Wer auf das große Geld aus ist, sollte vieles tun - aber nicht auf Sebastian Vettel als Sieger des Malaysia GP tippen. Schaut man sich die gängigen Quoten der Wettanbieter vor dem zweiten Rennen der Saison an, wird eines klar: Vettel ist der unangefochtene Gradmesser in der Formel 1, der Sieg in Sepang eigentlich schon reserviert. Nach seinem dominanten Auftritt in Australien besteht kaum ein Zweifel daran, dass Vettel auch das kommende Rennen gewinnen wird - oder etwa doch nicht?

Sicher, Red Bull reist als großer Favorit nach Malaysia, der Rest muss sich hinten anstellen. Weder McLaren, noch Ferrari konnten den Speed mitgehen, den Vettel im Albert Park an den Tag legte. Der RB7 performte wie ein Schweizer Uhrwerk. Ein extrem schnelles. Selbst ohne KERS hatte Vettel keine Probleme, Lewis Hamilton locker in Schach zu halten. Experten sind sich einig: Der Heppenheimer fuhr in Melbourne nur so schnell, wie er musste.

Red Bull ist allen überlegen

"Red Bull hat noch nicht sein ganzes Potential gezeigt", war sich McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh sicher. Felipe Massa stimmte ein: "Red Bull war allen überlegen." Zum ersten Freien Training schaut die F1-Welt noch genauer als sonst auf den Red-Bull-Boliden und stellt sich die Frage: KERS oder kein KERS? In Australien hatte das Weltmeister-Team den Hybridantrieb nicht zuverlässig ans Laufen bekommen. Für Sepang soll sich das ändern und so tüfteln die Mechaniker in Milton Keynes an einer Lösung.

In Melbourne hielt sich der Wert des KERS aufgrund der Streckencharakteristik in Grenzen, in Malaysia sieht das schon anders aus. Der Kurs enthält wesentlich längere Geraden, dem Paradestück für KERS. Das ist auch Red Bull durchaus bewusst. "Ich glaube, wir sind mit dieser Laufleistung bewaffnet, und haben alle Komponenten inspiziert. Unser Vertrauen ist gewachsen", verriet Teamchef Christian Horner. Wenn sich das System am Freitag bewähren sollte, werde es laut Horner auch sein Renndebüt erleben.

KERS als Achillesferse?

Ein zuverlässiger RB7 gepaart mit funktionierendem KERS - was soll da noch schief gehen? Das Gros der Konkurrenz nickt anerkennend angesichts der Vettel'schen Dominanz, zieht sich zurück und bastelt an Updates. Doch ein Team kommuniziert derzeit nur zu gern, dass man in Malaysia den Großangriff starten werde: McLaren. Besonders Hamilton wird nicht müde zu betonen, dass die Briten den ein oder anderen Vorteil gegenüber Red Bull hätten. Der Fokus liegt dabei vor allem auf dem McLaren-KERS, das sich bereits 2009 als stark erwiesen hat.

"Ich freue mich schon richtig darauf, KERS und den verstellbaren Heckflügel zu benutzen", jubelte der Weltmeister von 2008 vor Sepang. "Die starken Richtungswechsel, die man im Auto spürt, sind phänomenal. Ich denke, dass beide Systeme unser Auto sensationell aussehen lassen werden, vor allem beim Qualifying." Eine klare Kampfansage an den Top-Favoriten, der sich beim Qualifying in Australien noch deutlich vor McLaren setzte. Doch was bleibt Hamilton anderes übrig, als sich auf die eigenen Stärken zu besinnen? McLaren war mit hohen Ambitionen in die Saison gestartet, das Ziel ist der WM-Titel.

Ferrari bleibt ruhig

Hoffnung verschafft Hamilton ein weiterer Umstand: In Melbourne war der MP4-26 eher ein Provisorium. Nachdem das Team eklatante Probleme mit der Konstruktion des aufwändigen Abgas-Systems hatte, brachte man zum Saisonauftakt eine wesentlich simplere Lösung an den Start. "Wir sind definitiv auf der Jagd. Ich denke, dass im Auto ein massives und unberührtes Potential steckt ", konstatierte Jenson Button. McLaren wird sich nach Melbourne in Akkordarbeit um die Weiterentwicklung des Auspuffs gekümmert haben. Die Chancen stehen also nicht allzu schlecht, dass man in Sepang einen wesentlich ausgereifteren MP4-26 erleben wird.

