1. – S wie Startaufstellung

Das war die Antwort: "That‘s what I´m talking about!", schrie Sebastian Vettel nach seiner achten Pole Position der Saison in den Boxenfunk. Es war die Antwort an all jene, die ihm nach zwei sieglosen Rennen eine Krise andichten wollten. "Ich habe wieder das Selbstvertrauen zurück erhalten, mich im Auto wohler gefühlt und freue mich auf das Rennen", kündigte er an. Verflogen waren die nachdenklichen Stirnfalten vom vergangenen Wochenende, als er bei seinem Heimrennen nicht über Platz vier hinauskam.

Dabei sahen in den ersten beiden Qualifyingsessions Fernando Alonso und vor allem Lewis Hamilton wie die größeren Pole-Favoriten aus. "In den ersten beiden Sektoren sahen wir immer okay aus", erklärte Alonso. "Aber im letzten Sektor verlieren wir im Vergleich zu unseren Gegnern viel Zeit." So kam er sogar nur auf Platz fünf – hinter seinem Teamkollegen Felipe Massa.

Lewis Hamilton war hingegen nah dran an Vettel, verlor in letzter Sekunde aber die Pole an den Deutschen. "McLaren hat aufgeholt, aber ohne Sebastians Fehler wäre der Unterschied drei Zehntel gewesen", rechnete Niki Lauda gegenüber Motorsport-Magazin.com vor. "Es ist eigentlich wieder so, wie es vor dem Nürburgring war."

Den Grund für die Vettel-Herrlichkeit fand Christian Danner in der Nachtarbeit des Teams, das erstmals die neue Sperrstundenausnahmeregel nutzte und bis kurz vor fünf Uhr nachts am Auto schraubte. "Red Bull hat über Nacht das gesamte Setup noch einmal auf den Kopf gestellt", so Danner. "Sebastian hat jetzt wieder das Gefühl im Fahrzeug, was er braucht, um seine Leistung umzusetzen. Klasse, Hut ab."

Nur Mark Webber schien davon nicht zu profitieren – wie so oft funktionierte bei ihm KERS eher weniger als mehr. "Das ist seltsam, wirklich bizarr", grübelte der Australier über den Rückstand auf seinen Teamkollegen. "Es war keine Chance, dass ich Vettels Rundenzeit schaffe, absolut nicht." Er habe nicht das Beste aus dem Auto und aus dem Reifen herausgeholt. Das Resultat: Startplatz sechs.

2. – S wie Start

Der Start vor einem Jahr: Ferrari gegen Red Bull, Foto: Red Bull/GEPA
Der Start vor einem Jahr: Ferrari gegen Red Bull, Foto: Red Bull/GEPA

Trotz DRS, KERS und abbauender Reifen spielt der Start auch im Jahr 2011 noch eine entscheidende Rolle – ganz besonders in Budapest. Dort dürfte nur das Qualifying noch gewichtiger ausfallen: "Die Pole ist hier genauso wichtig wie in Monte Carlo – das ist überhaupt keine Frage", betont Lauda. "Dennoch muss man das Rennen erst gewinnen." Seit 2001 siegte nur fünf Mal der Pole-Halter in Ungarn. Lauda sagt dennoch: "Sebastian hat die besten Voraussetzungen, um zu gewinnen, wenn er intelligent fährt, mit den Reifen richtig umgeht und die richtige Strategie wählt."

Doch die Konkurrenz hat erwartungsgemäß etwas dagegen. Das Problem: Lewis Hamilton startet auf der schmutzigen Seite, die in Ungarn noch etwas problematischer ist als auf anderen Strecken. "Hier gibt es einen großen Unterschied zwischen der schlechten und der guten Seite", verrät Felipe Massa.

Hamilton lässt sich davon nicht beeindrucken. "Ich will hier der Erste sein, der innen guten Grip hat. Wenn man sich die Starts der letzten Jahre ansieht, dann lief es innen immer schlechter", gesteht er. "Voriges Jahr war Mark Webbers Start nicht schlecht. Er verlor nur ein paar Meter. Wir haben aber mehr KERS als Red Bull. Hoffentlich ist die Strecke sauber, sie säubern über Nacht und wir haben einen fairen Kampf Richtung Kurve eins."

Fernando Alonso hofft darauf. "Ich denke, Hamilton kann im Rennen angreifen, andererseits stimmt es, dass er von der falschen Seite startet", räumt der Spanier ein, der am liebsten natürlich selbst am Start nach vorne schießen würde – es wäre nicht das erste Mal in dieser Saison. "Vielleicht kann ihn so Jenson am Start überholen. Wir müssen sehen, wie sich die ersten Runden entwickeln und wie jeder startet." Das verspricht packende 440 m bis zur ersten Kurve.

