Warum wurde am Samstag jeglicher Rennbetrieb abgesagt?

Schon seit Tagen hängen dicke Regenwolken über Katar, doch in der Nacht von Freitag auf Samstag öffneten sie ihre Pforten. Die Folge waren sintflutartige Regenfälle, die ganze Straßenzüge von Doha unter Wasser setzten. Auch der Losail International Circuit blieb nicht verschont und so standen am Vormittag große Wasserpfützen auf der Strecke, in der Boxengasse und entlang der Auslaufzonen.

Früh war klar, dass der ursprüngliche Zeitplan nicht zu halten war und so verschob die Rennleitung die Sessions zeitlich nach hinten, während Räumungskommandos versuchten, die Strecke vom Wasser zu befreien. Kurz nach 18 Uhr mitteleuropäischer Zeit gab man aber auf und erklärte alle Qualifyings und Trainings am Samstag für abgesagt.

"Die Strecke ist komplett flach. Klar, dass das ganze Wasser hier steht. Die Auslaufzonen waren ein einziger See", erklärte Maverick Vinales. Sicherheitskommissar Loris Capirossi rechtfertigte die Entscheidung: "Wir haben alles versucht, es doch durchzuziehen. Leider waren die Probleme aber größer als erwartet und am Ende war es unmöglich, hier zu fahren."

War die Strecke nicht auf Regen vorbereitet?

In Katar fallen in einem durchschnittlichen März nur 15 Millimeter Regen pro Quadratmeter. An Nässe ist man im Wüstenstaat nicht gewöhnt, weshalb etwa auch die Strecke über keinerlei Drainagen verfügt, die ein rascheres Abfließen der Wassermengen ermöglicht hätten. "Ohne Drainagen dringt das von der Strecke geschippte Wasser wieder aus dem Boden aus und läuft zurück", beschreibt Capirossi die Sisyphusarbeit der Crew vor Ort und gibt zu: "Hier hatte einfach niemand Regen erwartet." Dabei hatte die MotoGP im Vorfeld des Rennens sogar das Fahrverbot bei Regen (wegen angeblicher Spiegelungen des Flutlichts auf nasser Strecke) aufgehoben und Michelin und Dunlop dazu verpflichtet, zum ersten Mal in der Geschichte Regenreifen nach Katar zu bringen.

Warum wurde das Qualifying nicht auf Sonntag verschoben?

Das erste Rennen startet am Sonntag erst um 18 Uhr Ortszeit. Es hätte im Zeitplan also noch jede Menge Platz gegeben, das Qualifying am Vormittag oder in den Mittagsstunden zu fahren. Doch die Verantwortlichen wollen diese Zeit lieber dafür nutzen, die Strecke wieder trocken und sauber zu bekommen. Das Wasser hat nämlich jede Menge Sand und Dreck auf den Asphalt gespült, sodass der in den vergangenen Tagen aufgebaute Grip vorerst dahin ist. "Es gibt am Sonntagmorgen kein Qualifying, da wir daran arbeiten müssen, möglichst gute Bedingungen für die Rennen zu schaffen", so Capirossi. "Daher werden wir das Wasser heute Nacht abpumpen."

Niemand wollte die Motorräder am Samstag auf die Strecke schicken, Foto: KTM
Niemand wollte die Motorräder am Samstag auf die Strecke schicken, Foto: KTM

Wie wird nun die Startaufstellung ermittelt?

Kann ein Qualifying - aus welchem Grund auch immer - nicht durchgeführt werden, schreibt das Sportliche Reglement vor, dass die kumulierten Trainingszeiten zur Bildung der Startaufstellung herangezogen werden. Drei Trainings konnten in allen Klassen in den vergangenen Tagen gefahren werden. Bei jedem Fahrer wird nun die schnellste Rundenzeit aus den bestrittenen Trainingseinheiten herangezogen um ein Klassement zu erstellen. In der MotoGP-Klasse kennt man dieses Prozedere bereits seit einigen Jahren für die Bestimmung, welche Fahrer direkt in Q2 einziehen.

Was passiert, wenn es am Sonntag auch regnet?

