lotus-Rennstall in Enstone, Briatore weiß also, wovon er spricht.

Auch Mercedes-Mann Cowell sagt Ferrari ab

Aber nicht nur Zulieferer sind das Problem. "Es ist schwierig in Maranello britische Ingenieure abzuwerben", erklärt Briatore. In der Tat gilt der Standort Italien als einer der Gründe, wieso sich Adrian Newey nie auf Ferrari einließ. Wie Autosprint berichtet, soll auch Mercedes Motorenchef Andy Cowell der Scuderia deshalb einen Korb gegeben haben.

Brawn folgte Schumacher auf seinen Stationen, Foto: Sutton
Brawn folgte Schumacher auf seinen Stationen, Foto: Sutton

Als Michael Schumacher 1996 von Benetton zu Ferrari wechselte, gelang es ihm, auch einige Top-Ingenieure mit ins Boot zu holen. Ein Jahr später kamen Ross Brawn als Technischer Direktor und der Südafrikaner Rory Byrne als genialer Konstrukteur nach. Vielleicht brauch Ferrari ein ähnliches Zugpferd wie damals Schumacher, der zuvor zwei Weltmeistertitel mit Benetton gewonnen hatte.

Ein neues Formel-1-Zentrum entsteht in Maranello, Foto: Ferrari
Ein neues Formel-1-Zentrum entsteht in Maranello, Foto: Ferrari

Dass die Umstrukturierungen, die Mattiacci nun durchführt etwas Zeit brauchen bis sie greifen, das ist ihm bewusst. Es geht nicht nur um den kurzfristigen Erfolg mit ein paar Updates, auch langfristig soll Ferrari gut aufgestellt sein. "Ferrari ist in einer tiefen Krise und hat die Chance verloren, sich zu erholen", sagte Briatore nach dem katastrophalen Kanada GP.

Dass in Maranello die falschen Leute am Ruder sitzen, das glaubt der 65-Jährige aber nicht. "Nein, es ist eher eine Sache der Organisation. Wir wissen genau, wer darin am besten ist und es ist schwierig, diese Leute nach Italien zu bekommen." Seine Lehre: Wenn die Ingenieure nicht nach Italien kommen, dann muss Italien eben zu den Ingenieuren kommen.

Doch ob die Scuderia jemals einen ernsthaften Gedanken daran verschwenden wird, darf zumindest bezweifelt werden. Ferrari baut gerade ein neues Gebäude für die Formel-1-Abteilung in Maranello. Und der Pfarrer von Milton Brackley würde wohl nicht die Glocken bei einem Ferrari-Sieg läuten.