Pro: Die Ergebnisse sprechen gegen Haug

von Olaf Mehlhose

Das plötzliche Aus von Norbert Haug bei Mercedes kam für viele sicherlich überraschend. Bei einem Blick auf die Ergebnisse der vergangenen Jahre ist die Entscheidung aber wenig verwunderlich. Die Bilanz in der Königsklasse ist verheerend. In den drei Jahren seit der Gründung des Mercedes-Werksteams, von Konzernchef Dieter Zetsche bereits zur deutschen Nationalmannschaft der Formel 1 ausgerufen, fuhren die Silberpfeile gerade einmal einen Sieg ein. In den letzten sechs Rennen 2012 gelang Mercedes nur einmal der Sprung in die Punkte. Nach der Verpflichtung von Rekord-Weltmeister Michael Schumacher sowie der Übernahme des Weltmeister-Rennstalls Brawn ist das zu wenig.

Norbert Haug und Peter Sauber: Zwei Charakterköpfe der Formel 1, Foto: Sutton
Norbert Haug und Peter Sauber: Zwei Charakterköpfe der Formel 1, Foto: Sutton

Auch in der DTM, eigentlich eine Mercedes-Domäne, erlebten die Stuttgarter nach dem Einstieg von BMW ein Debakel. Der Neuling deklassierte die Konkurrenz und räumte 2012 die Titel in der Fahrer-, Hersteller- und Teamwertung ab. Mercedes, das die Saison bis zur Sommerpause dominiert hatte, stand am Ende mit leeren Händen da. Der Leistungseinbruch zum Jahresende ist Haug sicherlich nicht alleine anzulasten - insbesondere in der Formel 1 nicht, aber wie jeder führende Angestellte steht er für die unbefriedigenden Ergebnisse im Kalenderjahr 2012 in der Verantwortung.

Den Ausschlag für Haugs Demission dürfte vor allem die Tendenz der letzten Rennen gegeben haben. Anstatt Weiterentwicklung war in beiden Serien ein deutlicher Rückschritt erkennbar. Mercedes will den Erfolg um jeden Preis, das beweisen die medienwirksamen Verpflichtungen von Lewis Hamilton und Niki Lauda. Und vielleicht war in der Chefetage einfach nicht mehr der Glaube vorhanden, dass sich der Erfolg unter Haug doch noch einstellen wird. Keine Frage: Haug ist jetzt schon eine Legende und er hat sicherlich viel für Mercedes geleistet. Doch nach 22 Dienstjahren kann ein wenig frischer Wind nicht schaden.

Contra: Eine falsche Entscheidung

von Stephan Heublein

Am Donnerstag bebte die Erde - nicht nur rund um Stuttgart, sondern in der gesamten Motorsportwelt. Nach 22 Jahren muss Norbert Haug seinen Posten als Motorsportchef bei Mercedes-Benz räumen. Klar, wer so lange in der rauen Geschäfts- und Rennwelt unterwegs ist, macht sich nicht nur Freunde, vor allem wenn er ebenso ein Charakter mit Ecken und Kanten wie ein echter Racer ist.

Nach Michael Schumacher erklärte nun auch Norbert Haug seinen Rücktritt, Foto: Sutton
Nach Michael Schumacher erklärte nun auch Norbert Haug seinen Rücktritt, Foto: Sutton

Nicht alle mögen Norbert Haug, aber die Reaktion auf seinen Abschied vom Stern zeigte genau, was für eine Motorsportinstitution der Schwabe ist - die Rücktritte oder Rauswürfe anderer Motorsportdirektoren und Teamchefs hinterließen lange nicht solch ein Medienecho.

Ganz besonders, da Haugs Abschied eher wie ein zwanghafter Versuch eines aufgedrückten Neubeginns wirkt. Er selbst hält sich wacker und macht keine Schuldzuweisungen, doch ein Hinweis ist berechtigt: Haug baute weder drei nicht ausreichend konkurrenzfähige Formel-1-Autos in Folge, noch stimmte er die DTM-Autos schlecht ab, die in der vergangenen Saison alle drei Titel in der Schlussphase verspielten - bis dahin aber an der Spitze lagen.

Er ist als Gesamtverantwortlicher für die Zusammenstellung der Truppe verantwortlich, wie ein Fußballtrainer an der Seitenlinie für seine Spieler - doch wie wenig die so genannten Mechanismen des Sports (sprich Trainerwechsel) manchmal bewirken, ist hinlänglich bekannt. Vielmehr steht Haugs Nachfolger gleich unter dreifachem Druck: Er tritt in große Fußstapfen und muss in der Formel 1 sowie der DTM auf Anhieb Erfolg haben. Eine Eingewöhnungszeit oder Aufbauphase wird es nicht geben. Mit ihrer Entscheidung könnten sich die Herren im Vorstand und Niki Lauda verzockt haben.