Der Einstieg in die Rallye-Weltmeisterschaft hätte für BFGoodrich kaum besser laufen können: Partnerteams der Reifenmarke entschieden die ersten fünf Saisonläufe für sich. Nach dem Triumph des brandneuen Ford Focus RS von Marcus Grönholm/Timo Rautiainen bei den beiden Winter-Veranstaltungen rund um Monte Carlo und in Schweden war es Citroën Xsara WRC-Pilot Sébastien Loeb, der auf mexikanischem Schotter ebenso siegreich blieb wie bei den Asphalt-Klassikern in Spanien und auf Korsika. Aimé Chatard, zuständig für das Rallye-Engagement von BFGoodrich, über das Erfolgskonzept der Marke, Besonderheiten von Rallye-Rennreifen und die einzigartigen Belastungen, mit denen die "Tour de Corse" die Pneus der World Rally Cars strapaziert.

Aimé, wie lautet Ihre Analyse der beiden zurückliegenden Asphalt-Läufe aus der Sicht von BFGoodrich?

Aimé Chatard: Wir sind natürlich sehr zufrieden, denn das Ergebnis lässt sich für uns kaum noch steigern. In Spanien rollten die ersten Sechs der Gesamtwertung auf unseren Pneus ins Ziel, auf Korsika haben wir sogar die sieben Erstplatzierten mit Reifen ausgerüstet. Zugleich setzten unsere Partner auf jeder einzelnen Wertungsprüfung die Bestzeit. Vielen privaten Teams ermöglichten wir es, es mit Werksfahrern aufnehmen zu können. Und dies, obwohl unser Kontrahent für beide Veranstaltungen eigens neue Pneus entwickelt hatte.

Sowohl die Rallye Spanien als auch die "Tour de Corse" fanden 2005 jeweils im Herbst statt, in dieser Saison aber bereits im Frühjahr. Hatte dieser kurze zeitliche Abstand eine Auswirkung auf die Reifen?

Aimé Chatard: In der Tat. In erster Linie ließ uns diese Modifikation des Rallye-WM-Kalenders natürlich nur wenig Zeit, unsere Pneus nach den Erfahrungen des Vorjahres weiterzuentwickeln. Zudem mussten wir unsere Testfahrten zur Vorbereitung auf beide Veranstaltungen bereits im Februar und März durchführen, also bei sehr viel kühleren Luft- und Asphalttemperaturen. Ganz abgesehen von der Herausforderung auf logistischer Seite, denn viele private Teams setzten ihre Testfahrten sehr kurzfristig - um nicht zu sagen: in letzter Minute - an.

Wie haben sich die Wertungsprüfungen selbst unterschieden?

Aimé Chatard: Die Temperaturen, die uns in Spanien und auf Korsika erwarteten, entsprachen im Großen und Ganzen den Bedingungen, die wir dort auch im vergangenen Herbst vorgefunden haben. Erstaunlicherweise präsentierte sich das Wetter jedes Mal sehr schön. Die Fahrer allerdings klagten unisono darüber, dass die Fahrbahnen sehr schmutzig waren - insbesondere, wenn die Prüfungen zum zweiten Mal gefahren wurden. Ob dies nun an der kurzen Pause seit dem Vorjahr gelegen hat oder ob die Teilnehmer mit ihren World Rally Cars in den Kurven noch stärker über das Bankett abkürzten als zuvor, vermag ich nicht zu sagen. Auf jeden Fall ist uns bei beiden Rallyes eine höhere Zahl an Reifenschäden aufgefallen, die gottlob und dank des pannenresistenten "Mousse"-Systems keinen Einfluss auf das Ergebnis hatten.

Werden die Rennreifen von Rallye-Fahrzeugen auf Asphalt besonders gefordert?

Aimé Chatard: Absolut. Genau genommen gibt es keinen anderen Straßenbelag, der Wettbewerbs-Pneus derart fordert. Den Reifen wird nicht die kleinste Atempause gegönnt. Beim Bremsen, unter voller Beschleunigung und auch in den Kurven sind sie extremen Belastungen ausgesetzt. Aus unserer Sicht gibt es keine schwierigere Aufgabe als die Entwicklung von Pneus für Asphalt-Rallyes.

Spanien oder Korsika - welche der beiden WM-Läufe ist diesbezüglich anspruchsvoller?

Aimé Chatard: Die "Tour de Corse". Das liegt zum einen an den besonders verschleißintensiven Oberflächen und dem schlechten Zustand der Straßen, zum anderen aber auch an den extremen Radlastveränderungen, die auf den kurvenreichen Wertungsprüfungen permanent an der Tagesordnung sind. Sowohl die Lauffläche als auch die Reifenkonstruktion stehen dabei unter Dauerfeuer. Die Rallye Korsika ist unter allen Motorsportarten, die auf Asphalt ausgetragen werden, ohne Zweifel die mit Abstand anstrengendste für den Rennreifen.

Anspruchsvoller noch als die Formel 1 oder Langstrecken-Veranstaltungen wie die "24 Stunden von Le Mans"?

Aimé Chatard: Ja. Dies liegt aber auch daran, dass die Rennpneus für World Rally Cars (WRC) in Relation zu ihrer enormen Leistungsfähigkeit - was Bremsen, Beschleunigungen und Kurvengeschwindigkeiten betrifft - eigentlich unterdimensioniert sind. Die Motorsporthoheit beschränkt die Größe auf das Format 225/40 x 18. Das sind Maße für herkömmliche Straßenfahrzeuge.

