Für Teilnehmer und Fans gehört die Rallye Schweden zu den unverzichtbaren Elementen der Rallye-Weltmeisterschaft, und mit der Schneerallye rund um Karlstad gelten Spike-Reifen ebenso als fester Bestandteil des WM-Zirkus - mit einer Ausnahme: Im ersten Jahr der Markenweltmeisterschaft 1973 waren die kleinen Nägel in den Reifen nicht zugelassen. Damals gewann die schwedische Rallye-Legende Stig Blomqvist in einem Saab 96 V4.

Danach genossen die Reifen-Konstrukteure in puncto Reglement zunächst sehr große Freiheiten. In den 70er Jahren verfügten die schmalen Winterpneus über bis zu 600 Spikes, und ihre Spitzen waren wie Krallen geformt. Ähnlich wie ein Raubtier in seine Beute krallten sich die Nägel in die verschneiten und vereisten Highspeed-Bobbahnen des schwedischen Värmlands fest und beflügelten die Piloten zu immer neuen Bestleistungen. Bis heute hat sich die Rallye-Weltmeisterschaft bei der Technologie der Fahrzeuge und der Reifen enorm weiterentwickelt. Ein frontgetriebener Saab 96 V4 kommt wohl ebenso wenig an das Leistungsniveau der hochmodernen 300-PS-Allradler von Citroën, Ford und Subaru heran wie die damaligen Spikes an das Leistungsniveau des aktuellen BFGoodrich g-Force Ice.

Eiskünstler: Gripniveau vergleichbar mit Regenreifen

"Die Spikes bieten auf Schnee einen vergleichbaren, wenn nicht sogar höheren Grip als der, den wir auf Schotterrallyes vorfinden", erklärt der dreifache Weltmeister und BFGoodrich Partner Sébastien Loeb. "Selbst bei sehr rutschigen Bedingungen ermöglichen sie uns extrem späte Bremspunkte und schnelles Durchfahren der Kurven. Im ersten Moment ist das wirklich verblüffend." Die Eindrücke des Citroën-Piloten und ersten nicht-skandinavischen Schweden-Siegers (2004) bestätigen die Daten von BFGoodrich: Die Haftung beim Bremsen und in Kurven ist auf Eis höher als auf Schotter. In der Tat ist das Gripniveau vergleichbar mit dem eines Regenreifens auf sanftem, nassen Asphalt. Die Traktion beim Beschleunigen hingegen reicht nicht an das Niveau von Regen- oder Schotterreifen heran.

Wegen der starken Einschränkungen durch das Reglement liegen die Unterschiede im Detail: "Beim BFGoodrich g-Force Ice ,normal stud' stehen die Spikes die Winzigkeit von fünf Millimetern weniger weit aus dem Pneu heraus als beim ,long stud'. Das ist zwar nicht viel, kann aber gewaltige Unterschiede ausmachen. Bei längeren Spikes vergrößert sich die Auflagefläche und sie krallen sich tiefer im Eis fest. Je nach Reifendruck berühren pro Rad 18 bis 20 Nägel gleichzeitig die Fahrbahn. Ein Unterschied von 0,5 Millimetern verändert die Auflagefläche also um elf Prozent - das beeinflusst die Traktion und Spurtreue gewaltig", erklärt Thierry Kindt, Reifen-Entwickler bei BFGoodrich. Wie stark sich eine solche Differenz bei Tempo 200 auf einer schmalen, verschneiten Schotterstraße auswirkt, dürfte wohl jedem Autofahrer einleuchten.

Die Spikes: Auf die Länge kommt es an

"Viele denken jetzt sicher: Je mehr Metall aus einem Reifen herausragt, desto besser funktioniert er. Doch das ist nicht der Fall, weil es auch in dieser Hinsicht gewisse Grenzen gibt", fährt Kindt fort. Diese lassen sich in drei Bereiche einteilen: Erstens müssen sich die Spikes tief genug in das Eis bohren. Die Nägel sollten komplett in der Fahrbahn verschwinden, damit das Gummi der Lauffläche den Boden berührt. Falls dies nicht geschieht, lässt sich das Auto unmöglich unter Kontrolle halten.

Zweitens kommt es stark auf den Untergrund an. Die längeren Spikes funktionieren nur bei ausreichend losem Schnee von mindestens zwei bis drei Zentimetern Höhe. Sonst beginnen die Nägel, sich in ihrer Fassung zu bewegen und das Auto reagiert darauf mit einem instabilen Fahrverhalten. Auf besonders eisigen Prüfungen können die Spikes sogar abbrechen oder herausfallen.

Drittens muss die Proportion des Spikes innerhalb und außerhalb des Reifens sowie die Verklebung mit dem Pneu stimmen. "Damit der Nagel ordentlich im Profil hält, sollte sich genügend Metall innerhalb des Gummis befinden. Ansonsten kann der Spike auch aus diesem Grund herausfliegen", so Kindt. So einfach diese Aufgabe auf dem Papier klingen mag, in der Realität stellt sie die Ingenieure vor eine große Herausforderung, denn lediglich 70 bis 80 Spikes müssen die Kraft von 300 PS Allrad-PS auf die Straße übertragen, atemberaubende Bremsmanöver überstehen und die 1230 Kilogramm schweren World Rally Cars bei Geschwindigkeiten von bis zu 200 km/h im Grenzbereich in der Kurve halten. Dazu fordern die Piloten ihre Pneus durch das "Schneiden" der Kurven und erbarmungslose Sprünge - und das auf bis zu 50 Kilometer langen Sonderprüfungen.