3. – S wie Strecke

Der Hungaroring gilt als das Monaco des Ostens. Vom Glitzer und Glamour des Fürstentums ist die Umgebung der Strecke zwar weit entfernt, doch die winklige Streckencharakteristik ist dem Straßenkurs nicht ganz unähnlich. Vielmehr zeichnet sich der Kurs aber durch zwei andere Punkte aus: die Strecke ist extrem schmutzig (nicht nur auf den geraden Startplätzen) und grün, also ohne Grip, der erst im Laufe des Wochenendes stark zunimmt, und sie ist extrem überholfeindlich.

Während die meisten Piloten davon ausgehen, dass sich am letzten Punkt auch durch DRS, KERS und die neuen Reifen nicht viel ändern wird, ist zumindest Jenson Button davon überzeugt, dass es in seinem 200. Grand Prix einige Überholmanöver geben wird.

"Ich glaube, man wird hier sogar eher eine Chance haben zu überholen, als auf dem Nürburgring, obwohl wir dort einige gute Manöver hatten", sagt er. "Wenn man schneller ist und gut aus der letzten Kurve herauskommt, wird es einige Überholvorgänge geben."

4. – S wie Setup

Fernando Alonso nimmt sich aus der Favoritenrolle raus, Foto: Sutton
Fernando Alonso nimmt sich aus der Favoritenrolle raus, Foto: Sutton

Auf dem Hungaroring ist viel Abtrieb gefragt – statt schneller Kurven wie in Silverstone gibt es hier viele langsame und mittelschnelle Stellen. Trotzdem ist gerade im ersten Sektor ein hoher Topspeed von Vorteil. Eine Disziplin, die vor allem Mercedes GP sehr gut beherrscht.

Im ersten Messabschnitt waren Michael Schumacher und Nico Rosberg mit 294,0 km/h sowie 293,2 km/h unter den drei Schnellsten – nur Adrian Sutil war dort mit 295,9 km/h flinker, ebenfalls mit einem Mercedes-V8-Motor, der in Ungarn ebenso wie Rosberg sein 100. Rennen bestreitet.

"Der Topspeed unseres Autos ist sehr stark, im ersten Sektor gibt es eine sehr lange Gerade, deshalb sehen wir dort so gut aus", erklärt Rosberg. "Die Kombination aus Motor und Auto ist eben gut, deshalb schauen wir positiv auf die nächsten Rennen in Spa und Monza."

5. – S wie Strategie

Im vergangenen Jahr stoppte der Sieger, Mark Webber, nur ein einziges Mal. Von dieser Idee dürften sich die Strategen schon vor diesem Wochenende verabschiedet haben. Selbst Sauber-Pilot Sergio Perez, der in diesem Jahr schon einige Reifenkunststücke zeigte, betont: "Nein, das ist hier nicht möglich. Es werden zwei, drei oder vier Stopps."

Unterstützung erhält er bei dieser Einschätzung von einer Reihe seiner Kollegen. "Ich glaube nicht, dass vier Stopps unmöglich sind", bestätigt Felipe Massa. "Drei oder vier - das kommt wirklich nur auf den Abbau der Reifen an." Nico Hülkenberg kann sich hingegen schon vorstellen, dass einige Fahrer probieren könnten, mit zwei Stopps durchzukommen. Die Regel seien in seinen Augen aber wohl eher drei Stopps.

Der ausschlaggebende Punkt sind wie immer die neuen Pirelli-Reifen – in diesem Fall die weiche und superweiche Mischung, zwischen denen auf dieser Strecke rund acht Zehntel bis 1,4 Sekunden liegen können. "Bei den superweichen Reifen muss man schon ab der sechsten bis achten Runde wechseln", glaubt Niki Lauda. "Es kommt darauf an, wie viel Reifen das Auto bei welcher Temperatur beansprucht."

Für Lauda geht der Red Bull dabei schonender mit den Pneus um als der McLaren. "Bei Lewis werden die Reifen früher als bei Red Bull abbauen, bei Alonso das gleiche", so Lauda. Auch Nico Rosberg erwartet im Reifenabbau eine Herausforderung. "Wir müssen sehr vorsichtig damit umgehen", mahnt er. "Ich habe einen neuen Reifensatz mehr, anders als viele um mich herum. Das sollte mir viel helfen im Rennen."

