Hast du deinen Erfolg bei der Rallye Dakar mittlerweile realisieren können?
Nasser Al-Attiyah: Ja, und es ist wirklich ein tolles Gefühl, denn auf den Sieg habe ich schon lange gewartet. Meine Landsleute haben mich immer unterstützt und den Sieg herbeigesehnt, nun wurden sie für ihr Warten belohnt. Wir haben es endlich geschafft und ich bin sehr glücklich.

Was bedeutet der Sieg für dich?
Nasser Al-Attiyah: Der Sieg ist für mich von sehr großer Bedeutung. Man hat mich immer unterstützt und ich bin mir sicher, dass mein Sieg auch für das Land Katar von großer Bedeutung ist. Der Motorsport wird jetzt einen Aufschwung erleben, eine neue Generation erreichen. Viele Firmen haben bereits angefragt, wie sie mich bei den nächsten Rallyes unterstützen können.

Was braucht man alles für einen Sieg bei der Dakar?
Nasser Al-Attiyah: Man muss ein richtiger Allrounder sein. Erfahrung spielt eine große Rolle, aber auch die Navigation und der Beifahrer. Es ist auch sehr wichtig, dass man das beste Team mit dem besten Auto hat. An dieser Stelle muss ich Volkswagen wirklich loben, sie haben einen tollen Job gemacht.

Du stammst aus der Wüste - hilft dir das im Cockpit?
Nasser Al-Attiyah: Nun, wir haben in Katar jede Menge Sand und so habe ich viel Erfahrung auf diesem Untergrund. Ich war jetzt schon ein paar Mal bei der Dakar dabei und wollte mich immer weiter steigern und die Rallye irgendwann gewinnen. Man findet allerdings immer wieder Kleinigkeiten, in denen man sich noch verbessern kann. In diesem Jahr war die Fitness zum Beispiel ein großes Thema.

Nasser Al-Attiyah freute sich sehr über seinen ersten Sieg bei der Rallye Dakar, Foto: Volkswagen Motorsport
Nasser Al-Attiyah freute sich sehr über seinen ersten Sieg bei der Rallye Dakar, Foto: Volkswagen Motorsport

Wann genau hast du mit dem Rallye-Sport begonnen?
Nasser Al-Attiyah: Das war 1990, ich habe also schon viel Erfahrung, auch wenn ich von 1995 bis 2003 eine Pause eingelegt habe. In dieser Zeit habe ich mich mit dem Tontaubenschießen beschäftigt, was mir auch für den Rallye-Sport viel gebracht hat. Dort habe ich den Siegeswillen bekommen und gelernt, mich voll zu konzentrieren.

Nach den ersten Etappen der Dakar lagst du hinter deinem Teamkollegen Carlos Sainz. Wann hast du gemerkt, dass du attackieren musst?
Nasser Al-Attiyah: Das war von Anfang an meine Strategie. Letztes Jahr habe ich nach drei Etappen geführt und stand unter Druck, weil ich der Gejagte war. Jetzt war es genau das Gegenteil. Ich war immer in einer guten Position und musste nicht viel Risiko eingehen. Erst als es in die Wüste ging habe ich das Tempo erhöht, denn dort kommt es darauf an.

Wann war dir klar, dass dir den Sieg niemand mehr nehmen kann?
Nasser Al-Attiyah: Als ich sechs Minuten Vorsprung auf Carlos herausgefahren hatte, war mir klar, dass ich gewinnen werde. Letztes Jahr lag ich nur zwei Minuten vorne, die hat man schnell verspielt. Aber bei sechs Minuten hat man genügend Puffer und kann das Rennen kontrollieren. Es war wie ein Spiel bis ins Ziel und der Druck auf Carlos wurde immer größer, bis er dann den entscheidenden Fehler gemacht und sein Auto zerstört hat.

Wie ist es, wenn man ein so wichtiges Rennen gegen seine Teamkollegen bestreiten muss?
Nasser Al-Attiyah: Für uns ist das kein Problem, abseits der Strecke verstehen wir uns alle sehr gut. Dieses Jahr war es ohnehin etwas besonderes, da die drei besten Piloten zu Beginn deutlich schneller waren, als der Rest des Feldes. Nach fünf oder sechs Tagen lagen Carlos, Stéphane Peterhansel und ich schon weit vor dem restlichen Feld. Und trotzdem war es für uns richtig schwer.

Für viele Hersteller ist die Dakar das wichtigste Rennen. Wie groß ist der Druck auf euch Fahrer?
Nasser Al-Attiyah: Der Druck ist natürlich enorm. Wir alle wissen, dass ein Fehler schon das Aus bedeuten kann, Game Over. So wie es bei Carlos der Fall war. Bei der Dakar muss man immer konzentriert sein und darf keine Fehler machen. Ich muss mich auch bei meinem Beifahrer Timo bedanken, der als Navigator sehr viel Verantwortung trägt.

2011 hat gerade erst begonnen. Wie verbringst du den Rest des Jahres?
Nasser Al-Attiyah: Für mich geht es direkt mit der IRC im Mittleren Osten weiter. Danach stehen die ersten Veranstaltungen in der WRC an, wo ich mit einem Ford Fiesta an den Start gehen werde. Ich kenne das Auto bereits aus dem letzten Jahr und habe ein sehr gutes Team gefunden.

Nasser Al-Attiyah mit seinem Ford Focus S200o in der WRC, Foto: Sutton
Nasser Al-Attiyah mit seinem Ford Focus S200o in der WRC, Foto: Sutton

WRC und Dakar haben ja kaum etwas gemeinsam...
Nasser Al-Attiyah: Das stimmt, es gibt sehr große Unterschiede. Die Geschwindigkeit bei der WRC ist ganz anders als bei der Dakar, außerdem sitzt man nicht sechs oder sieben Stunden im Auto, sondern nur 30 Minuten. Die einzelnen Wertungsprüfungen an einem Wochenende sind viel mehr kleine Sprintrennen.

Und wie sehen deine Pläne für das Tontaubenschießen aus?
Nasser Al-Attiyah: Ich habe schon direkt nach der Dakar mit dem Training begonnen, es stehen viele Weltcups an, als Höhepunkt natürlich die Weltmeisterschaft im Sommer. Im Fokus steht aber schon jetzt London 2012.

Ist eine olympische Medaille nach dem Dakar-Sieg dein nächstes Ziel?
Nasser Al-Attiyah: Ja, auf jeden Fall. Ich habe schon viele Turniere gewonnen, gerade im Mittleren Osten. Auch einen Sieg bei der Dakar habe ich jetzt auf dem Konto, da fehlt eigentlich nur noch Olympia. Das letzte Mal bin ich nur Vierter geworden und habe keine Medaille gewonnen, aber das soll sich in London ändern.

Das Interview mit Nasser Al-Attiyah stammt aus der Printausgabe des Motorsport-Magazins. Mehr Technikhintergründe, Interviews und Reportagen lesen Sie im Motorsport-Magazin - im gut sortierten Zeitschriftenhandel oder am besten direkt online zum Vorzugspreis bestellen: