Neben der, unabhängig davon entstandenen, Verletzung von Francesco Bagnaia sorgte der erste Start des MotoGP-Rennens in Barcelona auch durch einen Massencrash für Schlagzeilen. Ducati-Pilot Enea Bastianini blockierte die Bremse innen in Kurve Eins und schob so Johann Zarco an. Es folgte eine Kettenreaktion, die fünf Fahrer aus dem Rennen kegelte. Neben Bastianini und Zarco erwischte es auch Alex Marquez, Fabio di Giannantonio und Marco Bezzecchi. Da das Rennen mit roter Flagge unterbrochen wurde, konnten alle bis auf Bastianini mit dem Ersatzbike wieder starten. Der Italiener musste nach dem Crash zur Untersuchung ins Krankenhaus gebracht werden.

Dort gab es keine guten Nachrichten. Wie Ducati berichtete zog sich 'La Bestia' sich beim Unfall Brüche in der linken Hand und am linken Knöchel zu. Beide Verletzungen wurden eingegipst und er wird noch am Sonntagabend nach Italien geflogen. Dort wird er sich einer Operation unterziehen müssen. Eine Prognose zum Heilungsprozess und einer etwaigen Rückkehr auf die Rennstrecke gibt es noch nicht. Eine Teilnahme beim Rennen in Misano in der kommenden Woche ist aber so gut wie auszuschließen.

Enea Bastianini im Krankenhaus
Enea Bastianini hat sich beim Startcrash in Barcelona verletzt, Foto: Ducati

MotoGP-Fahrer wütend: Bastianini wollte viel zu viel

Die MotoGP-Fahrer waren nach dem Vorfall vielfach aufgebracht gegenüber Bastianini. "Es gibt hier immer einen, der zu viel will. Letztes Jahr war es Nakagami. Dieses Jahr ist es Bastianini", äußerte sich Zarco im Bezug auf das Vorjahr, als Takaaki Nakagami ebenfalls in Kurve 1 zwei Konkurrenten aus dem Rennen warf. Augusto Fernandez blies ins gleiche Horn: "Ich sah alles, war direkt dahinter. Manchmal wollen die Leute all das, was sie am Wochenende nicht auf die Reihe bekommen haben, in einer Kurve gutmachen."

Zarco war besonders enttäuscht, da Bastianini eigentlich vorgewarnt hätte sein müssen: "Gestern [im Sprint, Anm. d. Red.] lenkte ich schon nicht ein, weil Bastianini angeschossen kam. Ich war auf Sicherheit bedacht. Da hatte er schon gestern Glück. Heute war ich in der Kurve und er wollte sechs Plätze am Start gutmachen. Das kann mal gutgehen und dann bist du der Held. Aber die meiste Zeit endet das tragisch." Und der Franzose fügte hinzu: "Manchmal musst du akzeptieren können, dass es einfach kein gutes Wochenende ist." Pol Espargaro mahnte ebenfalls den Übermut des Italieners an: "Du musst früher bremsen. Die Jungs außen werden nach innen ziehen. Da musst du dich einreihen und nicht glauben, dass du das Positionen gutmachen kannst."

Die Meinungen, dass Bastianini etwas schlicht Unmögliches versuchte, waren weit verbreitet. "Enea war viel zu überambitioniert", stellte Franco Morbidelli fest. "Ich sah es schon kommen, als ich bremste. Ich war neben Enea und bremste spät, aber er sogar noch später", berichtete Marc Marquez. Neben dem späten Bremsen war laut Pol Espargaro auch die Positionierung entscheidend: "Es ist noch mehr als der Bremspunkt, dass er so weit innen war. Der Grip ist nicht gut dort. Er bremste zu spät, in einer sehr schlechten Position auf einer sehr dreckigen Strecke."

