So viele Abflüge heute...
Johnny Herbert: Ja, normalerweise sehen wir nicht so viele Abflüge. Es ist eine knifflige, schwierige Strecke, viele hat es in Degner und auch in Spoon erwischt. Sergio war offensichtlich mit einem Rad auf dem Kerb oder dem Kunstrasen - ich kann kaum glauben, dass das Kunstrasen ist, denn er ist rutschig. Wenn es Kunstrasen ist und man das weiß, dann fährt man nicht darauf. Ich wundere mich, dass Sergio darauf gefahren ist - eine Fehleinschätzung, vermute ich. Fernando ist dann in der Degner über den Kerb auf der Innenseite, was der Grund dafür ist, dass er sich gedreht hat. Aber er hat sich da sehr clever rausgezogen.

Was hat er anders gemacht?
Johnny Herbert: Er ist einfach innen über den Kerb gefahren und dann war das Auto in der Luft.

Aber er konnte es abfangen...
Johnny Herbert: Er hat es abgefangen, er rutschte seitlich. Dann kam das Heck, das Rad war zunächst gerade, er war aber clever und hat eingelenkt, wodurch er durch den Kies fahren konnte, und er ist dann herausgekommen. Dann hatten wir natürlich den Vorfall mit Jules, der meinte, er hätte sich den Ellenbogen im Auto eingeklemmt. Er konnte ihn nicht ausstrecken. Er hat außerdem sein Monocoque beschädigt.

Dann hat Williams noch ein Rad verloren...
Johnny Herbert: Das war etwas seltsam. Sie haben noch nichts gesagt, aber es sieht so aus, als wäre die Aufhängung ok, das Rad sah auch ok aus, es schien eine kaputte Mutter zu sein. Er hat nicht die Reifen gewechselt, ist rausgefahren und dann hat es sich gelöst, normalerweise löst es sich sehr schnell. Dann hatten wir noch Bottas, der in Spoon weit rausgekommen ist, wir haben Kimi gesehen in Dunlop. Er hat sich selbst eingegraben. Es passiert eigentlich selten, dass man rauskommt, denn in Japan ist der Kies ganz anders. In Kurve eins war es immer so: man fuhr rein und man kam nicht wieder raus. Ich kann mich zum Beispiel daran erinnern, dass Nigel Mansell dort abgeflogen ist, 1991 war das. Ich bin nur überrascht, dass es so viele Abflüge waren. Lag es an den Medium- und den harten Reifen? Man kann sagen vielleicht, aber jeder Fahrer kennt das Griplimit des Reifens. Es spielt keine Rolle, ob es etwas kniffliger ist, man muss fahren. Eingangs Degner muss man so viel Speed mitnehmen, dann muss man bremsen. Viele hatten Probleme, das Auto abzubremsen. Es ist Freitag, die Strecke wird genutzt, aber mit einem Formel-1-Auto ist die Ideallinie eine andere. Der Gummibelag ist auch anders. Morgen wird es sicher besser.

Sind die Fahrer nicht mehr an wirkliche Rennstrecken gewöhnt?
Johnny Herbert: (lacht) Die meisten waren schon mal hier, ob Räikkönen oder Alonso. Auch die Suzuka-erfahrenen Piloten haben Probleme. Es passiert eben, es ist auch in der Vergangenheit passiert. Vielleicht waren es nicht so viele Vorfälle in zwei oder drei Sessions, aber Degner 2 war immer schwierig, sogar Degner 1, wenn ich mich recht erinnere.

Wie oft bist du da rausgerutscht?
Johnny Herbert: Ich erinnere mich an ein Mal in der Degner 2, vielleicht war ich auch mal in Kurve 1 draußen. Da hatten wir keine Servolenkung, das ist aber keine Entschuldigung (lacht). Es ist ein Kurs vom alten Schlag, er ist an manchen Stellen etwas schmaler, vor allem in den Esses. Von Degner zu Spoon ist sie recht offen, vor allem in Spoon. 130R ist nicht mehr so wie früher. Sie ist jetzt einfach, sie ist jetzt nur noch ein Knick. Das ist eine große Veränderung der ursprünglichen Form. Sie ist jetzt jedenfalls keine Kurve mit einem Radius von 130 Metern mehr. Die Herausforderung gibt es nicht mehr. Dann hat man noch die schwierige Schikane am Ende der Runde. Morgen wird es aber anders, da bin ich mir sicher. Da werden ein paar Gehirne rauchen bei dem Versuch, die Autos zu verbessern. Die Strecke wird sich außerdem noch entwickeln. Von der Temperatur her müssen wir sehen, was morgen passiert.

Es ist ungewöhnlich warm, oder?
Johnny Herbert: Ja, in Suzuka kann es aber auch heiß sein, vielleicht nicht so feucht, aber heiß. Ich erwarte aber nicht noch mehr Probleme, denn die Strecke ist nicht schwieriger als vorher. Heute waren es einfach die Umstände, ich weiß nicht warum.

Erwartest du dieses Wochenende Überraschungen oder gewinnt Red Bull?
Johnny Herbert: Red Bull sah ziemlich komfortabel aus. Die Rennpace schien sehr stark. Dann haben wir Mercedes, bei Lotus wird Räikkönen ok sein, die Ferraris sehen ok aus - das sind so die Hauptverdächtigen. Aber die Lücke zur Spitze sieht hier etwas größer aus. Das liegt vielleicht daran, dass die Reifen Red Bull mehr liegen. Wenn die Leute eine Balance haben wollen, dann muss man überall harte Reifen fahren, und dann geht man damit um, dass es ein harter Reifen ist.

Dann beschweren sich die Leute aber wieder, dass es langweilig ist.
Johnny Herbert: Genau, das ist das Problem. Die Fahrer diktieren sehr genau, welche Reifen sie haben sollten. Es gibt die Startaufstellung rauf und runter immer Beschwerden, das hat sich nicht geändert.

Bringt Sebastian Vettel dieses Wochenende den Titel unter Dach und Fach?
Johnny Herbert: Realistisch gesehen kann ich mir nicht vorstellen, dass Fernando außerhalb der Top-6 sein wird. Vettel könnte auch Pech haben, aber ich glaube das nicht. Es scheint alles gut zu laufen für ihn.