Das Duell Rossi gegen Marquez lässt immer noch die Wogen hochgehen. Auch knapp eine Woche nach dem großen Saisonfinale in Valencia wird das Verhalten von Marc Marquez, der das gesamte Rennen ohne einen einzigen Angriff hinter Jorge Lorenzo fuhr, emotional diskutiert. Nun meldet sich mit Kevin Schwantz, 500ccm-Weltmeister von 1993, eine der angesehensten und respektiertesten Personen des MotoGP-Paddocks zu Wort. Er hält nichts von der Schwarz-Weiß-Malerei vieler Fans und Experten.

Rossi mit erstem Angriff

Viel mehr sieht Schwantz Valentino Rossi selbst an den Auslöser des Zweikampfes, der schließlich völlig eskalierte. Rossis Anschuldigungen gegen Marquez nach dem Australien-GP, in denen er seinem jüngeren Rivalen vorwarf, gegen ihn und für Lorenzo zu fahren, waren laut Schwantz nicht gerechtfertigt. "Vale sagte, dass ihn Marc aufgehalten hat. Okay, das ist möglich, aber für Vale war Marcs super Pace in der letzten Runde ausschlaggebend. Das beweist meiner Meinung nach absolut gar nichts", so Schwantz im Gespräch mit Motorsport.com. "Ich denke, dass Marc Recht hat, wenn er sagt, dass er zuvor seine Reifen schonen musste. Vielleicht erkannte Vale in seinen Kämpfen mit Marquez einen Unterschied zu den Duellen, die Marc mit anderen Fahrern hat. Ich weiß es nicht. Nur Vale selbst steckt unter dem Helm und in der Lederkombi. Seine Perspektive ist also einzigartig. Das können wir alle nicht beurteilen. Aus meiner Sicht gab es nach Australien aber keinen Grund für ihn, sich zu beschweren. "

Marquez' Fahrweise auf Phillip Island verärgerte Rossi, Foto: Repsol
Marquez' Fahrweise auf Phillip Island verärgerte Rossi, Foto: Repsol

Eine schnellste Rennrunde im letzten Umlauf kommt Schwantz nicht im Geringsten verdächtig vor: "Da hat man am wenigsten Sprit an Bord und muss eben nicht mehr auf die Reifen achten. Man kann einfach Vollgas geben. Als ich oder Wayne Rainey noch gefahren sind, war unsere letzte Runde oft die schnellste." Dennoch stieß sich Rossi an dieser Tatsache und holte am folgenden Wochenende in Sepang in der Donnerstags-Pressekonferenz zum verbalen Schlag gegen Marquez aus. "Valentino hat in der Pressekonferenz den ganzen Ärger dann erst so richtig begonnen, indem er sich über Marc beschwert hat", ist Schwantz überzeugt. "Das gab Marc den perfekten Grund um zu sagen: Okay, leck mich, jetzt werde ich wirklich mit dir spielen."

Wie dieses Duell in Sepang schließlich endete, ist hinlänglich bekannt. Rossi wurde nach der Kollision mit drei Strafpunkten belegt und musste in Valencia an das Ende des Feldes. Für Schwantz eine völlig verständliche Entscheidung: "Rossi hatte sicher nicht vor, Marquez zu Boden zu schicken, aber passiert ist es dennoch und dafür wurde er natürlich bestraft. Die Rennleitung muss in so einer Situation etwas tun und die drei Strafpunkte waren dabei noch das Minimum." Doch auch bei Marc Marquez sah er ein klares Fehlverhalten. "Er ist sicher nicht schuldlos, denn sich einfach an einen anderen Fahrer anzulehnen, wenn der Bremshebel komplett frei ist, ist zu gefährlich. Da bettelt man geradezu darum, abgeräumt zu werden", meint der selbst als knallharter Racer bekanntgewordene Schwantz.

Schützenhilfe? Schwantz winkt ab

Beim Finale in Valencia stand Marquez schließlich wieder in der Kritik, dieses Mal aber nicht wegen zu aggressiver, sondern zu passiver Fahrweise. Er war 30 Runden am Hinterrad von Lorenzo gehangen, doch der Angriff blieb aus. Wasser auf die Mühlen der Marquez-Kritiker. Schwantz hat für Marquez' Herangehensweise aber vollstes Verständnis: "Wenn ich beispielsweise gegen Eddie Lawson oder Wayne Rainey gefahren bin und die beiden haben um die Weltmeisterschaft gekämpft, dann habe ich mich im letzten Rennen auch etwas anders verhalten. Wenn ich mich nicht am Ende einer Gerade ganz klar vorbeibremsen oder durch einen Fehler überholen konnte, habe ich kein riskantes Manöver gewagt. Das Letzte, was man in so einer Situation will, ist der entscheidende Faktor in einer Weltmeisterschaft zu sein." Schwantz glaubt Marquez, der beteuerte, alles versucht zu haben. "Für mich sah es so aus, als wäre er am Limit gewesen, als er Lorenzo verfolgt hat. Das waren wirklich schnelle Runden, die die beiden da gefahren sind", gibt er zu bedenken.

Schwantz konnte in Valencia keine Auffälligkeiten beobachten, Foto: Milagro
Schwantz konnte in Valencia keine Auffälligkeiten beobachten, Foto: Milagro

Oft wird Marquez' harter Konter gegen Pedrosa als Indiz einer Schützenhilfe von Marquez für Lorenzo gesehen. Doch auch hier verweist Schwantz auf die unterschiedlichen Rahmenbedingungen in einem Duell gegen Pedrosa oder Lorenzo. "Die Sache mit Pedrosa ist schon etwas verdächtig", gibt Schwantz zu. "Er hat Lorenzo und Marquez 2,4 Sekunden in vier Runden abgenommen und als er plötzlich bei Marc war, wurde der sehr aggressiv gegenüber seinem Teamkollegen. Man kann aber hier wieder argumentieren, dass Dani eben nicht im Titelkampf war, Marc deshalb also bereit war, ein höheres Risiko zu gehen."