Kurve 1 in Barcelona gefährlich: Bremspunkt nach langer Anfahrt schwer zu finden

Tatsächlich gab es aber auch etwas moderatere Stimmen. Viele Fahrer wiesen darauf hin, dass der Rückenwind auf der Start-Ziel-Geraden das Anbremsen erschwerte. Für andere ist auch einfach die Natur der Strecke mit verantwortlich. "Wenn du dir die Geschichte in Barcelona ansiehst, dann gabs da immer einen großen Crash in Kurve 1. Das war schon immer so und wird auch immer so bleiben. Du hast einfach so einen großen Windschatten vom Grid bis zur ersten Kurve und du kannst eine Menge Position gutmachen oder verlieren in der ersten Schikane", meinte etwa KTM-Pilot Jack Miller.

Die lange Strecke vom Start zur ersten Kurve erzeugt hohe und gefährliche Geschwindigkeiten. Zarco berichtete von der Schwierigkeit, den Bremspunkt zu finden: "Du hast keinen klaren Bremspunkt. Du kommst sonst nie bei 300 km/h an, immer bei 350." Sein Landsmann Fabio Quartararo stimmte zu: "Beim Fahren kommen wir jede Runde dorthin und kennen den Bremspunkt. Aber starten tun wird nie. Bei fast 300 km/h ist es schwierig. Ich hatte gestern Glück, dass ich keinen abgeräumt habe."

Auch 2022 gab es einen Startcrash, Foto: LAT Images
Auch 2022 gab es einen Startcrash, Foto: LAT Images

Barcelona-Start nach vorne verlegen? Aleix Espargaro wird deutlich

Daher kam im Paddock die Idee auf, dass der Start näher zur ersten Kurve hin verlegt werden könnte, um die Ankunftsgeschwindigkeit in Kurve 1 zu verringern. Franco Morbidelli sah darin einen guten Ansatz: "Wir müssen den Start nach vorne verlegen, würde das einen Unterschied machen. Du kommst im fünften Gang mit mehr als 200 km/h an. Dann gibt es großes Durcheinander und das Bremsen wird schwieriger." Sein Yamaha-Teamkollege Quartararo stimmte zu: "Das ist keine schlechte Idee."

Beim Restart waren die MotoGP-Fahrer vorsichtiger, Foto: LAT Images
Beim Restart waren die MotoGP-Fahrer vorsichtiger, Foto: LAT Images

Mit diesem Standpunkt waren sie unter den Fahrern aber in der Minderheit. Crash-Opfer Marco Bezzecchi, der mit bandagierter linker Hand und rechtem Bein in die Medienrunde kam, wollte die Strecke nicht als Grund gelten lassen: "Es ist eine Sache der Fahrer. Die Strecke ist seit Jahren gleich." Marc Marquez stimmte ein: "Das würde nichts ändern. Die Fahrer müssen vorsichtiger sein. Das hat man beim zweiten Start gesehen, da waren alle vorsichtig." Sieger Aleix Espargaro sendete angesprochen auf die mögliche Verlegung des Starts deutliche Worte in Richtung Bastianini: "Wir sind gut genug, um an der richtigen Stelle zu bremsen und nicht zu versuchen 25 Fahrer in der ersten Kurve zu kassieren. Es geht nicht darum, wo der Start positioniert ist, sondern wer auf dem Bike sitzt. Es ist nicht so schwer, in der ersten Kurve etwas vorsichtiger zu sein."

Die MotoGP-Stewards bestraften Bastianini für seine Aktion mit einer Longlap. Diese muss er beim nächsten Rennen, bei dem er teilnimmt, absitzen. Für Aleix Espargaro geht dies nicht weit genug: "Es sollte eine härtere Strafe geben, wenn du jemanden in Kurve 1 raushaust. Eine Longlap kann es in der Mitte des Rennens geben, wenn du jemanden berührst. Das sollte mindestens eine doppelte Longlap sein." In diesem Punkt waren er und Marc Marquez sich allerdings nicht einig. Er sieht die Sache als erledigt an: "Er hat einen Fehler gemacht und ist dafür bestraft worden. Es ist nicht nötig noch mehr zu wollen, er wird dazulernen."