Die Erinnerungen sind in Sebastian Vettel so lebhaft, als ob es gestern gewesen wäre. Für ihn ist Monza ein ganz besonderer, emotionaler Ort. Hier fuhr er vor drei Jahren mit dem kleinen italienischen Toro-Rosso-Team, dem ehemaligen Minardi-Rennstall, und einem Ferrari-Motor im Heck zum ersten Mal auf die Pole Position; am Tag darauf gewann er seinen ersten Grand Prix.

"Es war damals ein wahnsinnig tolles Erlebnis, auf dem Podium über dem Menschenmeer zu stehen und die Atmosphäre aufzusaugen - das werde ich ganz sicher nie vergessen", erinnert sich Vettel. Am Sonntag startet er zum ersten Mal seit jenem verregneten Monza-Wochenende vor drei Jahren wieder von der Pole im königlichen Park. Sein Ziel ist klar: "In diesem Jahr würde ich gerne wieder auf diesem einzigartigen Podium stehen." Seit Samstag steht fest: und zwar als Sieger.

Leistung statt Sprüchen

Eigentlich galt Monza als Angststrecke für Red Bull. In den vergangenen beiden Jahren fuhr Vettel nur auf die Plätze vier und acht. Das änderte sich an diesem Wochenende deutlich: Pole Position mit einer halben Sekunde Vorsprung auf die favorisierten McLaren. "Wir hätten selbst nicht damit gerechnet, vor allem nicht mit dem Abstand", war Vettel überrascht.

"Ich würde nicht von einer Genugtuung sprechen, aber ich glaube, es war mit Sicherheit etwas Besonderes für uns, hier in Monza auf der Pole zu stehen", bestätigte er im Interview mit Motorsport-Magazin.com. "Gerade da wir in den vergangenen beiden Jahren hier nicht so gut abgeschnitten haben." Red-Bull-Motorsportchef Helmut Marko lobte Vettel für seinen erstaunlichen Speed unter Druck – das könne in dieser Form nur er abliefern.

Der Ankündigung von Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali, zukünftig ein unschlagbares Team aufzubauen, hielt Marko ausgerechnet in der Heimat der Tifosi entgegen: "Wir arbeiten lieber hart und spucken keine großen Töne in der Presse."

Fortschritt dank DRS & Newey

McLaren staunte über Vettels Pole-Speed, Foto: Sutton
McLaren staunte über Vettels Pole-Speed, Foto: Sutton

Aber mit welcher harten Arbeit hat Red Bull seine schwache Monza-Form der Vorjahre in eine so deutliche Überlegenheit verwandelt? "Adrian Newey hatte in diesem Jahr viel mehr Zeit, sich auf die Aerodynamik des RB7 zu konzentrieren – denn es gab keine Standfestigkeitsprobleme wie in den letzten beiden Jahren", erklärt Alex Wurz im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com.

Das neue Aero-Paket für wenig Downforce funktioniert perfekt und DRS kommt Red Bull auf dieser Strecke entgegen, da das Team dadurch mit mehr Flügel in den Kurven fahren kann, gleichzeitig aber keinen allzu großen Topspeed-Nachteil auf den langen Geraden hat.

"Bisher hieß es immer, dass der Red Bull auf schnellen Strecken nicht gut sei, aber es ist mir schon in Spa aufgefallen, dass sie beim High-Speed extrem zugelegt haben", bestätigt Marc Surer bei Motorsport-Magazin.com. Diese These unterstützt Nico Hülkenberg: "Red Bull hat sich extrem verbessert und man sieht auch, dass der angeblasene Unterboden ihnen eine Menge Abtrieb bringt."

In seiner Analyse für Motorsport-Magazin.com bestätigt Hülkenberg die Wurz-Theorie: "Dadurch können sie den normalen Heckflügel flacher stellen und sind trotzdem noch schnell auf der Geraden, vor allem mit DRS." Neben dem Auto ist aber auch der Fahrer als Erfolgsgarant nicht zu vernachlässigen.

Vettels ideale Runde

"Sebastian hat eine ideale Runde hinbekommen", lobte Niki Lauda. Besser könne man es nicht machen. "Er hat sich diese Pole Position verdient – dass er fünf Zehntel aus dem Auto gepresst hat, war sensationell", analysierte Lauda im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com. So eine Runde bringe in Laudas Augen nur Vettel zustande. "Er hat im mittleren Sektor eine unglaubliche Performance an den Tag gelegt. Das war echt stark", pflichtete Christian Danner bei.

Sicher hat Vettel seinen zweiten Sieg beim Italien Grand Prix trotzdem noch nicht. "McLaren kann noch etwas ausrichten", glaubt Wurz. "Auch Fernando Alonso – er ist am Start sehr gut und mit viel Sprit an Bord funktioniert der Ferrari sehr gut."

Auch Christian Danner sieht im Interview mit Motorsport-Magazin.com noch keine Sieggarantie für Vettel: "Die Pole sind 50 Prozent, aber es fehlen noch mal 50", betont er. Der Grund: "Die beiden McLaren haben direkt hinter ihm 500 Meter in die erste Kurve Windschatten und sind auch auf der Geraden schneller."

Lauda widerspricht dieser Gefahr: "Wenn Vettel normal startet, liegt er vorne, denn die Gerade bis zur ersten Schikane ist nicht lang genug, um zu überholen." So oder so: sollte Vettel die erste Kurve unbeschadet überstehen, sieht Nico Hülkenberg die Chancen des WM-Spitzenreiters als sehr gut an. "Dann ist er nicht zu schlagen."