Beim vierten DTM-Rennen in Brünn leuchtete der Opel-Blitz wieder einmal hell: Heinz-Harald Frentzen sorgte mit seinem zweiten Startplatz und Rang drei im Rennen für ein erstes Ausrufezeichen in der aus Opelsicht nicht zufrieden stellend gestarteten Abschiedssaison.

Für uns stellte dies Grund genug dar uns mit Opel-Sportchef Volker Strycek an einen Tisch zu setzen und die erste Saisonhälfte noch einmal Revue passieren zu lassen. Im Interview mit unserem motorsport-magazin.com-Redakteur Mike Wiedel verriet Strycek zudem wie wichtig die Fannähe für die Rüsselsheimer ist und wie das große Ziel für den Rest des Jahres lautet.

Für motorsport-magazin.com zog Volker Strycek eine erste Saisonbilanz., Foto: Sutton
Für motorsport-magazin.com zog Volker Strycek eine erste Saisonbilanz., Foto: Sutton

Herr Strycek, nach einem schwierigen Saisonstart mit etlichen Rückschlägen erlebten Sie zuletzt ein starkes Wochenende in Brünn. Wie sieht Ihr bisheriges Saisonfazit aus?

Volker Strycek: Wir haben schon fünf Rennen hinter uns, also fast schon Halbzeit, und sind natürlich nicht zufrieden. Der dritte Platz in Brünn war mit Sicherheit ein gutes Ergebnis, aber mit dem gesamten Saisonverlauf können wir bislang nicht zufrieden sein. Entsprechend hatte ich mir den Saisonverlauf auch etwas anders vorgestellt.

Bei den ersten Rennen war Mercedes klar überlegen. Wie schätzen Sie das derzeitige Kräfteverhältnis zwischen den drei Marken ein?

Volker Strycek: Zwischen Audi und Mercedes ist es sehr ausgeglichen, was man auch an den sehr engen Zeitabständen erkennen kann. Bei den ersten beiden Läufen war Mercedes sicherlich stärker als die Konkurrenz, ab dem dritten Rennen war zu sehen, dass Audi näher herangekommen ist. Das Gewichtsreglement hilft hier natürlich und es ist gut, dass wir uns für diese Regelung entschieden haben. Im Moment sieht es so aus, als ob das Kräfteverhältnis zwischen Audi und Mercedes ziemlich ausgeglichen ist. Wir sind hingegen noch nicht ganz dran.

Welchen Einfluss übt die bereits angesprochene flexible Gewichtsregelung auf das Kräfteverhältnis aus, beispielsweise das Untergewicht bei Opel?

Volker Strycek: Den Begriff Untergewicht mag ich nicht so gern. Das ist auch falsch. Wir haben ein Gewichtsreglement geschaffen, um eine spannende Saison hinzubekommen und wir sehen, dass sich das Gewicht auf der Uhr nicht so bemerkbar macht, wie ursprünglich berechnet. Wir haben gesehen, dass ein Mercedes mit 40 kg mehr gegenüber Opel oder Audi immer noch Rennen gewinnen konnte. Und wir haben auch gesehen, dass der Mercedes auf der Bergaufpassage in Brünn trotz des Mehrgewichts von 40 kg eine schnellste Zwischenzeit gefahren ist. Daran kann man erkennen, dass das Gewicht hilft, am Ende aber nicht als dominante Größe über Sieg oder Niederlage entscheidet. Es ist also ein sehr gutes Tool, welches auch schon in vielen anderen Meisterschaften für einen sehr guten Ausgleich und eine Kostenreduzierung gesorgt hat. Man ist kalkulatorisch immer mit dem Einfluss des Gewichts unterwegs, aber was dann real auf der Uhr zu sehen ist, ist noch einmal etwas anderes. Aber das ist auch gut so. Der Einflussfaktor ist da, keine Frage, und dementsprechend begrüßen wir das auch.

Strycek möchte 2005 noch einen Sieg bejubeln., Foto: Sutton
Strycek möchte 2005 noch einen Sieg bejubeln., Foto: Sutton

Haben Sie sich vielleicht mehr von dieser Regelung erwartet?

Volker Strycek: Nein, wir waren immer realistisch. Die Hersteller haben nicht umsonst vor der Saison intensive miteinander gesprochen, ob man das Gewicht überhaupt reglementieren und feste Maximal- oder Minimalwerte einführen soll oder ob man wie in anderen Serien ein offenes System einführen sollte. Am Ende betreiben wir diesen Sport aber nicht nur wegen einer Besessenheit zu siegen. Vielmehr möchten wir den Zuschauern tollen Sport bieten. Und das macht natürlich mehr Spaß, wenn drei oder irgendwann vielleicht sogar einmal vier Marken um den Sieg kämpfen können.

Auf alle Fälle bewährt, hat sich die Fan-Freundlichkeit der DTM. Für wie wichtig halten Sie den hier praktizierten nahen Kontakt zu den Fans?

Volker Strycek: Wir sind die Marke, die sicherlich das größte Fanpotenzial besitzt. Deshalb sind wir sehr nah dran an unseren Fans und machen wir auch sehr viel für unsere Fans. Wir haben über 850 eingetragene Opel-Clubs mit weit über 20.000 Mitgliedern. Uns konnte also nichts Besseres passieren. Wir waren immer Befürworter dieses eines offenen Fahrerlagers. Dieses hat natürlich auch Nachteile, aber umso schöner ist es, dass wir sehr treue Fans haben, und zwar nicht nur die Marke Opel, sondern die gesamte DTM. Ein Grund dafür ist sicherlich, dass die Zuschauer hier sehr nah an alles herankommen. Unsere Fahrer sind zum Anfassen, unsere Autos sind sichtbar und die Leute haben die Chance in der Boxengasse auf und ab zu gehen, Renntaxifahrten zu gewinnen und mitten im Fahrerlager herumzulaufen. Sie sind also mittendrin und live dabei.

Sie ließen Ihren Wagen zuletzt bei Testfahrten auf Herz & Aerodynamik checken. Welche Schwachpunkte konnten danach beseitigt werden und wo hakt es noch am Auto?

Volker Strycek: Wir haben keinen bestimmten speziellen Schwachpunkt am Auto, sondern wir müssen das gesamte Konzept weiterhin optimieren. Da die Autos mittlerweile so kompliziert geworden sind, kann man nicht mehr nur mit einem Fingerzeig eine große Baustelle benennen. Stattdessen ist es immer ein Zusammenspiel von allen Parametern. Dadurch ergibt sich ein ständiges Weiterentwickeln, ein ständiges Prüfen und ein ständiges Testen. Und zwar um erstens den Rückstand aufzuholen und zweitens das Auto über den Jahresverlauf hinweg zu optimieren. Unser Auto wird also permanent weiterentwickelt, was aber unsere Kollegen genauso machen. Deshalb müssen wir zwei Schritte auf einmal machen und umso schwieriger ist es den Anschluss zu finden.

Wie schwerwiegend war in diesem Zusammenhang der Verlust von Günther Steiner, der bekanntlich in Richtung Formel 1 und Red Bull Racing wechselte?

Marcel Fässler konnte bei zwei Rennen Punkte sammeln., Foto: Sutton
Marcel Fässler konnte bei zwei Rennen Punkte sammeln., Foto: Sutton

Volker Strycek: Wir haben mit ihm eine neue Struktur aufgebaut und sehr viel Vertrauen gesetzt sowie eine große Erwartung an ihn gehabt. Es war eine sehr angenehme Zusammenarbeit mit ihm, aber der Ausstieg von Opel im kommenden Jahr war für viele Mitarbeiter keine erfreuliche Nachricht. Zu diesem Zeitpunkt hat er beinahe zeitgleich das Angebot von Red Bull bekommen und das war für uns schon ein herber Schlag und sehr schade. Wir trauern ihm wirklich noch hinterher, da es eine sehr fruchtbare Zusammenarbeit mit ihm war. Und wenn der Technische Direktor, der für das Gesamtfahrzeug und die technische Entwicklung verantwortlich ist, aus dem Projekt aussteigt, ist dies ganz klar ein Nachteil.

Welche Entwicklungsschritte können wir für den Rest der Saison noch am Vectra GTS erwarten?

Volker Strycek: Ich kann jetzt natürlich nicht verraten, was wir noch alles tun werden, aber wir werden weiter arbeiten. Das geht schon damit los, dass wir hier am Montag in Oschersleben testen werden. Natürlich ist das Ziel ganz klar Rennen zu gewinnen. Dieses Ziel müssen wir ganz einfach haben und daran hält das gesamte Team fest.

Trotz des angekündigten DTM-Ausstiegs gibt es immer wieder Gerüchte, dass man die Vorstandsentscheidung durch eine Supersaison möglicherweise noch umstimmen könne. Glauben Sie daran und wenn ja: Sind solche Ergebnisse noch möglich?

Volker Strycek: Der Beschluss des Ausstieges hat nichts damit zu tun, ob wir 22 Rennen gewinnen oder dritte Marke im Feld sind. Das Ganze hatte mit der Unternehmenslage zu tun und war eine budgetäre Geschichte. Deshalb war der Erfolg erst einmal sekundär. Natürlich ist Motorsport ein emotionaler Sport und wenn man Erfolg hat, und das haben wir beispielsweise mit dem dritten Rang in Brünn erlebt, lädt man sich auf. Und natürlich ist die Marke Opel im Markt deutlich optimiert und auch deutlich stärker geworden als dies noch vor einem Jahr der Fall war. Das steigert selbstverständlich automatisch die Stimmung und Atmosphäre im Unternehmen. Aber damit ist nicht gesagt, dass der Gewinn aller noch ausstehender DTM-Rennen, automatisch den Erhalt der DTM für Opel sichern würde. In der Konstellation, wie wir sie heute hier haben, also mit einem Werkseinsatz, sehe ich uns aber im nächsten Jahr definitiv nicht mehr in der DTM. Aber die Marke könnte dennoch am Start stehen. Das sehe ich nicht ganz so weit weg.

Die Richtung steht fest: Ein Sieg soll her., Foto: Sutton
Die Richtung steht fest: Ein Sieg soll her., Foto: Sutton

Es gibt also noch Möglichkeiten, auch 2006 noch Opel am Start zu sehen?

Volker Strycek: Wir arbeiten an Konzepten, die so etwas ermöglichen könnten, am Ende muss aber das Unternehmen entscheiden. Diese Entscheidung steht bis zum heutigen Tage allerdings noch aus.

Was ist also das Saisonziel, das Sie mit Ihren vier Piloten bis zum Finale in Hockenheim erreichen möchten?

Volker Strycek: Unser Ziel ist es noch immer Rennen zu gewinnen. Wir sind nicht nur hier, weil wir dabei sein wollen. Unsere Voraussetzungen waren denkbar schlecht, da wir den Ausstieg aus der DTM mitten in der Entwicklungphase des neuen Autos erlebt haben. Wir hatten dadurch eine starke Fluktuation in unserer Mannschaft. Doch obwohl uns dies geschwächt hat, haben wir nicht aufgegeben und sind trotzdem nach Hockenheim gekommen. Deshalb halten wir auch weiterhin an unserem Ziel fest, dass wir auch am Ende noch vorne dabei sein können.