Deutschland zwischen Freudentaumel und Trauerspiel: Die Fußball-WM sowie die Klinsmann-Elf fesseln die Nation an Fernsehbildschirme, Großleinwände und Stadionsitze, in den Folgewochen kehrt mit den lautstark zelebrierten Querelen der Großen Koalition der Alltag ein. Ein Alltag, zu dem auch die Seriensiege des deutschen Vorzeigesportlers Michael Schumacher gehörten - bis sich dieser nach einem hartem WM-Gefecht mit Fernando Alonso unter den Tränen seiner von Flensburg bis Garmisch-Partenkirchen millionenfach vorhandenen Fans endgültig aus der Formel 1 zurückzieht. Dass trotz aller Begleiterscheinungen auch genügend Blicke auf die Deutsche Tourenwagen Masters fielen, überrascht angesichts des Saisonverlaufs nicht...

September: Audi siegt, Mercedes gewinnt

Trotz souveränen Zandvoort-Siegs erleidet Kristensen schon im September Schiffsbruch, Foto: Audi
Trotz souveränen Zandvoort-Siegs erleidet Kristensen schon im September Schiffsbruch, Foto: Audi

Wo Christian Abt verspricht, den Kopf "nicht in den Sand zu setzen", und Audi zum Rennen in selbst gebastelten Pappbooten lädt, da ist das Nordseebad Zandvoort - zumindest dann, wenn Abt bereits auf dem Norisring den (Fahrzeug-)Kopf versehentlich in andere Boliden und sich die gemeine Blaualge gegen das Bootsrennen in ihrem Reich, dem Nürnberger Dutzendteich, zur Wehr gesetzt hat. Auch die Kollegen Tom Kristensens, dessen Boot zwischenzeitlich kentert, sehen sich auch abseits der Nordseewellen mit Wassermassen konfrontiert. Die Regenwolken sehen bis zum Sonntag auch diesmal nicht von der Verfolgung der DTM-Karawane ab.

Im Rennen dürfen Kristensen und Audi verdient aufatmen - wenn auch weniger ausgiebig als erhofft: Von der anfänglichen Audi-Vierfachführung bleibt am Ende nur ein souveräner Solosieg des Dänen übrig, nachdem der in Meisterschaft bereits enteilte Bernd Schneider auf Platz zwei einläuft. Auch drei Wochen später in Barcelona bleibt der Saarländer seinen Positionspräferenzen treu - zum vierten Mal in Folge belegt er den Silberrang. Der überfällige wie souveräne Debütsieg Martin Tomczyks stellt immerhin einen Trost für die nur noch theoretischen Titelchancen Kristensens dar, der entgegen sonstigen Gewohnheiten mehrfach die Kiesbetten erkundet. Schneider ist Beinahe-Meister, die samstäglichen Talkrunden zum kreativen Thema "Blockiert oder nicht blockiert?" mit den Stargästen Dr. Wolfgang Ullrich und Norbert Haug wirken im Nachhinein umso überflüssiger. Wenngleich Haug nach dem Barcelona-Lauf noch immer ankündigt, mit den Bösewichten Kristensen und Mattias Ekström noch ein ernstes Wort reden zu müssen - ebenso wie mit Jean Alesi...

Oktober: Husarenritt & Sturz vom Gaul

Der Erfolgsregen stellt sich für Bernd Schneider vorzeitig ein, Foto: DTM
Der Erfolgsregen stellt sich für Bernd Schneider vorzeitig ein, Foto: DTM

Überraschenderweise zeigen sich die beiden Marken bereits in Le Mans weniger streitfreudig, was das automobile Sozialverhalten der gegnerischen Piloten angeht. Und tatsächlich geschieht das Unvermeidbare: Bernd Schneider erklimmt mit seinem fünften Titel den DTM-Olymp, auf dem er sich ohnehin schon befand. Dass der Rekordmeister nach einem missglückten Qualifying sowie einer noch missglückteren ersten Runde einen Husarenritt mit zahlreichen Überholmanövern gegen herumrollende Mitglieder der von Pierre Kaffer "Pollergedöns" getauften Schikanenbegrenzungen, insbesondere jedoch gegen gegnerische Fahrzeuge hinlegt, um am Ende den rettenden fünften Platz zu erreichen, ändert kaum etwas daran, dass Bruno Spengler mit seinem dritten Saisonsieg Mann des Wochenendes wird - und den Grundstein zum Vizetitel legt.

