Downsizing? Direkteinspritzung? Fehlanzeige. Toyota schien zu Beginn der Saison völlig den Zeitgeist verpasst zu haben: Der TS040 Hybrid wurde erst spät fertig, und das Motorenkonzept sorgte bei nicht wenigen für Kopfschütteln: Ein 3,7-Liter-Saugmotor mit acht Zylindern und Saugrohreinspritzung ist nicht unbedingt das, was Marketingabteilungen von Automobilherstellern momentan als Heilsbringer anpreisen. Und dann führte Toyota alle vor: Fünf Siege aus acht Rennen, die Hälfte aller Pole Positions der Saison, beide Weltmeistertitel. 2014 wird als Toyota-Jahr in Erinnerung bleiben. Doch es bleibt der Wermutstropfen: Le Mans ging wieder einmal verloren.

Mit 1000 PS zog der TS040 Hybrid an wie ein Kampfjet, Foto: Toyota
Mit 1000 PS zog der TS040 Hybrid an wie ein Kampfjet, Foto: Toyota

Auch innerhalb des Toyota-Teams gab es eine Hackordnung: Die späteren Weltmeister Anthony Davidson und Sebastien Buemi, bis einschließlich Austin noch von Nicolas Lapierre unterstützt, waren über die Saison hinweg das klar schnellere Fahrzeug. Sie schienen unaufhaltsam: Kam der Sieg in Silverstone noch unter teils regnerischen Bedingungen zustande, wurde in Spa-Francorchamps erstmals deutlich, wie dominant der TS040 Hybrid vor allem im Rennen ist. Im Qualifying konnte Porsche um die Pole mitkämpfen, doch im Renntrimm war Toyota unschlagbar - ein Vorgeschmack auf den späteren Verlauf der Saison.

Das überlegene Hybridsystem, das eine Gesamtleistung von 1000 PS zulässt, war neben der hohen technischen Zuverlässigkeit der Hauptgrund für Toyotas Super-Saison. Was viele Downsizing-Verfechter übersahen: Die Vorteile des Turbos liegen vor allem im Teillastbereich, im Motorsport aber wird größtenteils Vollgas gefahren, und dort säuft ein Turbomotor eben auch.

Schlappe in Austin als Wendepunkt

Bei den Sechs-Stunden-Rennen leistete sich Toyota Racing lediglich einen Fehler, als man in Austin die Autos mit Slicks auf der Strecke ließ und dadurch aus der Führungsrunde fiel. Danach aber fand die Kölner Mannschaft zu alter Stärke zurück: In Asien waren die von Oreca eingesetzten Boliden unschlagbar: Davidson und Buemi marschierten auf dem Fuji Speedway und in Shanghai durch, den WM-Titel in Bahrain feierten sie aber unter etwas ungewöhnlichen Umständen, als sie wegen eines Lichtmaschinen-Problems weit zurückfielen. Aber die Teamkollegen Stephane Sarrazin, Alexander Wurz und Kazuki Nakajima waren zur Stelle und fuhren ihren einzigen Saisonsieg ein.

Das wenig ästhetische ursprüngliche High-Downforce-Kit kam nur in Silverstone zum Einsatz, Foto: Adrenal Media
Das wenig ästhetische ursprüngliche High-Downforce-Kit kam nur in Silverstone zum Einsatz, Foto: Adrenal Media

Erst beim Saisonfinale in Brasilien gab es mit Porsche auch im Rennen einen ernsthaften Konkurrenten, selbst Audi schien wiedererstarkt. Davidson und Buemi hatten gute Karten, den führenden Porsche im Schlussstint noch abzufangen, da dieser die Reifen nicht gewechselt hatte. Doch es kam anders; der Unfall von Mark Webber ließ das Rennen unter gelb zu Ende gehen und Porsche gewann. Trotzdem könnte Toyota auf eine perfekte Saison zurückblicken, wäre da nicht der ganz große Wermutstropfen.

Der Le-Mans-Fluch schlägt wieder zu

Denn es bleibt dabei: Das Schicksal scheint es einfach nicht zu wollen, dass Toyota in Le Mans gewinnt. Alles schien angerichtet: Die Pole Position war erzielt, in den ersten Runden hielten sich die TMG-Boliden schadlos, während der erste Porsche bereits in Probleme rannte. Doch nach 90 Minuten würfelte ein Regenschauer das Feld komplett durcheinander. Nicolas Lapierre riskierte zu viel und knallte in die Leitplanke, der Traum vom dritten WEC-Sieg in Folge war ausgeträumt. Unglaublich: Durch die vielen technischen Probleme bei der Konkurrenz wurde der verunfallte Toyota noch Dritter. Der Sportsgeist wurde belohnt.

Somit blieben die Hoffnungen auf der Startnummer 7 liegen, und die enttäuschte nicht. Wurz, Sarrazin und Nakajima fuhren nach dem Restart schnell einen einminütigen Vorsprung heraus und kontrollierten diesen souverän, bis der Blitz einschlug: Ausfall in der Nacht wegen eines Pfennigartikels im Kabelbaum. Die unfassbare Toyota-Pechsträhne der späten 90er-Jahre setzte sich 15 Jahre später fort. Wieder blieb TMG der Sieg trotz des klar schnellsten Autos an der Sarthe verwehrt.

Das Le-Mans-Drama trieb Fans wie Teamangehörigen die Tränen in die Augen, Foto: Speedpictures
Das Le-Mans-Drama trieb Fans wie Teamangehörigen die Tränen in die Augen, Foto: Speedpictures

Weitere Unruhe kam ins Team, als nach dem abermaligen Audi-Sieg in Austin plötzlich das Joest-Team Oberhand im Meisterschaftskampf zu gewinnen schien. Die Reaktion fiel harsch aus: Nicolas Lapierre, der zweimal im Regen gecrasht war und dem zu diesem Zeitpunkt schon ernsthafte Kontakte zu Nissan nachgesagt wurden, wurde öffentlich vor die Tür gesetzt. Die Ironie: Genau ab diesem Zeitpunkt fand Toyota wieder in die Erfolgsspur zurück. Das lag auch daran, dass man sich nach Le Mans dazu entschied, das dort verwendete Aerodynamik-Paket auf viel Abtrieb zu trimmen. Das ursprünglich vorgesehene High-Downforce-Paket wurde nur einmal eingesetzt - beim Saisonauftakt in Silverstone.

Neuer Anlauf auf Le Mans 2015

So bleibt für 2015 doch noch eine offene Rechnung mit Le Mans. Wird sich noch einmal eine solch klare Gelegenheit wie 2014 ergeben, oder wird der Kampf zwischen vier Herstellern doch so hart, dass die größte Gelegenheit schon ausgelassen wurde? Toyota wird aufrüsten: Acht Megajoule sind angestrebt, möglicherweise wird von den Superkondensatoren Abstand zugunsten einer Batterielösung genommen. Doch die Konkurrenz schläft nicht: Porsche hat Toyota bis zum Saisonende eingeholt und wird sicher einen Riesenschritt machen. Und Audi wird sich eine Wiederholung von 2014 garantiert nicht noch einmal erlauben. Nissan kommt als große Unbekannte. Dennoch wird Toyota die Favoritenrolle innehaben - die Startnummer 1 gibt ihnen Recht.