Wie nah Freude und Leid im Sport beieinander liegen können, zeigte an diesem Wochenende einmal mehr das Monster-Energy-Yamaha-MotoGP-Team. Auf der einen Seite verpasste Fabio Quartararo seinen zweiten Sieg in Serie nur um Haaresbreite, auf der anderen Seite konnte sich Teamkollege Franco Morbidelli in Jerez lediglich mit Mühe und Not einen Punkt erkämpfen.

Morbidelli akzeptiert Kritik: Bin selbst enttäuscht

Zu wenig für die großen Erwartungen der Japaner: "Franky war enttäuschend, ich hätte mehr erwartet", erklärte Yamaha-Teamchef Lin Jarvis nur wenige Momente nach Zieleinfahrt im offiziellen Livestream der MotoGP. "Heute Morgen hat er ein besseres Setup gefunden, wir haben etwas am Bike verändert. Ehrlich gesagt, hätte ich mir mehr erhofft", so die klare Botschaft.

Morbidelli selbst reagierte wenig später in seiner Medienrunde auf die Kritik seines Teamchefs. Er habe dem nichts zu entgegnen. "Auch ich bin enttäuscht", berichtet er frustriert. Tatsächlich dürften Morbidelli und Yamaha mit ganz anderen Erwartungen in ihre erste vollständige gemeinsame Saison gegangen sein. Schon im Vorjahr wurde der Italiener nach dem Aus von Maverick Vinales ja von Petronas ins Yamaha-Werksteam befördert, seine Ergebnisse wurden damals jedoch noch stark durch die Folgen einer schwerwiegenden Knie-Verletzung inklusive Operation beeinflusst.

Diese Verletzung ist mittlerweile allerdings wieder auskuriert, Morbidelli befindet sich bei 100 Prozent. Ausreden gibt es also keine mehr, die Resultate haben sich aber nicht spürbar verbessert. In Jerez erreichte Morbidelli das Ziel erst 27,234 Sekunden nach Quartararo. Bei einer Renndistanz von 25 Runden verlor er also über eine Sekunde pro Umlauf auf den Teamkollegen. Im Qualifying trennten die beiden ebenfalls 1,045 Sekunden - auch wenn Quartararo seine Zeit erst in Q2 bei vermeintlich besseren Streckenbedingungen gefahren war. Letztlich sicherte sich der Franzose aber Startplatz zwei, während Morbidelli mit identischem Material bereits in Q1 scheiterte und nicht über P16 hinauskam.

Yamaha hängt den Erwartungen hinterher - auch wegen Morbidelli

Diese Zahlen zeigen ein recht akkurates Bild der bisherigen MotoGP-Saison. Während Quartararo regemäßig das Maximale aus seiner Yamaha M1 herausholen kann, kommt Morbidelli bislang überhaupt nicht zurecht. Den 89 Punkten, die Quartararo nach sechs Rennen die WM-Führung bescheren, stehen gerade 18 Zähler auf Seiten des Italieners gegenüber. Während Quartararo dreimal auf das Podest fuhr und ein Rennen gewinnen konnte, schaffte es Morbidelli erst einmal in die Top 10 - und auch das nur bei verregneten Chaos-GP in Indonesien.

Die Kritik von Teamchef Jarvis hat also ihre Daseinsberechtigung. Alle drei Titel gab Yamaha bei der Teampräsentation im Februar als Ziel aus, nach sechs Rennen liegen die Japaner aber nur in der Fahrer-WM auf Kurs - dank Quartararo. In der Hersteller-Wertung reicht es derzeit nur zu Platz zwei, auf Ducati fehlen bereits 42 Punkte. Und in der Teamwertung steht sogar nur P3, 29 Zähler hinter dem Suzuki-Team um Joan Mir und Alex Rins.

Morbidelli verspricht Besserung: Werden uns steigern

Immerhin, Morbidelli gibt sich kämpferisch: "Wir werden uns steigern", verspricht er. Hoffnung macht ihm die Entdeckung vom Sonntagmorgen: "Im Warm Up hatten wir eine gute Pace. Sie war sehr akzeptabel, eine der besten." Auch im Rennen habe er sich gut gefühlt, konnte den vorhandenen Speed aber nicht nutzen, weil er im Verkehr feststeckte und mit der Temperatur des Vorderrads zu kämpfen hatte.

"Schon nach drei Runden war die Temperatur viel höher als normal, ich konnte das gesamte Rennen nicht pushen", berichtet er. Erst in den letzten Runden, nachdem er Luca Marini überholt hatte, sei es besser geworden: "Dann hatte ich eine kleine Lücke vor mir und die Temperaturen sind runtergegangen. Ich konnte pushen und die Rundenzeiten waren gut, aber das Rennen war da schon vorbei. Das ist unsere Schuld, weil wir von P16 gestartet sind." Die Vorgabe für den nächsten Grand Prix in Frankreich in zwei Wochen ist also klar: Es braucht ein besseres Qualifying-Ergebnis.