Deutschland zwischen Freudentaumel und Trauerspiel: Die Fußball-WM sowie die Klinsmann-Elf fesseln die Nation an Fernsehbildschirme, Großleinwände und Stadionsitze, in den Folgewochen kehrt mit den lautstark zelebrierten Querelen der Großen Koalition der Alltag ein. Ein Alltag, zu dem auch die Seriensiege des deutschen Vorzeigesportlers Michael Schumacher gehörten - bis sich dieser nach einem hartem WM-Gefecht mit Fernando Alonso unter den Tränen seiner von Flensburg bis Garmisch-Partenkirchen millionenfach vorhandenen Fans endgültig aus der Formel 1 zurückzieht. Dass trotz aller Begleiterscheinungen auch genügend Blicke auf die Deutsche Tourenwagen Masters fielen, überrascht angesichts des Saisonverlaufs nicht...

Mai: Stuttgarter Dachschaden

Insbesondere für Mercedes verheißt diese Wetterlage nichts Gutes..., Foto: Audi
Insbesondere für Mercedes verheißt diese Wetterlage nichts Gutes..., Foto: Audi

Wurde bereits beim zweiten Saisonlauf auf dem EuroSpeedway Lausitz kaum mehr als eine besinnliche Sonntagsprozession dargeboten, so versprach auch das dritte Rennen auf der wenig überholfreundlichen XXL-Kartbahn in Oschersleben mehr Entspannung denn Anspannung. Doch weit gefehlt: Während eines Interviews mit Alexandros Margaritis, der am Tag darauf nur von einem technischen Defekt an der Übernahme des dritten Meisterschaftsrangs gehindert wird, können wir höchstpersönlich einen Dachschaden diagnostizieren - was weniger an den Antworten des Persson-Piloten als vielmehr an der Tatsache liegt, dass sich das Dach des Mercedes-Motorhomes am stürmischen Samstagnachmittag als nicht wind- und wetterfest erweist...

Neben dem Verlust einer intakten Bedachung müssen die Stuttgarter auch den Verlust der Meisterschaftsführung beklagen. Während Bernd Schneider bis ins Ziel das Heck von Heinz-Harald Frentzens Audi A4 DTM ausgiebigst studieren darf, enteilt Tom Kristensen der Konkurrenz und fährt seinem zweiten DTM-Sieg entgegen. Abgesehen vom obligatorischen greenschen Fehlstart sowie den altbekannten Wortgefechten über die Rolle der Jahreswagen als rollende Neuwagenschikane ist lediglich zu beobachten, wie konsequent auch diesmal auf Action auf dem Oscherslebener Kurs verzichtet wird. So konsequent, dass sich so mancher Pilot abseits der Rennstrecken abreagiert - beispielsweise Heinz-Harald Frentzen, der wenige Tage später auf einer französischen Autobahn mit 84 km/h Tempoüberschreitung geblitzt wird...

Juni: Autokorso statt Autorennen

Auch die DTM erfasst das WM-Fieber, Foto: Audi
Auch die DTM erfasst das WM-Fieber, Foto: Audi

Die Fußball-WM verordnet der DTM eine sechswöchige Zwangspause. Während in deutschen Innenstädten abendliche Autokorsos das Bild bestimmen, stehen in der DTM die Motoren still; lediglich Mercedes dreht einige Testrunden auf dem EuroSpeedway. Die Flucht der DTM-Piloten vor dem Fußballfieber äußert sich derweil in einem verstärkten Langstreckenengagement - das mäßig erfolgreich bleibt: Während der siebenfache Le-Mans-Sieger Tom Kristensen im neuen Audi R10 TDI die Enttäuschung eines dritten Platzes erlebt, werden Timo Scheider und Frank Stippler beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring vom Defektteufel heimgesucht.