Was würde passieren, wenn ich ein sportliches Serienmodell mit BFGoodrich g-Force Profiler bestücken würde, die für ein WRC entwickelt wurden?

Aimé Chatard: Auf einer korsischen Wertungsprüfung wäre bereits nach wenigen Kilometern die Bremsanlage völlig am Ende - solange es dem Fahrer gelänge, die Reifen überhaupt auf die notwendige Betriebstemperatur von 80 bis 100 Grad Celsius zu bringen beziehungsweise zu halten. Denn dies wäre selbst mit der weichsten verfügbaren Mischung keine einfache Aufgabe. Abgesehen davon, dass die enorme Haftung der Pneus mit Kräften auf das Fahrwerk einwirkt, die schon nach kurzer Zeit die Beschädigung der Radaufhängung nach sich ziehen würden…

Und anders herum: Was passiert, wenn ein World Rally Car mit Serienreifen an den Start ginge?

Aimé Chatard: Ich bin mir sicher, auch mit dieser Kombination würde der Fahrer nicht glücklich! Spätestens nach vier Kurven wären die Reifen so überhitzt, dass sie nicht mehr haften. Abgesehen von den Wankbewegungen, die sie mit ihren weicheren Flanken auslösen. Der Vergleich ist aber nicht sehr fair: Straßenpneus werden konstruiert, um eine hohe Leistungsfähigkeit über Distanzen von 60.000 Kilometern und mehr sicherzustellen. Rennreifen für Asphalt-Rallyes müssen "nur" 60 Kilometer Wertungsprüfung überstehen - werden dabei aber Kräften und Belastungen ausgesetzt, die dem Tausendfachen der üblichen Beanspruchung entsprechen.

Wie lautet das Erfolgsgeheimnis der Rallye-Pneus von BFGoodrich?

Aimé Chatard: Hohe Leistungsfähigkeit auf einem gleichbleibend konstanten Niveau. Unser g-Force Profiler lässt in seiner Performance selbst auf langen Wertungsprüfungen nicht nach, auch wenn die Reifentemperatur und damit der Innendruck in die Höhe gehen. Ganz kann der Einfluss dieser Parameter allerdings nicht ausgeschlossen werden. Dies hängt mit der Unterdimensionierung des Produkts, der enormen Belastung und auch mit dem so genannten "Mousse"-System zusammen, das im Falle einer Beschädigung des Rades die weitere Funktion sicherstellt. Der Reifendruck ist ein ganz sensibles Detail, dem die Fahrer vor jeder einzelnen Prüfung höchste Aufmerksamkeit widmen.

Super schnell und doch ausdauernd - sind das nicht Gegensätze, die sich eigentlich ausschließen?

Aimé Chatard: Allerdings! Der Trick liegt eben darin verborgen, diese beiden gegensätzlichen Anforderungen dennoch unter einen Hut zu bekommen. Die Fahrer wünschen sich einen Reifen, der lange mit optimaler Leistungsfähigkeit aufwartet. Graphisch betrachtet reden wir über eine Performance-Kurve, die in der Aufwärmphase sehr schnell ihr Maximum erreicht und dieses Niveau über lange Zeit konstant beibehält, bevor die Leistungsfähigkeit langsam nachlässt.

Dann misst BFGoodrich einer möglichst konstanten Leistungskurve einen größeren Stellenwert bei als einer besonders hohen, aber nur für kurze Zeit verfügbaren Performance?

Aimé Chatard: Exakt. Es wäre für uns überhaupt kein Problem, einen Reifen zu entwickeln, der kurzfristig noch besser haftet, nach fünf Kilometern jedoch verschlissen wäre. Angesichts des heutigen Rallye-Formats aber muss ein Satz Reifen über gut 60 Kilometer perfekt funktionieren.

In vier Monaten steht die nächste Asphalt-Rallye auf dem Programm, der WM-Lauf in Deutschland. Welche Ansprüche stellt die Veranstaltung rund um Trier?

Aimé Chatard: Aus unserer Sicht fordern die Prüfungen der Rallye Deutschland die Reifen gerade mal zu 30 Prozent im Vergleich zu jenen der "Tour de Corse" - von den rauen Strecken im Militärgelände "Baumholder" einmal abgesehen, denn diese bestehen aus einem Mix aus Asphalt, Teer, Beton und kleinen Steinchen. Das unstete Wetter kompliziert die Reifenwahl zusätzlich.

Die Rallye Monte Carlo kehrt für 2007 in die französische Region Ardèche zurück. Wie steht BFGoodrich diesem Wechsel gegenüber?

Aimé Chatard: Aus unserer Sicht ist dies eine gute Lösung. In der Vergangenheit haben sich gerade in der Ardèche einige der spannendsten Rallyes in der Geschichte der "Monte" entschieden. Wir freuen uns bereits auf manche legendäre Prüfung. Sobald die endgültige Streckenführung steht, werden unsere Experten die Bedingungen vor Ort genau analysieren, damit unsere Vorbereitung beginnen kann. Möglicherweise bringt der Umzug ja jene winterlichen und verschneiten Verhältnisse zurück, für die die Rallye Monte Carlo in früheren Jahren bekannt war. Jetzt aber stehen uns erst einmal viele Schotter-Veranstaltungen bevor. Während die Vorarbeiten für die Rallye Argentinien längst abgeschlossen sind, konzentrieren wir uns derzeit auf die besonders verschleißintensiven WM-Läufe wie zum Beispiel die "Akropolis" in Griechenland. Entsprechende Testfahrten beginnen Anfang Mai.