In den letzten Wochen war die Kritik an den Michelin-Reifen langsam, aber sicher verstummt. Die MotoGP-Piloten fanden sich mit den neuen Einheitsreifen für diese Saison immer besser zurecht und reduzierten die Sturzrate in den letzten Rennen kontinuierlich. Das sollte sich beim Niederlande-GP in Assen wieder schlagartig ändern. Die Anzahl der Stürze im Rennen kletterte im Wetterchaos in den zweistelligen Bereich. Neun Fahrer gingen im zweiten Rennen zu Boden, dazu Andrea Iannone und Yonny Hernandez im ersten Lauf und Eugene Laverty auf seiner Sighting Lap.

Nach dem Rennen prasselte deshalb über Michelin wieder heftigste Kritik von der Fahrerseite herein. Im Kreuzfeuer dieser Kritik stand vor allem der Vorderreifen, der den MotoGP-Piloten wohl keinerlei Rückmeldung gegeben hatte. "Ich bin auf der Sighting Lap so langsam gefahren, weil ich nicht der Idiot sein wollte, der stürzt. Im Endeffekt bin ich es doch gewesen. Der Reifen hat sich wie Eis angefühlt, er war so rutschig", wetterte Eugene Laverty nach seinem Missgeschick vor dem Rennstart.

Eugene Laverty lag schon vor dem eigentlichen Start auf der Nase, Foto: Aspar
Eugene Laverty lag schon vor dem eigentlichen Start auf der Nase, Foto: Aspar

Laverty-Missgeschick als Vorbote für Michelin-Desaster

Laverty wusste damit schon vor dem Rennen, was die MotoGP-Meute erwarten würde. Doch bis zum Abbruch bewies das Feld große Disziplin. Lediglich Andrea Iannone und Yonny Hernandez, die beide groß aufgeigten, leisteten sich Stürze. Besonders für Hernandez war das bitter, lag er doch in Führung. "Ich hatte nicht das Gefühl, als wäre ich am Limit und hatte alles unter Kontrolle. Dann habe ich gefühlt, dass die Front ein bisschen einknickt und auch, wenn ich versucht habe, den Sturz mit meinem Knie abzufangen, sollte es nicht sein", erklärte ein geknickter Hernandez.

Auch bei Hernandez lag es also am Vorderreifen. Ein Problem, das darüber hinaus bei Valentino Rossi, Andrea Dovizioso, Dani Pedrosa, Bradley Smith, Cal Crutchlow, Aleix Espargaro, Alvaro Bautista, Esteve Rabat und Michele Pirro zum Sturz im zweiten Rennen führte. Selbst Jorge Lorenzo, der zwar nur um den Kurs schlich, dabei aber immerhin nicht stürzte, hatte ähnliche Probleme: "Sogar wenn ich langsam unterwegs war, habe ich mich nicht sicher gefühlt. Ich denke, das lag hauptsächlich am Vorderreifen, ich habe die Front überhaupt nicht gespürt", schüttelte der Weltmeister den Kopf.

Dovizioso erkennt Parallelen zum Winter bei den Michelins

Andrea Dovizioso kritisierte Michelin besonders hart, Foto: Ducati
Andrea Dovizioso kritisierte Michelin besonders hart, Foto: Ducati

Im Nassen steht Michelin also noch vor ähnlichen Problemen mit dem Vorderreifen wie im vergangenen Winter im Trockenen. "Der springende Punkt ist der Grip. Es gab nämlich überhaupt keine Haftung, daher hatte keiner gespürt, wann die Front verloren geht. Und das nur, weil überhaupt kein Grip da war. Das ist so wie im Winter im Trockenen, als es viele Stürze wegen dem Michelin-Vorderreifen gab", erkannte Andrea Dovizioso die Parallele. Überhaupt gab Dovizioso nach dem Assen-GP den Michelin-Chefkritiker.

Verständlich, hatte er doch realistische Chancen auf seinen zweiten MotoGP-Sieg. Das Dilemma des MotoGP-Feldes beschrieb er als einziger Fahrer ausführlicher. Schließlich zogen viele Fahrer vor dem Neustart einen neuen Hinterreifen auf, so auch Dovizioso. Mit dramatischen Folgen für die Balance: "Der Grip war dann hinten sehr gut und hat sich mehr als verdoppelt. Das hat aber auch gleichzeitig die Probleme vorne noch größer gemacht." Und das nicht nur bei Dovizioso, sondern auch bei allen Fahrern. Im Regen hat Michelin also noch extrem viel Aufholbedarf. Bei trockenen Verhältnissen haben sich die Vorderreifen schon gut entwickelt.