Die vereisten Strecken sind so glatt, dass Fußgänger Mühe haben, sie ohne Sturz zu überqueren. Die Elite des Rallye-Sports scheint dies nicht im Geringsten zu kümmern: Sie pfeilen mit Topgeschwindigkeiten von mehr als 200 km/h durch die winterlichen Bobbahnen der Rallye Schweden. Den für diese abenteuerlichen Tempi notwendigen Halt geben ihnen ihre BFGoodrich Spike-Reifen, die sich mit jeweils 354 speziell hergestellten Wolfram-Nägeln im Untergrund verbeißen - für die faszinierten Zuschauer am Streckenrand ein atemraubendes Spektakel sondergleichen.

Temperaturen deutlich unter dem Gefrierpunkt und satter Schneefall vor Beginn des zweiten Laufs zur diesjährigen Rallye-Weltmeisterschaft sorgten nördlich des Rallye-Zentrums in Karlsberg für perfekte Ausgangsbedingungen - eine Steilvorlage, die die Akteure mit Wonne für Motorsport vom Feinsten nutzten. So sorgte ein Außenseiter bereits auf der ersten Wertungsprüfung, dem lediglich 1,0 Kilometer langen Zuschauersprint am Donnerstagabend, für eine Überraschung: Toni Gardemeister warf seinen Mitsubishi Lancer WRC in Bestzeit um den Kurs - nicht schlecht für ein nicht mehr ganz taufrisches World Rally Car. Weltmeister Sébastien Loeb indes verbuchte einen Fehlstart: Der Franzose würgte seinen Citroën C4 WRC ab und büßte 8,1 Sekunden ein.

Der echte Sport jedoch begann erst am Freitag, dies dafür ebenfalls mit einem Paukenschlag: Subaru-Pilot Petter Solberg - seit Beginn des Jahres ebenfalls auf Pneus von BFGoodrich unterwegs - riss mit der ersten Bestzeit des Morgens die Führung an sich, die er bis zum ersten Besuch des Service-Parks in Hagfors nach WP 4 verteidigen konnte. "Kein schlechter Auftakt", freute sich der Zuschauerliebling, der nach dem Wechsel des Reifenpartners wieder mit konkurrenzfähigen Zeiten aufwarten kann - auch wenn das volle Verständnis für die BFGoodrich Rundlinge noch Verbesserungspotenzial aufweist: "Unser Auto verschleisst mit dem aktuellen Set-up die Pneus zu sehr, daran müssen wir arbeiten."

Obwohl Loeb bereits auf WP 4 die erste Schweden-Bestzeit am Steuer seines brandneuen Citroën C4 in den Schnee stanzte, so war es doch Vorjahressieger Marcus Grönholm, der Solberg an der Spitze ablösen sollte. "Heute Morgen lag mehr Neuschnee auf der Straße als gedacht, uns fehlte anfangs etwas Grip. Aber das wurde anschließend immer besser", so der Werkspilot von Ford. "Ich denke, unser Griff zu den langen 7-Millimeter-Spikes von BFGoodrich war doch die richtige Wahl."

Eine Entscheidung, die sich am Nachmittag bestätigen sollte: Mit drei Bestzeiten auf den anstehenden vier Prüfungen verschaffte sich Grönholm einen kleinen Vorsprung auf Loeb. "Auf der langen 24,6-Kilometer-WP dachte ich schon, ich hätte zu hart attackiert und zu viele Spikes aus meinen Pneus gerissen", gestand der zweifache Weltmeister. "Aber dem war gar nicht so."

Sein französischer Konkurrent, der 2004 die Schweden-Rallye als erster Nicht-Skandinavier gewinnen konnte, ließ aber auch nicht locker - auch wenn er auf der fünften Prüfung von einem Helikopter behindert wurde, der vor ihm den Schnee aufwirbelte. Mit einer fantastischen Bestzeit auf WP 7 katapultierte sich "Super-Seb" - der als erster auf der Strecke "Straßenfeger" für alle Nachfolgenden spielen musste - auf die zweite Position, noch vor Petter Solberg, Kronos-Citroën-Privatier Daniel Carlsson, Henning Solberg im Stobart-Focus RS WRC und Mikko Hirvonen im zweiten Werks-Ford. "Ich will den Rückstand auf Grönholm nicht zu groß werden lassen", so der Titelverteidiger. "Unser Auto lässt sich super fahren, ist gut ausbalanciert und besitzt ein tolles Handling. Morgen starten wir nicht mehr als Erste, vielleicht können wir sogar um den Sieg kämpfen."

