Die ersten Formel-1-Tests der neuen Turbo-Ära sind Geschichte. In Jerez de la Fontera zeigte sich bereits, dass der Wechsel im Technischen Reglement bestehende Hierarchien innerhalb des Feldes komplett auf den Kopf stellen könnte. Waren vor allem in der zweiten Saisonhälfte 2013 die Renault-befeuerten Teams Red Bull und Lotus meist eine Nummer zu groß für die Konkurrenz, kristallisierte sich für das neue Jahr bisher das Mercedes-Aggregat als stärkstes und zuverlässigstes heraus.

Als Sieger des ersten Schlagabtauschs dürfen sich durchaus 'Mutter' Mercedes sowie Motorkunde McLaren sehen. Mercedes schaffte als einziges Team eine komplette Rennsimulation, spulte mit insgesamt 218 Umläufen die meisten Runden ab und war auch zeitenmäßig in der Spitze vertreten. McLaren gelang in Person von Rookie Kevin Magnussen mit der schnellsten Runde von 1:23.276 Minuten die absolute Bestzeit der Testwoche. Mit 205 Umläufen an lediglich drei Testtagen präsentierte sich der britische Traditionsrennstall jedoch auch in Sachen Ausdauer als äußerst stark.

Noch herrscht bei beiden Teams lediglich eine positive Aufbruchsstimmung, zumal Jenson Button von allen vier Mercedes-Teams zu diesem Stadium der Saison forderte, Wissen und Problemlösungsansätze rund um die neuen Power Units zum gegenseitigen Vorteil miteinander zu teilen. Sollte es für beide Teams jedoch nicht nur bei dieser beeindruckenden Frühform bleiben, könnte am noch fernen Horizont ein äußerst brisanter Titelkampf zwischen Hersteller und Kunde winken.

"Es wäre für uns alles andere als ideal, sollte sich McLaren für uns als ernsthafter Konkurrent im Titelkampf herauskristallisieren", konstatierte Mercedes Teamchef Toto Wolff gegenüber Autosport. Für den Moment schlägt sich der Österreicher zwar hinter Button und fordert McLaren, Williams und Force India zur intensiven Zusammenarbeit auf, um die Power Unit schnell und vor allem zuverlässig zu machen. Jedoch könnte sich die Situation vor allem zwischen den beiden Schwergewichten der Motorsport-Königsklasse schnell ändern.

Mercedes und McLaren (hier Niki Lauda und Martin Whitmarsh) arbeiten 2014 bereits das 20. Jahr zusammen, Foto: Sutton
Mercedes und McLaren (hier Niki Lauda und Martin Whitmarsh) arbeiten 2014 bereits das 20. Jahr zusammen, Foto: Sutton

"Unser Verhältnis und die Art und Weise der Zusammenarbeit würde sich im Falle einer gesteigerten Konkurrenzsituation definitiv verändern", führte Wolff weiter aus. So würde Mercedes McLaren nur noch das Nötigste an Informationen und technischem Wissen über die Power Unit vermitteln, die entscheidenden Komponenten und Weiterentwicklungen würden vor McLaren jedoch geheim gehalten werden.

Auch aufgrund des Wechsels der Chrompfeile zu Konkurrent Honda ab der kommenden Saison versuche das Team mit dem Stern bereits zum jetzigen Zeitpunkt, so wenig tiefgehende technische Insider-Information wie möglich hinsichtlich der Mercedes Power Unit an McLaren weiterzugeben. Mercedes-Motorenchef Andy Cowell kündigte schon zu Jahresbeginn 2013 an: "2006 arbeiteten wir gemeinsam mit McLaren am damals neuen V8-Motor, jetzt arbeiten wir mit dem Team von Bob Bell in Brackley zusammen, um die beste Power Unit für das neue Reglement zu entwickeln."

Bereits vor dem Ungarn GP 2013 äußerte sich der scheidende McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh diesbezüglich exklusiv gegenüber Motorsport-Magazin.com und forderte gegenseitigen Respekt ein: "Es wird natürlich auch vor dem Hintergrund unseres Wechsels zu Honda ein sehr angespanntes und herausforderndes Jahr für beide Parteien, aber wir hatten bisher immer ein sehr gutes und vor allem erfolgreiches Verhältnis zu Mercedes. Das soll sich auch im zwanzigsten Jahr der Zusammenarbeit nicht ändern."

Wichtig war für Whitmarsh vor allem die weitest gehende Offenlegung der technischen Daten sowie weitere Kenntnisse hinsichtlich der neuen Antriebstränge. "Wir vertrauen ihnen und sie vertrauen uns - wir kennen ihre Pläne immer noch genau, genauso wie sie auch unsere kennen. Wir sollten uns gemeinsam darauf besinnen, 2014 einen guten Job zu machen und uns gegenseitig an unserem Wissen teilhaben zu lassen."

Dass dieses Credo jedoch zur Ungültigkeit verkommen würde, sollten beide Teams in einer direkten Konkurrenzsituation stecken, dürfte auch Whitmarsh schon damals mit Sicherheit klar gewesen sein, weswegen seine Aussagen unterschwellig auch eher den Status einer vorsichtigen Ermahnung in Richtung Fairplay durch Mercedes anklingen ließen.

"Wir haben ihre Entscheidung, sich auf ein eigenes Team konzentrieren zu wollen von Anfang an respektiert und waren demnach gezwungen, uns einen Motorenpartner zu suchen, der seinen Fokus voll auf uns als Top-Rennstall in der Formel 1 legt und uns nicht nur als Kundenteam ansieht." Gerade dies könnte McLaren bei der möglichen Titeljagd 2014 jedoch blühen, sollte es in der entscheidenden Phase der Saison unter anderem gegen den Sternen-Rennstall gehen...