Die rechte Hand klopft auf den Bauch, dann auf die Brust, dann auf die Nase, dann auf die Stirn. Der Ablauf wiederholt sich. Dann wird die Hand gewechselt. Wieder Bauch, Brust, Nase, Stirn. Und eine weitere Wiederholung. Es sind Fabio Quartararos letzte Minuten vor dem für ihn wichtigsten Qualifying des Jahres. Es ist der 5. November in Valencia und Quartararo braucht unbedingt eine gute Startposition, will er am Sonntag seinen MotoGP-Titel doch noch verteidigen.

Was der Yamaha-Star hier macht, nennt sich Klopfakupressur, im Englischen auch als Tapping-Therapy bekannt. Hierbei werden unterschiedliche Punkte am Oberkörper, den Händen oder dem Gesicht abgeklopft. Parallel kann sich der Klopfer mit selbst gewählten Leitsätzen motivieren. Das Ziel: Ängste und Nervosität sollen abgebaut werden und ein Zustand von mentaler Ruhe und Ausgeglichenheit erreicht werden.

Quartararo fuhr in Valencia sein bestes Qualifying der zweiten Saisonhälfte, Foto: MotoGP.com
Quartararo fuhr in Valencia sein bestes Qualifying der zweiten Saisonhälfte, Foto: MotoGP.com

Die Ursprünge dieser Technik gehen auf die traditionelle chinesische Medizin zurück. Über die tatsächliche Wirksamkeit wird in der Fachwelt diskutiert. Von manchen Experten wird die Klopfakupressur als esoterischer Unsinn abgetan, die 'American Psychological Association' beispielsweise erkennt die Wirksamkeit der Methode mittlerweile aber an.

Quartararo selbst ist von der Sinnhaftigkeit dieser Übungen überzeugt: "Ich habe damit vor drei Jahren begonnen. Es ist für mich eine Form der Meditation, um möglichst konzentriert zu sein. Manchmal mache ich es vor dem Start einer Session, manchmal auch zuhause. Vor dem Qualifying in Valencia war ich extrem gestresst, weil das eine sehr wichtige Session für mich war. Da hatte ich für mich gespürt, dass ich es machen muss."

Quartararo wirkte in Valencia trotz Titelkampf relativ entspannt, Foto: LAT Images
Quartararo wirkte in Valencia trotz Titelkampf relativ entspannt, Foto: LAT Images

Trotz seiner beachtlichen Erfolge im Alter von erst 23 Jahren - elf MotoGP-Rennsiege, der Weltmeistertitel 2021 und die Vizeweltmeisterschaft 2022 - hängt Quartararo vor allem aufgrund seiner frühen Karriere ein Image als teils fehleranfälliger und nervöser Fahrer an. 2020 etwa führte er fünf Rennen vor Ende der Saison noch die Weltmeisterschaft an, stürzte in den letzten Grands Prix aber völlig ab und beendete das Jahr nur auf dem achten Gesamtrang.