Die richtige Reifenwahl entpuppte sich als Vorentscheidung

Das Duell der beiden Großmeister setzte sich am Samstag fort: Loeb eröffnete mit der ersten Bestzeit des Tages, Grönholm konterte unverzüglich. Dann jedoch gelang dem Finnen im Service-Park ein entscheidender Schachzug: Er wechselte von den langen BFGoodrich Spikes auf eine Version mit etwas kürzeren Nägeln, da auf den folgenden Prüfungen bereits Schotter durch die aufgewühlte Eisschicht lugte. "Unsere Reifenwahl war perfekt", grinste der Finne. "Ich habe hart attackiert, ohne zu viel zu riskieren. Unser Ford Focus fühlt sich gut an und lenkt fantastisch ein."

Loeb indes kämpfte mit stumpfen Waffen. "Als ich die ersten Zwischenzeiten auf dem Display gesehen habe, wusste ich, dass wir in Schwierigkeiten stecken", gestand der dreifache Weltmeister, der auf den Prüfungen "Tontorp 2" und "Vargasen 2" insgesamt 17,1 Sekunden verlor: "Unserem Fahrverhalten fehlte einfach die Präzision. Ich konnte nur noch versuchen, den Zeitverlust so gering wie möglich zu halten." Grönholm kannte jedoch keine Gnade: Auch die letzten drei WP der zweiten Etappe beendete er jeweils als Schnellster und baute so seinen Vorsprung vorm Final-Sonntag auf 38,4 Sekunden aus. War damit der Fisch geputzt? "Eine Kurve falsch anfahren, schon steckst du in der nächsten Schneewand und der Vorsprung ist dahin", warnte der 39-Jährige vor falscher Lässigkeit.

BFGoodrich Partner Marcus Grönholm fuhr seinem fünften Schweden-Sieg entgegen

Die Schlussattacke von BFGoodrich Partner Sébastien Loeb blieb am Sonntag - der mit Temperaturen von -26 Grad Celsius überraschte - wie erwartet aus: Der "Monte"-Sieger gab sich mit einem zweiten Rang zufrieden, der ihm auch weiterhin die Tabellenführung sicherte. "Ein perfektes Wochenende ohne das kleinste Problem - von den bitterkalten Temperaturen heute morgen einmal abgesehen", freute sich Grönholm über seinen fünften Erfolg bei der Rallye Schweden, seinem insgesamt 26. WM-Laufsieg. Damit zieht der Ford-Pilot in der ewigen Bestenliste mit Carlos Sainz gleich, dem Zweitplatzierten.

Platz drei ging an Ford-Junior Mikko Hirvonen, der am Freitag von einer kollabierten Lenkung aufgehalten worden war, sich dann aber sukzessive wieder nach vorne kämpfte. "Dies ist mein fünfter Start bei dieser Rallye, und ich wünsche mir nichts mehr als ein Resultat unter den besten Drei. Mein Focus liegt perfekt. Am Samstag habe ich voll angegriffen, ohne eine Dummheit zu riskieren." Bereits auf WP 11 hatte sich der Finne seinen norwegischen Markenkollegen Henning Solberg geschnappt, der auf der vorletzten Samstags-Prüfung - geblendet vom Sonnenuntergang - einen satten Dreher aufs verschneite Parkett gelegt hatte.

Dahinter tobte lange Zeit ein verbissenes Duell um Rang fünf. Die Akteure: Subaru-Youngster Chris Atkinson, Daniel Carlsson im Kronos-Citroën Xsara und Toni Gardemeister, der im Mitsubishi Lancer erstaunlich flott unterwegs war. Als erster verabschiedete sich Atkinson aus dem Wettstreit der BFGoodrich Piloten: Er stopfte seinen Impreza WRC auf WP 18 in eine Schneewand und konnte die letzten Prüfungen nur noch im Schritttempo beenden. Der Australier, der sich auf dem für ihn ungewohnten Terrain bis dahin tapfer geschlagen hatte, erreichte das Ziel auf Platz acht. Atkinsons Teamkollege Petter Solberg büßte bereits auf der WP 10 alle Chancen ein: Der Ex-Weltmeister hatte seinen Subaru so tief in einer Schneewehe versenkt, dass die anwesenden Zuschauer gut 14 Minuten brauchten, um den blauen Turbo-Allradler wieder zurück auf die Strecke zu tragen.

Gardemeisters Schlussattacke führte ihn noch bis auf 16,4 Sekunden an Carlsson heran, mehr als Position sechs lag für den Finnen - der aufgrund eines Antriebswellenschadens zuvor zwei Minuten verloren hatte - jedoch nicht mehr in Reichweite. Als Siebter nahm Manfred Stohl zwei WM-Punkte mit nach Hause.