Die Welt kennt Schicksale, die mehr Mitleid erregen: Mit Lebensgefährtin Hanne sowie Tochter Carla Malou und Sohn Oliver lebt Tom Kristensen, einst Lehrling bei einem dänischen Bankinstitut, finanziell vermutlich abgesichert in Monaco. Geht es um die größten Rennfahrer unserer Zeit, so fällt angesichts seiner sieben Le-Mans-Siege auch unweigerlich sein Name. Und dennoch mochte heute wohl niemand in der Haut des Dänen stecken...

Flucht aus der Vergangenheit

Große Hoffnungen hatte Tom Kristensen in den vierten Saisonlauf in Brands Hatch gesetzt - von Session zu Session wuchsen sie schneller: In Folge der zweiten Pole Position in Folge hatten sie einen Höhepunkt erreicht. Nachdem Kristensen in Oschersleben erstmals in seiner dreijährigen DTM-Karriere die Tabellenführung an sich gerissen hatte, standen die Chancen auf den Ausbau der Führung bestens.

2005 waren Kristensen die Titel-chancen aus den Fingern geglitten, Foto: DTM
2005 waren Kristensen die Titel-chancen aus den Fingern geglitten, Foto: DTM

Tom Kristensen gedachte, die vergangene Saison vergessen zu machen: Zwar landete der routinierte Langstreckenpilot am Ende auf einem souveränen dritten Gesamtrang, die vorhandenen Titelchancen allerdings waren ihm damals auf unglückliche Weise aus den Fingern geglitten: Zwei Pole Positions in Oschersleben und Nürnberg blieben geradezu ungenutzt - beim ersten Mal selbst verschuldet infolge eines vollkommen misslungenen Starts, beim zweiten Mal ging Kristensens Leistung im rennstrategischen Chaos des sechsten Saisonlaufs 2005 unter. Am Ende war Kristensen trotz relativ konstanter Topleistungen ohne Sieg geblieben.

Auch vor zwei Wochen blieb Kristensen von seinen Ansprüchen entfernt: Gemeinsam mit den letztjährigen DTM-Piloten Rinaldo Capello und Allan McNish landete Kristensen zwar im neuen Audi R10 TDI auf einem passablen dritten Platz - angesichts technischer Probleme musste der Däne, der auf seinen achten Le-Mans-Sieg gehofft hatte, allerdings zusehen, wie das Trio im zweiten R10 TDI souverän den Sieg einfuhr. Siegeshungrig steuerte Tom Kristensen zehn Tage später Brands Hatch an...

Mit dem achten Le-Mans-Sieg wurde es nichts, Foto: Sutton
Mit dem achten Le-Mans-Sieg wurde es nichts, Foto: Sutton

Flucht nach vorne

So nahm die Flucht nach vorne in England ihren Lauf: Jeweils nur knapp verhinderten es die Audi-Jahreswagenpiloten Pierre Kaffer und Frank Stippler, dass Kristensen die Bestzeiten in allen drei Testsessions für sich beanspruchte, in der dritten Session des Qualifyings war ihm niemand mehr gewachsen: Wie entfesselt stellte er zwei Zeitenrekorde des bisherigen Wochenendes auf und distanzierte den zweitplatzierten Jamie Green um - angesichts der Kürze der Strecke beachtliche - zweieinhalb Zehntel.

Im Rennen war die Leistung des Audi-Piloten nicht weniger fulminant: Lediglich in der ersten Boxenstoppphase schien das Projekt 'zweiter Saisonsieg' ins Stocken zu geraten, anschließend hielt Kristensen Green wieder deutlich auf Distanz - bis zum letzten Rennfünftel...

Bis zum Ausfall sah die Konkurrenz Kristensen nur von hinten, Foto: DTM
Bis zum Ausfall sah die Konkurrenz Kristensen nur von hinten, Foto: DTM

Flucht nach Hause

Nachdem am Audi A4 DTM Kristensens vorne links die Radaufhängung gebrochen war und der Däne im Kurvenscheitelpunkte geradeaus fuhr, begann bereits die Heimreise: Nach kurzer Rückwärtsfahrt schleppte der bisherige Meisterschaftsführende sein Fahrzeug auf seinen Boxenstandplatz, wo ihm ein Mechaniker bereits die Fahrertür öffnete: Wortlos schritt Tom Kristensen hinter der Boxenanlage entlang hinein in einen Teamtruck.

Hatte sich Kristensen gestern noch gut gelaunt den Fragen der Journalisten gestellt, so war ihm zu dieser Zeit nicht mehr danach zu Mute: Den Wunsch nach kurzen Statements des Pechvogels wiegelte man bei Audi ab - Tom Kristensen hatte die Heimreise angetreten. "Das ganze Wochenende lief so fantastisch", sprachen nur die Zeilen der Audi-Pressemitteilung stellvertretend seine Worte aus, "ich freue mich für Eki, bin aber natürlich selbst zutiefst enttäuscht..."