Lewis Hamilton hat den Sieg noch nicht aufgegeben, Foto: Sutton
Lewis Hamilton hat den Sieg noch nicht aufgegeben, Foto: Sutton

Adrian Sutil glaubt ebenfalls, dass die Reifen nicht so lange halten wie zuletzt am Nürburgring, obwohl er keine großen Probleme erwartet. Michael Schumacher sieht die Reifensituation hingegen sehr kritisch. "Man muss mit dem Hintergedanken fahren, die Reifen nicht zu überlasten", verrät er. "Sonst ist es sehr einfach, Probleme zu bekommen - in der GP2 hatten einige Fahrer sehr hohen Abbau an den Hinterreifen, das kann auch im Rennen der Fall sein. Wer damit am besten umgeht, hat einen kleinen Vorteil."

6. – S wie Sonntagswetter

In diesem Jahr ist vieles anders, auch das Wetter. Ist der Ungarn GP normalerweise eines der heißesten Rennen des Jahres, fror Nico Rosberg am Samstag in seiner Presserunde und wünschte sich Mütze und Schal – da war ihm der warm verpackte Teamkollege Michael Schumacher einmal einen Schritt voraus.

Statt Hitze könnte es am Sonntag passend zum Rennstart sogar Regen geben – davon blieb der F1-Tross an diesem Wochenende bisher verschont, zumindest während des Fahrbetriebs. Bis zu 85% Niederschlagswahrscheinlichkeit haben sich die Wetterfrösche für 14:00 Uhr zurechtgequakt. Aber nicht nur der Regen und die mit 16 Grad recht niedrigen Temperaturen könnten die Teams behindern, auch der Westwind (Vorhersage: 15 km/h) ist kein Lieblingskind der F1-Fahrer.

"Es ist unglaublich, diese Formel-1-Autos sind so sensibel, wenn du in Kurve eins Wind von vorne hast, kannst du 20 Meter später bremsen, in Kurve zwei kommt er dann von hinten und du musst 20 Meter früher bremsen", verrät Nico Rosberg. Timo Glock fühlte sich im Freien Training sogar gänzlich "vom Winde verweht".

Jenson Button entpuppte sich hingegen nicht als Filmfreund und verstand den Wirbel nicht: "Auf anderen Strecken, wie etwa in Silverstone, weil das ja ein Flughafen und sehr offen ist, ist es mit dem Wind schlimmer. Hier ist man ein bisschen geschützter, wie in Monaco. Das ist also gar nicht so schlecht."

7. – S wie Spannung

Nur Startplatz fünf. Fernando Alonso klammert sich in Budapest an einen Strohhalm: "Red Bull ist normalerweise im Qualifying sehr dominant und hat dann im Rennen etwas Probleme", beschreibt er das gewohnte Bild. "Hier waren sie schon im Qualifying nicht so weit vorne. Also könnte McLaren morgen sehr stark sein."

Fährt Vettel nach zwei sieglosen Rennen wieder aufs oberste Treppchen?, Foto: Sutton
Fährt Vettel nach zwei sieglosen Rennen wieder aufs oberste Treppchen?, Foto: Sutton

Nur für Ferrari sieht es nicht ganz so gut aus, zumindest gegen Vettel und McLaren war für die Roten am Samstag kein Kraut gewachsen. Auch Christian Danner sieht Hamilton als härtesten Verfolger von Vettel an. "Er ist unglaublich aggressiv und hat noch einen frischen Reifensatz mehr als Red Bull", analysiert er für Motorsport-Magazin.com. "Aber auch Jenson Button ist genauso schnell gefahren – auf einem reifenmordenden Kurs ist er eigentlich immer der bessere McLaren-Pilot. Ich würde ihn also noch nicht abschreiben. Es wird sehr eng."

Andererseits ist Danner ein erwiesener Alonso-Anhänger. "Man darf Alonso einfach nie unterschätzen. Nie. Selbst wenn er nur noch zwei Räder am Auto hat", scherzt Danner, dessen Renntipp Vettel vor Button und Alonso sieht. "Hamilton fliegt raus", tippt er. Aber Button möchte sich nicht mit Platz zwei in seinem 200. Rennen zufrieden geben. "Wir haben die Reifen, KERS und DRS zum Überholen. Ich will um den Sieg mitfahren, es wird ein großer Tag für mich." Wenn nicht, bekommt er am Ende vielleicht noch einen Jubiläums-Keks.