Grönholm siegte in Schweden dank der richtigen Reifenwahl

Die Herausforderung meisterte der im französischen Clermont-Ferrand hergestellte und von schwedischen Spezialisten mit Spikes versehene BFGoodrich g-Force Ice in den vergangenen beiden Jahren nahezu perfekt. 2006 entschied BFGoodrich Partner Marcus Grönholm im Ford Focus die Rallye Schweden zu seinen Gunsten, Anfang Februar konnte "Magic Marcus" seinen Vorjahreserfolg rund um Karlstad wiederholen. Bei beiden Schneerallyes setzte er sich dank der richtigen Reifenwahl gegen seinen ebenfalls auf BFGoodrich fahrenden Konkurrenten Sébastien Loeb durch.

"Wie im Jahr 2006 lieferten sich Marcus und Sébastien bis zur Mitte des zweiten Tages ein packendes Kopf-an-Kopf-Duell, obwohl sie vom Start weg unterschiedliche Reifen-Strategien wählten", berichtet Matthieu Bonardel, bei BFGoodrich für das Rallye-Engagement verantwortlich. "Loeb entschied sich grundsätzlich für die Variante mit längeren Nägeln. Diese Taktik zahlte sich anfangs aus, weil Séb am ersten Tag als Erster auf der Strecke den Schneepflug spielte. Am zweiten Tag war die Situation nicht so eindeutig, und seine Reifenwahl erwies sich auf der zweiten Schleife der Prüfungen vermutlich sogar als Handicap." Am Samstagnachmittag verlor der Elsässer entscheidend an Boden und konnte diesen bis zum Finale nicht wieder gut machen. Mit anderen Worten: Grönholm hat die Rallye mit einem Abstand von 0,5 Millimetern gewonnen - so groß war der Unterschied seiner "normal studs" gegenüber den "long studs" von Loeb.

BFGoodrich Partner Hirvonen sorgt in Norwegen für Überraschung

In Norwegen zeigte sich den Piloten ein gänzlich anderes Bild. Die Strecken forderten die Piloten nicht nur wegen ihres engeren und kurvenreicheren Verlaufs, sondern auch aufgrund starken Schneefalls: "Die Prüfungen in Norwegen - insbesondere am Samstag - boten wegen des tiefen Schnees weniger Grip", so Bonardel. "Die Fahrer gaben uns ein ähnliches Feedback wie nach den Auftaktprüfungen in Schweden. Auf dem festeren Schnee am Sonntag verbesserte sich auch in Norwegen das Gripniveau."

Mit den Bedingungen kam überraschenderweise Youngster Mikko Hirvonen im BFGoodrich-bereiften Ford Focus am Besten zu Recht. Der "fliegende Finne" ging bereits auf der ersten WP in Führung und behauptete seine Spitzenposition bis ins Ziel - immer dicht gefolgt von seinem Teamkollegen Marcus Grönholm. "Ich traf gleich zu Beginn der Rallye eine sehr gute Reifenwahl (,extra long stud') und konnte mir dadurch einen Vorsprung herausfahren", so der strahlende Sieger. "Am nächsten Tag wusste ich, dass alle auf der 44 Kilometer langen Prüfung angreifen würden, deswegen gab ich auch Vollgas. Auf dem frischen Schnee erledigte der g-Force Ice in der Variante ,long stud' seine Aufgabe hervorragend, obwohl die Verhältnisse schwierig waren und den ganzen Tag über so blieben."

So vielseitig die Bedingungen in Schweden und Norwegen waren, BFGoodrich hatte für jeden Untergrund die passende Antwort parat. "Unsere Partner setzten fast die ganze Bandbreite des BFGoodrich g-Force Ice ein - vom ,normal stud' über den ,long stud' bis hin zum ,extra long stud'", beschreibt Bonardel. "Die Reifenwahl spielte in Schweden eine entscheidende Rolle, am vergangenen Wochenende erwies sie sich als nicht so kritisch. Da die Fahrer bei der Wahl der Spike-Länge einen Kompromiss zwischen Performance und Haltbarkeit eingehen müssen, wird es schwierig, nächstes Jahr unter der Einheitsreifenregelung eine einzelne Pneu-Konstruktion für Winterrallyes zu entwerfen."

Das Spike-Reifen-Reglement im Detail

Bei den in der Rallye-WM eingesetzten Spike-Reifen gibt die FIA praktisch alle Parameter vor: Allen Piloten steht lediglich ein Laufflächenprofil zur Verfügung, in dieses dürfen in einem Umkreis von 30 Zentimetern höchstens 60 Spikes eingelassen werden. Die maximale Länge der einzelnen Spikes darf maximal 20 Millimeter betragen, das Gewicht nicht vier Gramm überschreiten. Der Durchmesser der zylindrischen Nägel darf maximal neun Millimeter betragen, in der Mitte der Spikes nicht mehr als 2,5 Millimeter. Außerdem schreibt die Motorsportbehörde vor, dass die Nägel von außen angebracht werden. Diese Aufgabe übernimmt die schwedischen Firma Däckproffsen für BFGoodrich, die die Wolfram-Spikes nach einem speziellen Verfahren in die Reifen klebt.

Jeder Reifen verfügt über das maximal erlaubte Limit von 384 Wolfram-Spikes, die sich bei einer Geschwindigkeit von 120 km/h 17 Mal pro Sekunde in den Boden eingraben, um dem Fahrer optimale Traktion zu liefern. Wegen der wechselhaften Bedingungen variiert die Länge der Spikes, die aus dem Reifen herausragt, von Typ zu Typ. BFGoodrich bietet den g-Force Ice in den Versionen "long stud"mit 7 mm langen Spikes für festen Schnee, "normal stud" (6,5 mm) für eisige Pisten und "short stud" (5,5 mm) für gefrorenen Schotter an. Im weichen Neuschnee Norwegens kam zudem der "extra long stud" (8 mm) zum Einsatz.