Felipe Massa rutschte über den Asphalt, Foto: Sutton
Felipe Massa rutschte über den Asphalt, Foto: Sutton

Während McLaren recht große Töne spuckt, hält sich Ferrari auffällig stark zurück. Melbourne war ein Reinfall für die Roten, trotz des vierten Platzes von Fernando Alonso. Nach den Winter-Tests war Ferrari der Haupt-Herausforderer des Weltmeisters, doch nach dem ersten Rennen klaffte eine riesige Lücke. Die soll in Sepang geschlossen werden. Australien sei kein Desaster gewesen, betonte Alonso. Dort hatten die Ferraris arge Probleme gehabt, die Pirelli-Reifen auf Arbeitstemperatur zu bekommen. "Wenn ich sie so weit hatte, waren sie schon fast hinüber", wunderte sich der Spanier.

Alte Stärke

Vorteil Ferrari: In Sepang herrschen wesentlich höhere Temperaturen, das sollte zumindest das Reifen-Dilemma einschränken. Die große Furcht vor der Unbesiegbarkeit der Red Bulls scheint sich bei Ferrari nicht breit zu machen. Australien abhaken, Sepang in Angriff nehmen, lautet offenbar das Motto. Felipe Massa verlässt sich auf die alte Stärke des 150° Italia. "In Malaysia müssen wir das Auto parat haben, welches wir gebaut haben - nicht das Auto, mit dem wir am vergangenen Wochenende fuhren", so der Brasilianer.

Ferrari machte vor allem den Frontflügel für die Balance-Probleme aus. Mit einem modifizierten Teil und Hoffnung im Gepäck machen sich die Italiener auf nach Malaysia. Dort könnte ein weiterer Vorteil zum Tragen kommen: Der Bolide gilt nicht erst seit den vergangenen Tests als Reifenflüsterer. Das könnte der Scuderia in Sepang mit seinen schnellen Kurven in die Karten spielen. Verbal hält sich Ferrari stark zurück, doch man darf sie keinesfalls unterschätzen.

Wundertüte Mercedes

Bliebe noch Mercedes GP. Die derzeitige Wundertüte der Formel 1. Nach der Wiederauferstehung beim abschließenden Test in Barcelona fielen die Silberpfeile in Melbourne stark ab. Für die vorzeitigen Ausfälle konnten Michael Schumacher und Nico Rosberg nichts, doch schon beim Qualifying hatte man gesehen, dass es nicht für die Spitze reicht. "Wir haben die fundamentale Arbeit nicht geschafft und zwar die richtige Balance und das richtige Setup zu finden", gab Ross Brawm ehrlich zu.

Immerhin scheint man mit der Basis zufrieden zu sein. "Ich hoffe, dass wir am nächsten Sonntag einige Leute überraschen können. Seit dem letzten Test in Barcelona wissen wir, dass das Auto schnell ist, jetzt müssen wir daran arbeiten, dieses Potential unter Beweis zu stellen", erklärte Rosberg. Glaubt man Brawn, wird der MGP W02 in Sepang ohne tiefgreifende Änderungen an den Start gehen. Einen verbalen Dämpfer gab Helmut Marko den Silberpfeilen noch mit auf den Weg. "Mercedes ist derzeit keine unmittelbare Konkurrenz für uns", stichelte der Red-Bull-Motorsportberater.

Von den vermeintlichen Top-Teams einmal abgesehen, darf man auch Lotus Renault GP nicht außer Acht lassen. Vitaly Petrov hatte zum Auftakt ein starkes Rennen abgeliefert und aufs Podest gefahren. Man muss einfach abwarten, ob der Erfolg ein zufälliger Ausreißer nach oben war, oder ob das Team nicht doch Potential für Größeres besitzt. Melbourne hat gezeigt: Wenn die Top-Teams straucheln, ist Renault zur Stelle. Das Potential für Fehler besitzt Sepang ohne Frage: Pirelli rechnet mit vier Boxenstopps pro Fahrer unter den extremen Temperaturen. Um die Spannung muss man sich also keine Sorgen machen.