Speziell, Spezieller, Monaco: Nicht nur das atemberaubende Ambiente im Fürstentum ist beeindruckend und einzigartig, auch die Strecke an sich - wobei die Trennung zwischen Rennstrecke und Ambiente schwer fällt - bietet zahlreiche Besonderheiten. "Monaco ist eine komplett andere Strecke", fasste Nico Rosberg das Wesentliche bei Motorsport-Magazin.com treffend zusammen. Die meisten Fahrer kennen den Circuit de Monaco besser als jede andere Strecke, was nicht unbedingt am kürzesten Layout der ganzen Saison liegt. Die 3,340 Kilometer durch das Fürstentum sind zahlreichen Piloten bestens bekannt, weil sie nicht unweit des Kurses beheimatet sind.

Das Rennen in den Straßenschluchten hat Tradition, Foto: Sutton
Das Rennen in den Straßenschluchten hat Tradition, Foto: Sutton

Nicht nur Fahrern ist die Piste an der Cote d'Azur bestens bekannt, auch eingefleischte Fans kennen jede Kurve und Bodenwelle bereits auswendig, schließlich ist der Monaco GP mit nahezu unverändertem Layout bereits seit 1950 fester Bestandteil des Rennkalenders. Lediglich von 1951 bis 1954 fand in den Straßenschluchten kein Grand Prix statt, womit auf monegassischem Boden die zweitmeisten Großen Preise veranstaltet wurden - nach Monza. Es ist eine Kombination aus allem: Das Ambiente, die Historie und die anspruchsvollste aller Rennstrecken im aktuellen Formel-1-Kalender.

Etwa 62 Mal pro Runde wird geschalten, was über die Renndistanz von 78 Runden knapp 5000 Schaltvorgänge ergibt. Auch wenn auf keiner anderen Strecke die Durchschnittsgeschwindigkeit geringer ist, so verglich Nelson Piquet Formel 1 fahren in Monaco nicht unzutreffend mit 'Hubschrauber fliegen im Wohnzimmer'. Denn selbst bei 160 Kilometer pro Stunde Durchschnittsgeschwindigkeit fordert der Leitplankendschungel die Fahrer aufs Extremste. Weil die Geschwindigkeiten so gering sind, wird am Sonntag auch eine um etwa 40 Kilometer kürzere Renndistanz zurückgelegt. Somit soll verhindert werden, dass der Grand Prix über zwei Stunden dauert.

Magnetische Leitplanken

Schon am Ende der Start- und Zielgerade befindet sich die erste Schlüsselstelle. Hinter dem klangvollen Namen Sainte Devote verbirgt sich eine tückische Rechtskurve, die schon beim geringsten Fehler zum Ausscheiden führen kann. Verbremst sich ein Pilot geringfügig, gibt es zwar einen kleinen Notausgang, hat er aber bereits eingelenkt, gibt es kein Zurück. Mit Vorliebe werden hier Frontflügel und linke Vorderradaufhängungen zerstört. Anschließend geht es stark bergauf Richtung Beau Rivage und Massenet. Die Linkskurve Massenet gehört zu den schnellsten Ecken des Kurses und ist wegen einer Kuppe schwer einzusehen. Fernando Alonso beschädigte 2010 seinen Ferrari an dieser Stelle im Training so stark, dass er nicht am Qualifying teilnehmen konnte.

Die ehemalige Loews Kurve ist legendär, Foto: Sutton
Die ehemalige Loews Kurve ist legendär, Foto: Sutton

Die Casino Kurve führt die Piloten dann über die berühmteste Bodenwelle des Jahres. Weil bei der Zufahrt auf die Mirabeau-Kurve eine Ausfahrt in die Bergab-Passage ragt, kann die Bodenwelle übrigens nicht einfach geglättet werden und die Fahrer müssen um sie herum fahren, um nicht die Bodenhaftung zu verlieren und Beschädigungen am Fahrzeug zu vermeiden. Nach Mirabeau folgt eine kurze, aber sehr steile Bergab-Passage, ehe die langsamste Kurve der Formel 1 durchfahren wird. Die ehemalige Loews Kurve heißt heute Grand Hotel Hairpin und wird nach Angaben von Renault mit lediglich 44 Stundenkilometer durchfahren.

Ist das Motoren-Mapping nicht perfekt oder das Tempo muss wegen Verkehr zusätzlich verlangsam werden, müssen die Piloten sogar die Kupplung ziehen, damit der Motor im Standgas nicht für Vortrieb sorgt. Mit lediglich 7.000 Umdrehungen pro Minute dreht das V8-Aggregat so niedrig wie sonst nie. Das stellt die Ingenieure vor die Herausforderung, ein gutes Ansprechverhalten des Motors auch bei - für die Formel 1 - sehr niedrigen Drehzahlen zu gewährleisten.

Nach einer zum Meer führenden Doppel-Rechts-Passage geht es durch den Tunnel. Der Tunnel führt durch einen Rechtsknick am Hafenbecken entlang. Hier werden die höchsten Geschwindigkeiten erreicht und obwohl nach der Tunnelausfahrt der härteste Bremspunkt wartet, sind Überholmanöver äußerst schwierig. Weil im Tunnel Dreck nicht so gut von der Strecke befördert wird, bietet nur die Ideallinie wirklich guten Grip, überholen auf der Außenseite ist schwer bis unmöglich. In etwa 100 Meter verzögern die Boliden von etwa 290 Stundenkilometer auf 75 km/h. Wegen moderner Materialien sind die Bremsen in Monaco nicht mehr so problematisch wie einst, ausreichend Kühlung ist dennoch nötig. Mit 19 Prozent der Rundenzeit stehen die Fahrer überdurchschnittlich lange auf der Bremse.

Schwebende Autos sind im Fürstentum keine Seltenheit, Foto: Sutton
Schwebende Autos sind im Fürstentum keine Seltenheit, Foto: Sutton

Im dritten Sektor führt der Leitplankendschungel durch langsame und mittelschnelle Kurven, ehe die berühmt-berüchtigte Rascasse durchfahren wird. In jener Kurve parkte Michael Schumacher einst - freiwillig oder unfreiwillig - seinen Ferrari im Qualifying, die nachfolgenden Runden der Konkurrenten waren somit ruiniert. Die letzte Kurve vor Start und Ziel hat es noch einmal so richtig in sich. Antony Noghes ist prädestiniert dafür, sich die Hinterradaufhängung zu beschädigen, weil die Leitplanke am Kurvenausgang noch einen Knick in Richtung Fahrbahn macht. Auf der Start- und Ziel-Gerade befindet sich auch die einzige DRS-Zone, der Detection-Point befindet sich unmittelbar vor Rascasse.

Andere Anforderungen an Mensch und Material

Weil die Geschwindigkeiten extrem gering sind, sind alle Autos mit maximalem Downforce ausgestattet. Mechanischer Grip spielt eine weitaus größere Rolle als sonst, trotzdem sollten die Reifen am Wochenende nicht das alles bestimmende Thema sein. Obwohl Pirelli die zwei weichsten Reifenmischungen mit ins Fürstentum bringt, sollte sich das schwarze Gold dort nicht so stark abnutzen wie zuletzt in Barcelona. Eine nicht besonders aggressive Asphaltoberfläche und geringe Geschwindigkeiten belasten weder die Oberfläche der Gummis, noch die Struktur übermäßig. Weil Überholen kaum möglich ist, sind Boxenstopps zum richtigen Zeitpunkt essenziell. Mit der Strategie können an der Cote d'Azur Rennen gewonnen und verloren werden. Dabei droht immer die Gefahr des Safety-Cars, schließlich ist Karbonschrott keine Seltenheit. In den zehn letzten Rennen musste Bernd Mayländer 14 Mal mit seinem Mercedes ausrücken.

Für die Piloten ist es wichtig, in den Rhythmus zu kommen. Vom 'Flow' oder 'Groove' ist häufig die Rede. "Es ist vermutlich die Grand-Prix-Strecke, bei der das Gefühl für Geschwindigkeit am schönsten ist, besonders während der ersten Runden am Donnerstagmorgen, wenn es unrealistisch scheint, 750 PS zu kontrollieren in den engen, gewundenen Straßen des Fürstentums", schwärmt Jenson Button selbst nach 13 Jahren Formel 1 noch. "Aber es ist auch ein Ort, an dem man einen Groove findet wie nirgendwo sonst."