Bis 15:20 Ortszeit (14:20 MEZ) hat die Rennleitung für die erste Entscheidung Zeit, ob ein Rennbetrieb überhaupt möglich ist. Um diese Zeit steht nämlich das auf 30 Minuten verlängerte Warmup der Moto3 auf dem Programm. Die MotoGP folgt nach dem aktuellen Plan um 16:50 Uhr Ortszeit. Regnet es über Nacht oder am Vormittag nicht allzu heftig nach, wird man die Fahrer wohl mit Regenreifen auf die Strecke schicken.

"Wenn es regnet, müssen wir es auf jeden Fall versuchen", ist sich Maverick Vinales sicher. "Wir könnten dann endlich diese Strecke hier im komplett nassen Zustand ausprobieren und hätten wichtige Erkenntnisse für die Sicherheit für nächstes Jahr", pflichtet ihm Andrea Iannone bei, der aber klarstellt: "Heute war es aber definitiv zu gefährlich."

Nach dem Warmup steht allerdings eine zweite Entscheidung auf dem Programm: Ob man auch tatsächlich bei Regen und Flutlicht das Rennen startet. Zwar hat die MotoGP diese Ansage vor dem Wochenende getätigt, doch nun will man die Fahrer in diese Entscheidung mit einbeziehen. "Wenn sie finden, dass man unter diesen Bedingungen nachts nicht fahren kann, dann werden wir eine andere Lösung finden, vielleicht fahren wir dann tagsüber."

Ein absolviertes Warmup heißt am Sonntag also noch nicht automatisch, dass es auch zu einem Rennen kommen wird. Wie schon 2009 könnte das MotoGP-Rennen somit erst am Montag gestartet werden. Damals kam es am Rennsonntag auch zu starken Niederschlägen, die einen Start verhinderten. Sollte es in der Nacht auf Sonntag oder am Vormittag erneut stark regnen, wird man wohl ohnehin früh alle Sessions auf Montag verschieben.

Scott Redding hielt sich mit Dehnübungen warm, Foto: Tobias Linke
Scott Redding hielt sich mit Dehnübungen warm, Foto: Tobias Linke

Wie sieht die Wettervorhersage aus?

"Der Wetterbericht für morgen Früh sieht leider nicht gut aus. Am Vormittag soll es regnen und bis zum Nachmittag wieder trocken sein", sagte Sicherheitskommissar Capirossi am Samstagabend. Für das Streckenpersonal könnte die Einhaltung der Pläne für den Rennsonntag somit zu einem Wettlauf gegen die Zeit werden.

Welche Konsequenzen zieht dieses Desaster nach sich?

Die Wetterproblematik könnte weitreichende Konsequenzen haben. Zunächst wünschen sich die Fahrer Drainagen, damit man nicht jeder mittelschwere Regenschauer zu Verzögerungen im Zeitplan führt. Mit dieser Maßnahme einhergehen könnte eine Neuasphaltierung der Strecke, denn der aktuelle Belag ist seit der Eröffnung im Jahr 2004 noch nie erneuert worden. Europäische Strecken tauschen den Asphalt in der Regel etwa alle zehn Jahre aus - so wie aktuell der Sachsenring. "Den Asphalt will man wohl neu machen, vielleicht findet man dann auch gleich eine Lösung für Drainagen", meinte Marc Marquez am Samstag.

Auch eine grundlegende Verschiebung der Startzeit zukünftiger Rennen könnte mittelfristig eine Folge sein. Die Problematik der Flutlichtreflexionen bei Regen bleibt ein Streitthema. Sollte nun zum zweiten Mal nach 2009 ein Rennen auf Montag verschoben werden, ziehen sich die Beteiligten vor allem den Unmut der TV-Stationen zu - einer nicht unerheblichen Einnahmequelle von Vermarkter Dorna, die letztlich bei den Startzeiten ein gehöriges Wörtchen mitredet. Der erste Fürsprecher eines früheren Starts hat sich bereits gefunden: Jorge Lorenzo, der sich ein "Rennen in den Sonnenuntergang" wünscht, wie es die Formel 1 etwa in Abu Dhabi praktiziert.