In Hockenheim muss Tom Kristensen trotz meisterlicher Performance selbst vom Vizemeistertraum Abschied nehmen. Doch damit nicht genug: Ein insbesondere in der Anfangsphase mehr als sehenswertes Finalrennen, das Spengler und Green mit einem Doppelsieg beenden, wird vom Eklat um Pole-Setter Heinz-Harald Frentzen überschattet. Nach suboptimaler Rennstrategie und einem Crash mit Mattias Ekström, der tröstenderweise versichert, dass auf den Regen doch auch wieder die Sonne folge, präsentiert sich der Mönchengladbacher vor der ARD-Kamera nur bedingt als Audi-Werbeträger. Tags darauf gehen Audi und Frentzen getrennte Wege - und der Diskussionsstoff für den November ist gerichtet...

November: Frentzen, Frentzen & Frentzen

Auch ohne DTM-Präsenz präsent: Heinz-Harald Frentzen, Foto: Audi
Auch ohne DTM-Präsenz präsent: Heinz-Harald Frentzen, Foto: Audi

Wir befürchten Schlimmstes: Der Gebrauchtwagenmarkt droht von abgestoßenen Audis, insbesondere den Limousinen der A4-Reihe, die nun zum Fahrradpreis zu haben sind, überschwemmt zu werden; die Neuwagenverkäufe bei Audi einzubrechen. Wird Audi 2007 noch in der finanziellen Lage sein, die DTM zu bestreiten? Die Leserkommentare zum DTM-Ende Heinz-Harald Frentzens - und zu den zahlreichen Artikeln ohne Frentzen-Bezug - lassen uns zunächst zweifeln: Nicht wenige berichten, vom Kauf eines Automobils mit vier Ringen künftig Abstand zu nehmen, wochenlang wird das unbestritten unglückliche DTM-Schicksal des Mönchengladbachers mit Entrüstung kommentiert.

Dabei tut sich weiterhin so Manches: ITR-Chef Hans Werner Aufrecht versucht weiterhin nach Kräften, die Betreiber bislang weniger für die Zahl ihrer Überholmanöver bekannter Strecken zu einem Umbau zu bewegen, neue Teams bewerben sich für den Einsatz der Audi- und Mercedes-Gebrauchtwagen, die mutmaßlichen Einsteiger Alfa Romeo und Lexus würzen einmal mehr die Gerüchteküche, MotoGP-Ass Valentino Rossi unternimmt DTM-Ausflüge in der Mercedes C-Klasse, Mika Häkkinen besinnt sich während eines Formel-1-Test im McLaren-Mercedes längst vergangener Zeiten. Und es zeichnet sich ab: Die deutschen Straßen werden in gewohntem Umfang von Fahrzeugen der Marke Audi bevölkert - die Frentzen-Wut legt sich...

Dezember: Schlafwandeln im Fahrerfeld

Es kehrt Ruhe ein..., Foto: DTM
Es kehrt Ruhe ein..., Foto: DTM

Das Kraftfahrtbundesamt gibt Entwarnung: Weiterhin sind A4 & Co. begehrte Neufahrzeuge, Audi schreibt grüne Zahlen, wenngleich Mercedes in Deutschland wie gewohnt mehr Autos verkauft hat. Was nichts daran ändert, dass Audi in der DTM mehr "Neukunden" verzeichnet: Mit Mike Rockenfeller und Lucas Luhr verpflichten die Ingolstädter zwei frühere Porsche-Piloten; der Generationswechsel beginnt offenbar in den Jahreswagen. Zwar bestimmen bei der nächstjährigen Cockpitbesetzung weiterhin prominente Vertreter der Stuttgarter die Schlagzeilen - diese jedoch lassen sich weder im Falle Mika Häkkinens noch Gary Paffetts, der seit Wochen mit einem DTM-Comeback liebäugelt, zur Bestätigung einer Unterschrift hinreißen.

Dass ausgerechnet die früheren Formel-1-Querköpfe Juan-Pablo Montoya und Jacques Villeneuve bei Audi als Nachfolger Heinz-Harald Frentzens gehandelt werden, lässt zwar bei manchem DTM-Beobachter manch tragische Erinnerung aufkommen. Diese jedoch soll jenen erholsamen Tiefschlaf nicht stören, in den sich die DTM in den letzten Tagen des alten Jahres begeben hat - auf dass ausreichend Kräfte für ein Jahr 2007 gesammelt werden, das gleich drei Blicke in den Rückspiegel rechtfertigt...