Am letzten Junitag hat der Entzug für die DTM-Fans ein Ende - doch auch beim Testfreitag von Brands Hatch gibt es kein Entrinnen vor der Fußball-WM: Nachdem die fußballuninteressierte Minderheit mit einem Augenrollen zur Kenntnis nehmen muss, dass Fußbälle in diesen Tagen neben Getränkeflaschen und Jogurtbechern neuerdings auch Alex Margaritis' C-Klasse zieren, erlebt unsere DTM-Redaktion einen unfreiwillig frühen Feierabend - sehen sich die Piloten doch lieber die Partie Deutschland gegen Argentinien an als Statements zum Testfreitag in die Aufnahmegeräte zu sprechen...

Juli: Anfang vom Ende für Tom Kristensen

Jamie Green erwies sich in Brands Hatch als großzügiger Gastgeber..., Foto: Sutton
Jamie Green erwies sich in Brands Hatch als großzügiger Gastgeber..., Foto: Sutton

Deutschland gewinnt das Elfmeterschießen gegen Argentinien, das Rennwochenende kann weitergehen. Anders als Heinz-Harald Frentzen, dessen Qualifying nach einem Crash auf der britischen Renn-Achterbahn derart jäh endet, dass das Medical Centre für ihn laut eigener Aussage zum "Hospitality" avanciert, sowie Mika Häkkinen, der beim Zeitfahren nach einem Dreher auf der Start-/Ziel-Geraden vorübergehend zum Geisterfahrer wird, erlebt Tom Kristensen mit Pole und souveräner Führung im Rennen einen weiteren Durchmarsch - bis aus dem endgültigen Durchbruch auf dem Weg zur Meisterschaft der Durchbruch der Radaufhängung wird.

So wird Mattias Ekström in der Grafschaft Kent spätestens dann zum Erbprinzen von Brands Hatch, als ihm Lokalmatador Jamie Green nach einem Ausflug ins Grüne großzügig den Sieg überlässt. Drei Wochen später auf dem Norisring wartet Audi vergeblich auf Geschenke aus Stuttgart: Wie gewohnt misslingt das bayrische Heimspiel der Ingolstädter nur allzu gründlich - Bruno Spengler führt seine Markenkollegen zu einem Vierfachsieg. Und obwohl sich der zweitplatzierte Bernd Schneider wenig begeistert von der ausgebliebenen Teamorder zu seinen Gunsten zeigt, darf der Saarländer beruhigt sein: Mit Platz fünf erlebt Tom Kristensen im Meisterschaftskampf eine weitere Pleite - wenngleich Teamchef Hans-Jürgen Abt nach dem Qualifying noch darauf verweist, dass Kristensens Glückzahl sieben doch vielversprechenderweise den Startplatz des Dänen ziert...

August: Kanadischer Erfolgsregen

Auf dem Nürburgring eilt Spengler der Konkurrenz erneut davon, Foto: Sutton
Auf dem Nürburgring eilt Spengler der Konkurrenz erneut davon, Foto: Sutton

Das Fußballfieber ist ebenso Vergangenheit wie die tropische Sommerhitze, der zweite Futurecom-TME-A4 wechselt nach dem kurzen Intermezzo Jeroen Bleekemolens mit Nicolas Kiesa erneut den Besitzer. Und beim sechsten Rennwochenende auf dem Nürburgring regnet es allerhand: Für Alexandros Margaritis aus seiner Sicht unberechtigte Strafen der Sportkommissare, für Frank Stippler weiteres Pech, aus dem gewohnten grauen Eifelhimmel der gewohnte kalte Eifelregen - und damit die Erfolge für Bruno Spengler:

Nachdem der Kanadier Tom Kristensen in letzter Sekunde die Pole Position weggeschnappt hat, was der Däne später fantasievoll als "Magenpumpe" bezeichnet, erlebt der HWA-Youngster am Sonntag auf abtrocknender Strecke eine überlegene Triumphfahrt, der selbst Regenmeister Bernd Schneider nichts entgegenzusetzen hat. Dem kanadischen-deutschen Doppelsieg kann Kristensen, der nach einem Ausrutscher dem erneut brillanten Jean Alesi im Persson-Jahreswagen den vierten Rang überlassen muss, nur aus der Ferne zuschauen - und muss fortan in der Meisterschaft an zwei Fronten kämpfen...